»16. Kapitel

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Entsetzt stieß ich die Person vor mir von mir weg. Mit weit aufgerissenen Augen erwiderte ich den verwirrten Blick, der mir zugeworfen wurde.

„Was ist denn, Babe?" 

Und wieder kam er auf mich zugetreten. Er wollte mich küssen, doch glücklicherweise konnte ich im richtigen Moment ausweichen. Um mich von einem neuen Versuch zu schützen, flüchtete ich auf die andere Seite des Raumes. Große, klare Augen beobachteten mich dabei.

„Kannst du mir mal bitte sagen was das sollte?"

Mit einer viel zu hohen Stimme warf ich die Frage in den Raum. Die Panik war nicht zu überhören. Was zur Hölle fiel ihm eigentlich ein mich hier so zu überfallen? Beunruhigt zog ich die Ärmel von Zayns Pullover über meine Hände. Gespannt wartete ich auf seine Antwort.

„Ich dachte wir beide könnten uns ein wenig vergnügen."

„Oh Gott Harry! Wie kommst du auf die Idee, das ausgerechnet ich mit dir ..."

Schockiert über seine Leichtsinnigkeit schüttelte ich den Kopf. Im Gegensatz zu mir schien der Lockenkopf alles etwas gelassener zu sehen; mit großen Schritten kam er abermals auf mich zugeschritten.

„Nun ja, weißt du ..."

begann er und blieb vor mir stehen. Das Aftershave, das er trug, stieg ich mir in die Nase. Müssen eigentlich alle Jungs dasselbe Zeug benutzen, fragte ich mich, als ich feststellte, dass er das gleiche wie Liam, Zayn und mein Vater benutzte. Um mich selbst zu bestätigen schnupperte ich möglichst unauffällig an meinem Pullover. Verdacht bestätigt.

„Ich habe über ein paar Ecken mitbekommen, das du dich für jemanden an dieser Schuler hier bereit gestellt hast, mit ihm ... Naja, du weißt doch was ich meine, oder?"

Plötzlich kam mir Harry etwas verlegen vor. Mit einer Hand wuschelte er sich kurz durch die dichten Locken, während die andere in die Tiefen seiner Hosentasche sank. In jeder anderen Situation hätte ich mir gedacht wie süß er gerade aussah, doch in diesem Moment flog mir ein einziger Satz in den Kopf.

Willkommen in deiner persönlichen Hölle, Liam.

„Also habe ich mir gedacht, wieso probierst du es nicht auch mal."

Die raue Stimme riss mich aus den Mordplänen, die sich innerhalb von Sekunden in meinem Kopf gebildet hatten. Mit einem schüchternen Lächeln sahen mich grüne Augen nun aufmerksam an. Der akute Wechsel seines Verhaltens ließ mich darauf schätzen, dass ihm sein Plan nun doch nicht mehr so genial vorkam, wie er es am Anfang gewesen war.

Damit er nicht erriet, dass ich diese Person ganz genau kannte, setzte ich ebenfalls ein halbes Lächeln auf.

„T-Tut mir leid, aber ich bin mir sicher, dass ich damit nicht gemeint bin. Vielleicht hast du mich mit Rachel aus der Zwölften verwechselt."

Glücklicherweise war mir Rachel Fallon aus dem Jahrgang über mir wieder eingefallen. Ich kannte sie zwar nicht persönlich, trotzdem war sie perfekt für meine Ausrede. Zayn, der vor langer Zeit einmal aus purem Frust wegen seiner damaligen Freundin eine Nacht mit ihr verbracht hatte, hatte gemeint, das sie eine totale Schlampe wäre. Von außen mag sie zwar nett aussehen, doch innerlich ist sie so eine Hure, hatte er gewütet, als er mich am Tag darauf von Zuhause abgeholt hatte.

„Nein, nein. Ich weiß leider nicht, wer dieser Junge ist, aber die Beschreibung hat genau auf dich gepasst. Guter Körper, schöne Augen und...hübsch."

nuschelte Harry und sah aus dem Fenster hinter mir. Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, raste eine unangenehme Röte in mein Gesicht. Liam hatte wirklich so etwas über mich gesagt? Je mehr ich etwas mit ihm zu tun hatte, desto ratloser wurde ich. Auch wenn er sowie Harry das gesagt hatten, linderte es die ansteigende Wut auf ihn kein bisschen.

