Kapitel 2

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In der vierten Stunde schrieben wir den Test in Englisch. Auch wenn Dad sich heute Morgen über meine Yoda-Grammatik lustig gemacht hatte, war Englisch eins meiner besten Fächer. Dementsprechend konnte ich fast alle Fragen beantworten.

Als es zur Mittagspause klingelte packte ich schnell mein Mäppchen weg, nahm meinen Test und lief damit in der Hand ans Pult meiner Englischlehrerin Mrs Taylor. Ich war unter den Ersten die abgaben, also legte ich den Bogen Papier einfach auf ihren Tisch. Dann schlich ich mich leise aus dem Raum, um die Anderen, die noch schrieben, nicht zu stören. Erst auf dem Flur fing ich an zu rennen und hetzte in die Cafeteria. Dort schnappte ich mir schnell ein Tablett, lud Nudeln mit Käsesahnesoße sowie einen einfachen Obstsalat darauf und stellte mich an der Kasse an. Als ich dran war, bezahlte ich und ging raus auf den Schulhof. Dieser war dank des kühlen Herbstwetters relativ leer und verlassen, da die meisten Schüler es bei diesen Temperaturen bevorzugten, in der geheizten Cafeteria zu essen. Ich hingegen aß nur im äußersten Notfall im Schulgebäude, denn ich konnte da drinnen einfach nicht atmen.

Zielstrebig steuerte ich auf einen Baum zu unter dem eine Bank stand. Ich ließ mich auf die Sitzfläche fallen und platzierte meinen Rucksack neben mir sowie das Tablett auf meinen Knien. Ich nahm mir einen Happen von den Nudeln und schob ihn mir in den Mund. Während ich gleichmäßig darauf herum kaute, schweiften meine Gedanken zum Casting.

Es hatte an einem Dienstag in einer ehemaligen Lagerhalle außerhalb von L.A. stattgefunden. Es war ein längliches, älteres Gebäude gewesen. Drinnen hatte es nur so vor Menschen gewimmelt, wobei es alles Frauen gewesen waren. Die meisten waren älter als ich. Jedenfalls erschienen sie mir so in dem künstlichen Licht, das von den Deckenleuchten abgestrahlt wurde. Ich sah viele mit einem oder mehreren Blättern Papier in der Hand herumstehen und kam mir dumm vor. Ich war mir relativ sicher, dass auf der Website gestanden hatte, man solle nichts vorbereiten, also hatte ich nichts dabei. Im Nachhinein war das vielleicht mein Glück gewesen, aber in dem Moment schob ich einfach nur Panik. Wie konnte ich eigentlich glauben, dass sie ausgerechnet mich für eine der Rollen haben wollten?! Schließlich war ich gerade mal 18 Jahre und ging noch zur Schule, was sich sicherlich mit den Dreharbeiten überschneiden würde. Um mich zu beruhigen setzte ich mich auf den kalten Betonboden. In Gedanken wurde ich gerade wahnsinnig und ich stand sechs Mal kurz davor einfach wieder aufzustehen und zu gehen, aber immer wieder hielt ich mich zurück und wartete nervös darauf, aufgerufen zu werden. Die Halle um mich herum wurde nicht leerer, im Gegenteil; es kamen immer mehr Menschen hinzu, viele wären beinahe über mich drüber gestolpert und pflaumten mich an, aber ich vertraute meinen Beinen nicht, mein Gewicht zu tragen, also blieb ich sitzen und versuchte das Gemurmel um mich herum auszublenden, so wie ich es auch sonst immer tat.

Es kam mir vor, als hätte ich Ewigkeiten warten müssen, bevor meine Nummer aufgerufen wurde: "Nummer 527 in Raum 5, bitte!"

Steif erhob ich mich und stakste auf eine Tür zu, über der in großen, weithin sichtbaren Buchstaben 'RAUM 5' stand. Zögernd klopfte ich an und öffnete vorsichtig die Tür, als ich von drinnen ein gedämpftes "Herein" vernahm. Dieser Raum sah sehr viel einladender aus als die große Halle, was zum Teil daran lag, dass das Licht hier wesentlich weniger künstlich wirkte.

Ich trat ein und schloss vorsichtig die Tür hinter mir. Nun konnte ich auch die 5 Personen erkennen, die an einem Tisch mit sechs Stühlen saßen, die zuvor von der offenen Tür verdeckt worden waren. Warum standen da sechs Stühle? War der sechsten Person so langweilig geworden, dass sie gegangen war? Wie ermutigend. Ich musterte die Anwesenden. Es waren drei Männer und zwei Frauen und bis auf eine jüngere Frau mit einem braunen Bob, vor der ein Computer stand, schauten sie mich alle gelangweilt an. Also ging ich auf die Dame mit Computer zu.

"Nummer 527?", fragte sie mich freundlich aber knapp, während sie sich über den Computer beugte.

"Ja", gab ich ebenso kurz angebunden zurück. Hoffentlich fand sie das nicht unfreundlich.

Ein Autogramm (Dylan O'Brien FF)Where stories live. Discover now