[16] Ein Leben?

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Regen prasselte gegen meine Fensterscheibe als ich am Sonntagmorgen aufwachte.
Das Peitschen des Windes weckte in mir ein wohliges Gefühl und ich kuschelte mich in meine Decke.
Mit einem Auge schielte ich auf meinen Wecker. 10:20 Uhr. Wochenenden sind toll.
Langsam wacher werdend überlegte ich, ob noch Hausaufgaben anstanden. Dann dachte ich noch einmal über mein Geständnis bei Lavi nach. Klar war der Bart nicht das beste Beispiel um zu demonstrieren, was ich anscheinend konnte, aber es hatte funktioniert. Lavi hatte sich die komplette Story angehört, volle Bandbreite. Sie hatte schon Angst, dass ich sie durch Mia ersetzen würde, weil ich so durchweg positiv von ihr gesprochen hatte. Aber neben all dieser Dinge wurmte mich trotzdem, dass ich keine komplette Verwandlung geschafft hatte wie in der Nacht mit den Wölfen.
Plötzlich knurrte mein Magen. Unten wartete bestimmt Frühstück auf mich, also stieg ich aus dem wohlig warmen Bett und meine Füße berührten den kalten Boden.
Ich schlurfte mich streckend zum Schrank, zog die untere Schublade auf und sah den Brief. Verdammt.
>>Besser früher als später.<<, sagte ich mir und riss ihn auf.

|| Sehr geehrte Frau Saphyra Eremit,

ich möchte Ihnen hiermit mitteilen, dass Ihre Bewerbung für ein Praktikum bei uns angenommen wurde.
Die Arbeitszeiten sind flexibel im Zeitraum von 6:00 - 22:00 Uhr und mindestens 5 Stunden am Tag.
Unser Firmensitz ist Ihnen bekannt.

Wir freuen uns Sie vom 4. - 18. September bei uns begrüßen zu dürfen.

Mit freundlichen Grüßen

Geschäftsführer Len Hunter ||

Mein Augenlied zuckte kurz, bevor ich halb lachend, halb verzweifelt den Brief zurück in die Schublade schmiss und mich auf den Weg zum Frühstück machte.

Unschlüssig was ich tun sollte saß ich an meinem Schreibtisch. Was zur Hölle hatte Len diesmal vor?
Nachdenklich zog ich einen alten Kassenbon von meinem Schreibtisch und fing an einen Vogel darauf zu malen.
Weshalb eine Fake Praktikumsbescheinigung? Vielleicht, falls meine Mutter den Brief geöffnet hätte anstatt mir? Wäre eine plausible Erklärung. Dann will er mir wahrscheinlich etwas mitteilen..
Ich faltete den Brief auf. Arbeitszeiten 6:00 - 22:00, 5 Stunden am Tag, Firmensitz ist Ihnen bekannt, 4. - 18. September.

