Kapitel XVII

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Sie besah sich die übrigen Insassen: neben ihr auf der Rückbank Corvin und Levian, auf dem Beifahrersitz Abraxas und derjenige, der den Wagen steuerte war Pyro.
"Und jetzt?", fragte sie unvermittelt.
"Jetzt werden wir uns wohl erst einmal zurückziehen und beraten. Ich hatte Athos gewarnt, dass so etwas passieren würde." Corvin verzog das Gesicht.
"Das hat er nun davon...Und so viele hat er gleich mitgezogen. Wenigstens ist Sathen noch da."
"Wer noch? Mal abgesehen von uns fünfen hier. Wer fährt in dem anderen Auto?"
"Sathen, zusammen mit Azrael, Seere, Verin und Elian. Phenox ist bereits vorgefahren mit seinen Leuten."
Sie erschrak.
Hatte Sathen Lucien und Auriel zurückgelassen?
Es schien ganz so. Dass er ihnen nicht vertraute wusste sie, aber die beiden einfach ahnungslos in dem Haus zu lassen war verachtenswert.
"Es waren aber noch mehr Vampire in dem Haus", sagte sie und biss sich auf die Unterlippe.
"Das weiß ich, Katrina. Aber ich vertraue Sathen. Er hat alle, denen wir trauen können Bescheid gegeben. Und für die übrigen Gäste habe ich jemanden zurückgelassen, der sie informiert. Genau jetzt."
Sie nickte nur und lehnte sich zurück.

Die restliche Fahrt verlief schweigend, was Trina nur allzu gut verstehen konnte: Corvin hatte seinen Bruder und seinen Schöpfer verloren, Levian und Pyro hatten den Verlust von Natas zu beklagen, Abraxas musste mit damit klarkommen, dass Kea nicht mehr war und ihr fehlte Kendrick. Sie konnte es immer noch nicht fassen, dass sie ihn nie wieder sehen würde. Sein furchtbar charmantes Lächeln, diese klugen, wachen Augen, die an Weltkugeln erinnerten, sein Geruch, sein Körper...
Sie lenkte ihre Gedanken weg von ihm, sonst würde sie gleich anfangen zu weinen... Lucien! Ob er es aus dem Haus geschafft hatte? Ob Auriel sauer war? Mit Sicherheit, er tobt bestimmt vor Wut, dachte sie etwas schadenfroh.

Er wird nicht aufgeben, bis er dich hat, Katrina. Also freu dich nicht zu früh...

Halt bloß die Klappe, Lilith und verschwinde!

Und tatsächlich war Ruhe.

Sie hatte keine Ahnung wohin sie fuhren, die Ortsschilder sagten ihr überhaupt nichts.

Nach etwa drei Stunden, es begann bereits zu dämmern, hielten sie vor einem großen Stahltor mitten im Nirgendwo. Sie waren vor einer halben Stunde am letzten Haus vorbeigefahren und seitdem nur auf Feld- und Forstwegen gefahren.
Das Tor war gut bewacht, drei Männer mit Maschinenpistolen standen hinter ihm und machten es erst auf, nachdem sie mit dem Fahrer des vorderen Wagen, wahrscheinlich Seere, diskutiert und mit einem Funkgerät Rücksprache mit jemanden gehalten hatten. Nachdem sie durchgefahren waren ging es noch knapp zwei Kilometer auf einem Feldweg, bis sie an einem großen Herrenhaus ankamen. Es war beeindruckend, da es nach Südstaatenart gebaut wurde, mit diesen ganzen Säulen.
“Wessen Anwesen ist das?“, fragte Trina Corvin, bevor sie ausstiegen.
“Meines, Katrina.“, antwortete er und deutete ihr ihm zu folgen. Alle anderen waren bereits ausgestiegen und versammelten sich auf der Veranda.
Trina sah Seere und Sathen, Azrael und Elian und der andere dort musste Verin sein. Sie besah ihn sich genauer: braunes, züruckgekämmtes Haar, an den Seiten nur einige Millimeter kurz. Braune Augen und einen sinnlichen Mund. Er war schick gekleidet....

Sie hörte Corvin neben sich räuspern und senkte beschämt den Kopf.
Phenox öffnete plötzlich die große Flügeltür und fragte sofort: “Morena?“
Seere trat zu ihm, legte eine Hand auf seine Schulter und schüttelte den Kopf. Trina war erstaunt über seine folgende Reaktion: Phenox schüttelte die Hand seines bis dato besten Freundes einfach ab, stieß einen unmenschlich klingenden Schrei aus und schubste Seere einfach zur Seite.
“Du...“, wütete er und zeigte in ihre Richtung. Verblüfft drehte sie sich herum, aber hinter ihr war niemand. Er meinte tatsächlich sie. Phenox kam langsam auf sie zu, doch Corvin stellte sich schützend vor sie und hob beschwichtigend die Hände.
“Phenox... Sie kann nichts dafür.“
“Nichts dafür? Sie kann nichts dafür, sagst du? Mach endlich die Augen auf! Du jagst hirnlosen Gespinsten von Aharon hinterher. Er hat dich dermaßen vollgesülzt mit diesem Mist, dass du selber daran glaubst. Sie ist völlig wertlos für uns. Sieh sie dir an. Sie ist schwach und einen Plan hat sie auch nicht, sie verlässt sich immer auf andere und...“
Das reichte ihr.
Katrina trat hinter Corvin hervor und stellte sich Phenox genau gegenüber.
“Pass mal auf Freundchen! Das mit Morena tut mir leid. Aber ich bin in keinster Weise an ihrem Tod beteiligt. Und du bist nicht der Einzige, der jemanden verloren hat. Aber vielleicht sollten wir das besser drinnen besprechen...“
Alle starrten sie mit offenem Mund an, Azrael lachte leise und Phenox sah sie schockiert an, bevor er sich an Corvin wandte und ihn fragte ob sie im Internat das Fach “alte österreichische Dialekte“ hatte.
Corvin schüttelte nur den Kopf und ließ Trina nicht eine Sekunde aus den Augen.
“Nein, ernsthaft, wir sollten reingehen, die Sonne...“, begann Trina mit dem Blick auf den Himmel gerichtet und dann fiel ihr selber auf, dass sie etwas seltsam redete.
Deutsch hatte sie im Internat gelernt, aber dieses komisch gebrochene Deutsch hatte sie noch nie gehört beziehungsweise gesprochen. Verwirrt drehte sie sich um zu Corvin, der sie seltsam anstierte. Es war schließlich Azrael, der die Situation auflöste indem er verkündete, dass er jetzt hineingehen würde. Daraufhin folgten ihm alle, zum Schluß Phenox, Trina und Corvin.

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