Ehe der große Junge vor mir reagieren konnte, war ich an ihm vorbei geschlüpft und zur Tür geschlichen. Ich würde jetzt mit Liam reden. Und es war mir egal, ob er deswegen wichtigen Unterricht verpassen würde. Was sein musste, musste sein.

„He, wohin gehst du denn jetzt?“

rief Harry mir hinterher, als ich die Tür öffnete. Ohne mich umzudrehen antwortete ich ihm, mit den Gedanken schon dabei Liam zu töten.

„Etwas erledigen.“

*

„Miss Hudson, wie schön, das sie beschlossen haben auch mal wieder aufzutauchen.“

Mr. O’Brian zog die Augenbrauen böse zusammen. Atemlos blieb ich an der Tür stehen, die Klinke noch in der Hand. Ich musste anscheinend länger als geplant mit Harry in dem Klassenraum gewesen sein, denn als ich einen kurzen Blick zu Zayn wagte, sah ich die Erleichterung, die in seinem Gesicht geschrieben stand. Ohne den schon fast ekeligen Gesichtsausdruck meines Lehrers jegliche Beachtung zu schenken, setzte ich ein panisches Gesicht auf.

„Liam, ich habe gerade Mrs. Sterling auf den Gang getroffen und sie meinte wir beide sollen unmittelbar in ihr Büro kommen. Es ist irgendwas mit … oder so.“

Hoffentlich hatte er es mir abgekauft. Als der Weihnachtsmann ähnliche Mann vor mir den Namen unserer Direktorin hörte, nickte er heftig. Mit geröteten  Wangen wandte er sich wieder zur Tafel um.

„Na dann, gehen sie schnell.“

murmelte er und begann sein Tafelbild weiterzuführen. Unwirklich musste ich grinsen. Seine Reaktion war mal wieder ein perfekter Beweis für das Gerücht, das er und Mrs. Sterling eine Affäre hatten, stimmte. Schmunzelnd drehte ich mich zu Liam und beobachtete, wie er unmotiviert den Gang entlang stiefelte. Das einzige, das ich hörte, waren die Sohlen seiner Schuhe, die über den Boden quietschten. Ansonsten war alles still.

Da Liam so langsam wie möglich zu laufen schien, nutzte ich die Zeit und lugte abermals zu meinem besten Freund herüber, der mich nun aufmerksam ansah. Als sich unsere Blicke trafen, verzog er die Augen zu Schlitzen. Mit den Lippen formte er nur zwei Wörter, die ich einfach ablesen konnte.

Wieso Liam?

Ich habe keine Ahnung.

So unauffällig wie möglich zuckte ich mit den Schultern. Danach schenkte ich ihm ein beruhigendes Lächeln. Er wäre bestimmt stolz auf mich, wenn er wissen würde, was ich gleich mit Liam machen würde.

„Na dann gehen sie aber auch!“

Murrend drehte sich Mr. O’Brian erneut zu uns um. Sämtliche Schüler in der Klasse fingen plötzlich an aufgeregt miteinander zu tuscheln. Als Reaktion darauf verdrehte ich nur die Augen und verfolgte, wie Liam an mir vorbei trottete.

„Wir sind ja schon weg.“

erwiderte ich und verschwand ebenfalls nach draußen. Sorgfältig verschloss ich die Tür hinter mir. Mein Gesicht blieb nicht von einem fiesen Grinsen verschont. Hinter mir hörte ich einen plötzlich gut gelaunten Liam.

„Müssen wir wirklich zu der Sterling, oder wolltest du etwas anderes von mir?“

Schmunzelnd sah mich Liam an. Anstatt ihm eine Antwort zu geben, starrte ich ihn einfach nur an.

„Komm, wir gehen mal ein Stück von der Tür weg.“

sagte ich stattdessen lächelnd und griff nach seinem Arm. Ohne auf eine Antwort zu warten, zog ich ihn mit mir mit.

„Rachel? Müssen wir jetzt zu der oder nicht?“

Als wir weit genug von der Tür entfernt waren, stoppte ich. Emotionslos drehte ich mich um, nur um in zwei verständnislose braune Augen zu sehen.

Let the play begin.

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