Ich konnte nur Vermutungen aufstellen was das zu bedeuten hatte, also beschloss ich am Montag zur Schule zu fahren, da mit dem 'bekannten Firmensitz' nur sie gemeint sein kann und ich nichts anderes vor hatte.
Als ich um 10:00 Uhr, mal auf konventionellem Wege per Fahrrad, dort ankam stand Lens Lexus tatsächlich auf dem Parkplatz.
Ich fühlte mich beobachtet, als ich auf den Wagen zuschritt und als plötzlich aus dem nichts eine Wasserflasche mit aufgemaltem Gesicht vor meiner Nase schwebte erschrak ich so sehr, dass ich rückwärts auf den Asphalt fiel. Rechts aus einem Gebüsch hörte ich ein herzliches Lachen und kurz darauf trat Mia aus der grünen Wand.
Ungewiss, ob ich mich nun ärgern oder freuen sollte sie zu sehen, stand ich auf.
>>Was ist hier los?<<, fragte ich sie.
>>Wie was ist hier los?<<, entgegnete sie immer noch halb lachend.
>>Ich meine, warum hat Len mir eine Praktikumsbestätigung geschickt?<<
>>Er hat... Oh man. Ich hatte ihm gesagt er soll einfach bei euch anrufen, eure Nummer steht im Telefonbuch! Aber nein, Mister Verschwörungstheoretiker musste sich anscheinend wieder Umstände machen.<<, seufzend verdrehte sie die Augen. Da sie merkte, dass mir diese Antwort nicht weiterhalf sprach sie weiter.
>>Also, die Sache ist so. Len hat dein Potenzial entdeckt und dir gezeigt was es ist, also hat er sich zum Ziel gesetzt dich als Schülerin zu unterrichten damit du besser wirst! Mir ist auch klar, dass es nicht gut wäre dich jetzt auf gut Glück in die Welt zu schicken und dich mit halbfertigem Handwerk umherziehen zu lassen. Ich meine, für dich war es zwar etwas Neues und ungewöhnliches, aber du hast gefallen daran gefunden und es akzeptiert. Allerdings wird es Leute geben, die mit Abscheu und Angst reagieren, falls sie herausfinden was du, nein was wir können und ich weiß wozu derartige Gefühle Menschen treiben können.<<, über Mias Blick legte sich für einen kurzen Moment ein düsterer Schatten, doch dann sprach sie mit ihrer grundlegend positiven Stimme weiter.
>>Was ich eigentlich sagen will, Len ist ein guter Mensch, er versucht nur herauszufinden was das richtige ist. Gib ihm bitte eine Chance.<<
Mir wurde bewusst, wie außergewöhnlich meine ganze Situation eigentlich war. Mia hatte Recht. Wieso war dies alles so schnell zu meiner neuen Realität geworden? Mein Leben vor der Offenbarung übernatürlicher Gegebenheiten. Wie war es gewesen? Ich erinnerte mich kaum noch. Eine Kluft tat sich zwischen mir und meiner Lebensvorstellung auf und ich war zu ängstlich um sie zu überqueren.
Wie auf ein Zeichen tauchte Len hinter einer Wand, die zur Treppe des Haupteingangs der Schule führte auf und kam mit nervösem, aber auch vor Tatendrang strotzendem Gesicht auf uns zu.
Ich schaute zu Mia und sie erwiderte meinen Blick mit einem Lächeln.
>>Saphy, ab heute beginnt deine Ausbildung.<<, sagte Len feierlich, nachdem er bei uns angekommen war.
>>Aber natürlich nur, wenn du dich bereit dafür fühlst.<<, fügte er hastig hinzu.
Diese Frage warf mich wieder Richtung Abgrund und ich musste mich anstrengen, nicht ins Grübeln zu verfallen.
>>Ich nehme dein Angebot an.<<, sagte ich zu Len. Dieser war sichtlich glücklich über meine Entscheidung und hatte meinen Anflug des Zögerns anscheinend nicht bemerkt. Mia hingegen begutachtete mich mit einem nachdenklichen Gesicht.
Ich folgte Len in die Schule.
>>Das ist das tolle an alten Gebäuden, besonders Schulen. Fast alle Schlüssel sind Universalschlüssel. Ganz nach dem Motto: auch jeder Lehrer muss die Schule im Notfall verriegeln oder öffnen können!<<, er sagte das mit einem edel gekünstelten Unterton. Ich allerdings fand die Vorstellung gar nicht verkehrt. Stell sich einer vor es gäbe einen Amoklauf und alle Schüler wären aus dem Haupteingang gelaufen. Nun kommt aber der Täter durch die Haupthalle auf alle zugerannt. Ein Lehrer, der die Tür verriegeln kann, würde den Schülern Zeit zur Flucht geben. Doch ich wollte Len weder zustimmen, noch diskutieren. Ich denke, er war einfach froh einen Ort zu haben, in dem er sich professionell fühlen konnte. Ein komischer Kauz war er schon, doch ich mochte ihn. Sonst hätte ich mich auch wohl kaum auf das ganze Affentheater eingelassen.

Als wir den leeren Klassenraum betraten schwankte mein Blick direkt rüber zum Pult. Len, oder Mia, hatte Chips und Trockenobst besorgt! Was ein Service. Als zweites fiel mir die Tafel auf. Mit kleinen Magneten waren einige Zettel und eine Zeitung daran befestigt.
>>Wie viel Vorarbeit hast du bitte geleistet?<<, fragte Mia Len.
>>Ich habe nur hier und da etwas rausgesucht, das ist doch gar nichts!<<, entgegnete er mit einem Fünkchen Zufriedenheit im der Stimme.
Mia grinste. >>Detektiv Hunter auf heißer Spur!<<
Ich trat näher an die Tafel heran.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Apr 08, 2017 ⏰

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Das, was man nicht Magie nennt - AnimalicedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt