Zeichnung!

2.3K 107 58
                                    


"Hey Kostas.", begrüßte mich Tommy, als an unserem Treffpunkt ankam. Ich lächelte und war froh, dass ich so schnell Anschluss gefunden hatte. Meine Mutter war erst vor ein paar Tagen mit mir nach Potsdam gezogen. Tommy und ich unterhielten uns über alles mögliche. Er schien ganz nett und auch bisschen süß. "Kostas?", sprach er mich plötzlich kurz vor der Schule an. "Ja?", gab ich zurück. "Magst du mich?", wollte er wissen. "Ja sonst würde ich wohl kaum mit dir zur Schule laufen.", sagte ich und wunderte mich über die Frage. Sein Blick glitt über den Schulhof. Plötzlich zog er mich an sich und legte seine Lippen auf meine. Etwas geschockt erwiderte ich den Kuss sogar. Es war ein kurzer Kuss. Er löste sich von mir und sah mich an: "Entschuldigung.", murmelte er und wollte gehen. Ich folgte ihm: "Schon okay.", meinte ich und setzte mich ,am Klassenraum angekommen, an meinem Platz.

Ein paar Minuten nach mir kam ein Junge rein, den ich bis jetzt noch nicht gesehen hatte. War das der Junge, der die letzten Tage krank war? Er setzte sich auf den letzten freien Platz. Neben mir! Ich musterte ihn, während er seine Kapuze vom Kopf zog. Seine waren hochgegelt und auf der einen Seite schwarz und auf der anderen rot. Seine Lippe zierte ein Piercing und in seine linke Augenbraue war ein Muster rasiert. Seine Füße hatte er auf den Tisch gelegt und sein Blick war zur Tafel gerichtet. Er schien plötzlich meinen Blick zu spüren, denn er sah zu mir. Sorge lag in seinen blauen Augen. "Halt dich von Tommy fern, der verarscht dich nur.", flüsterte er ganz leise und sah dann wieder zur Tafel. Ich sah ihn verwirrt an, bis der Lehrer rein kam. Unser Mathe- und Klassenlehrer musterte die Klasse und sein Blick blieb an meinem Sitznachbarn hängen. "Ach Herr Roeder, was beschert und die Ehre?", fragte Herr Meier herablassend. Der Junge verdrehte die Augen und meinte dann genervt: "In der Klapse wollte man mich nicht mehr." Alle sahen in spöttisch an, doch ich machte mir Sorgen. Der Junge neben mir wirkte so kaputt. Ich musterte den Jungen immer wieder, während er auf das Blatt vor sich sah und irgendwas zeichnete.

Als es zur Pause klingelte standen alle auf und verließen den Raum. Der Junge ließ das Blatt liegen und ich konnte mir die Zeichnung ansehen. Er hatte einen kompletten Comic gezeichnet. Die Zeichnungen waren einfach gehalten, doch man erkannte auf den ersten Blick, dass er Tommy und sich skizziert hatte. Geschockt sah ich mir die Bilder an. Die Beiden als verliebtes Paar. Die Beiden zusammen im Bett und am Ende er ganz allein.
Unter dem Comic stand:

"Dir wird dasselbe passieren. Tommy ist nicht der, für den ihn alle halten."

Ich hatte das Blatt eingesteckt und dann auch den Raum verlassen. Mein Blick glitt über den Schulhof. Auf einer Mauer saß er. Ganz allein! Tommy rief mich, doch ich ignorierte ihn. Ich lief zu der Mauer und reichte ihm das Blatt. Er stieß Rauch von seiner Zigarette aus und nahm es. "Wie heißt du?", wollte ich wissen. "Marik. Aber nenn mich Mik.", meinte er und gab mir das Blatt zurück und erst jetzt sah ich, dass es eine Rückseite gab. Mik weinend! Mik am Boden! Mik in der Psychiatrie! Mik mit Narben am Arm! Mik mit einer Flasche Wodka und Tabletten! "Er hat mir alles genommen.", sagte er leise. Ich kletterte zu ihm rauf. "Was hat er dir genommen?", wollte ich wissen. "Meine Unschuld.", murmelte er und man merkte, dass er nicht gerne darüber redete. Vor mir saß ein völlig zerstörter Mensch! Tommy hatte ihn kaputt gemacht.

Wochen später schien es Mik besser zu gehen. Wir redeten viel miteinander und ich erfuhr immer mehr, was ihm passiert war. Ich begann Tommy zu hassen und dieser schien es zu merken. Er würdigte mich keines Blickes mehr, doch das war mir egal. Immer öfter wurde mir klar, dass ich mich in Mik verliebt hatte. "Weiß jemand wo Marik ist?", fragte unsere Deutschlehrerin gerade. Ich blickte noch mal auf mein Handy. Er hatte mir nicht geschrieben, wie sonst in den letzten Wochen immer, wenn er nicht kam. Plötzlich ging die Tür auf und Mik kam rein: "Entschuldigen Sie, ich habe verschlafen.", meinte er und setzte sich. Frau Hansen musterte ihn besorgt und nickte dann. Er kramte seine Sachen raus. Er riss ein Blatt aus seinen Skizzenbuch und schob es zu mir. Die Zeichnung zeigte uns. Eng umschlungen! Er lächelte und ich las den Text darunter.

Kostory - OneShotsammlung #Wattys2017Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt