Natasha

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Seit dem Beginn der Wette zwischen Gray und Natsu vor gut einer Woche war die Gilde gewiss noch nie so ruhig gewesen. Und das, obwohl Elfman und Gajeel mehr als einmal Miras Arbeitsplatz und Erzas Heiligtum *hust* Kuchen *hust* zerstört hatten. Aber natürlich waren sie weitaus weniger zerstörerisch als die beiden Gegensätze, die in letzter Zeit keine Möglichkeiten mehr gehabt hatten, sich in die Haare zu kriegen.
Ach ja, beinahe hätte ich es vergessen. Gajeel wusste noch immer nichts von seinem Glück und Levy tat ihr bestes, um ihn nicht sehen zu lassen, wie sie Metall aß. Und das sollte was heißen, da ihr bei dem Anblick seines täglichen Frühstücks das Wasser im Mund zusammenlief. Und so kam es, dass tatsächlich nur Natsu, Lucy, Gray und Mira von Levys kleinem Geheimnis wussten. Obwohl Gray sich bei Natsu nicht ganz so sicher war, da Levy ja noch nicht die Möglichkeit gehabt hatte, ihm die Infos aus dem Buch der Dragon Slayer zu geben.
Woher er dieses Buch hatte, war Gray natürlich ebenfalls ein Rätsel, aber der Eismagier befand sich derzeit gar nicht im Gildengebäude. Dort waren nur nur die üblichen Verdächtigen.
Wendy und Cana hatten dezeit ein Gespräch darüber, wann sie erneut das Waisenhaus aufsuchen würden, in dem Cana aufgezogen worden war. Wendy besuchte diesen Ort recht oft, da sie sich so gut mit den Kindern verstand, die in etwa genauso alt waren wie sie selbst. Und Cana hatte nur schöne Erinnerungen an diesen Ort. Der Rest der Gilde war hauptsächlich am Trinken oder Essen. Am Streiten oder Lachen. Gläser wurden angestoßen, und der Geruch von Tabak und frisch gebackenem Brot erfüllte den Raum. So war es kein Wunder, dass kaum einer die Schritte bemerkte, die sich dem Gildentor näherten. Die Schritte waren energisch, aber dennoch so leise, dass nur ein Dragon Slayer, der sich auf sie konzentrierte, sie bemerken würde. Auch als die Tür aufschwang und dabei den Staub in der Gilde aufwirbelte, drehte sich niemand zur Tür um. Nur diejenigen, die direkt am Tor gesessen hatten, sahen in diesem Moment auf und hatten Mühe, ihren Mund geschlossen zu halten.
Die Stille, die von diesen Tischen ausging schien sich nun auch auf den Rest der Gilde zu übertragen. Von überall her starrten Augenpaare auf die hübsche junge Magierin, die soeben das Gildengebäude betreten hatte. Eventuell hätte sie eine Schwester von Virgo sein können. Sie hatte langes, weiches, pinkes Haar und ein freundliches, aber entschlossenes Gesicht. Obwohl sie eine langärmlige schwarze Jacke zu ihrer weißen Hose trug, war nicht zu übersehen, dass sie eine erstaunlich gute Figur hatte.
"Ich, ähm, habe gehört, dass hier die berühmte Gilde Fairy Tail ist und wollte mal reinschauen." Obgleich die Nervosität aus dieser nicht gerade glaubwürdigen Ausrede kaum zu überhören war, achtete niemand darauf. Die meisten waren eher von dem Klang ihrer Stimme in einen Bann gezogen worden und begrüßten sie stürmisch und ohne irgendeinen Verdacht.

Wer von ihnen hätte auch schon damit rechnen können, dass das hübsche Mädchen "auf Durchreise", wie sie behauptete, niemand anderes war als Natsu Dragneel, der derzeit keine andere Wahl hatte, als so wie er jetzt war in die Gilde zurückzukehren. Denn genau das war sein Auftrag. Zurück zur Gilde zu gehen, und so weiter zu machen wie bisher. Solange, bis der Monat um war und er sich zurück in einen Mann verwandeln würde. Ob er jemandem etwas von seiner Verwandlung erzählen würde war seine eigene Entscheidung, aber er musste diese Entscheidung natürlich in seinem späteren Bericht begründen.
Natsu wusste, dass er derzeit äußerlich nicht mehr ganz er selbst war, aber dennoch war er etwas beleidigt, dass es tatsächlich niemandem aufzufallen schien, dass er Natsu war.
"Wie heißt du?!", fragte Lucy ihn mitten in dem begeisterten Jubel plötzlich. Ausgerechnet Lucy! Auch Lisanna schien nichts bemerkt zu haben und beide nannten oder hatten sich mal seine beste Freundin genannt. Noch schlimmer als das war aber die Tatsache, dass selbst Happy ihn nicht erkannte. Auffordernd blickte Lucy ihm in die Augen. "Ich bin Na....", er stockte. "Natasha."

Als Gray an diesem Tag zum ersten Mal zur Gilde ging, hatte er gewiss nicht erwartet, ein neues Gesicht zu sehen. Und wenn man es genau nimmt, tat er das auch gar nicht. Nein. Als Gray das Tor zum Gildengebäude aufstieß, traute er zunächst seinen Augen nicht, als er glaubte, Natsu vor sich zu sehen. Er musste mehrmals blinzeln, um zu bemerken, dass diese ihm so bekannten Augen einer Frau gehörten. Doch je länger er sie ansah, desto mehr Gemeinsamkeiten schien sie mit Natsu zu haben. Ihr Gesichtsausdruck, ihre Körperhaltung, die Art wie sie sprach. Gray konnte sich ein kleines Lachen nicht verkneifen, als es ihm wie Schuppen von den Augen fiel. Er hatte sich diesen Auftrag schon einmal angesehen, auf den Natsu erst vor kurzem abgereist sein musste. Erst gestern hatte er sich gefragt, wer aus der Gilde ihn wohl abgenommen hatte. Eine Woche zuvor hatte er diesen Flyer einmal durchgelesen, als er auf der Suche nach einem neuen Auftrag gewesen war. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Natsu sich auf ihn einlassen würde. Unfähig sich daran zu hindern, trat Gray der "Frau" entgegen und spürte förmlich, wie ihr Blick von freundlich zu "wehe, du sagst etwas", mutierte.
"Guten Morgen Gray. Darf ich vorstellen?! Das ist Natasha. Sie ist auf der Durchreise und besucht für die nächsten drei Wochen unsere Gilde.", stellte Lucy ihm Natsu vor. Gray musste sein Grinsen zurückhalten. Flamebrain konnte doch nicht allen ernstes glauben, dass ihm irgendjemand abkaufte, er sei "Natasha". Aber wenn er dieses Spiel schon so spielen wollte, dann würde Gray eben mitspielen.
"Hallo, mein Name ist Gray Fullbuster. Schön dich kennenzulernen." Er streckte ihr die Hand entgegen, die sie widerwillig ergriff. Einen Moment lang blickte Gray ihm auffordernd tief in die Augen, ehe Lucy ihn ablenkte. Denn die schaute neugierig  von einem zum anderen und Gray konnte förmlich spüren, was sie denken musste.
"Also Natasha, wo kommst du her?", unterbrach Lucy schließlich die Stille und zu Natashas Erleichterung begann ein kleines Gespräch der Beiden über Natashas offensichtlich ausgedachte Geschichte, Magie und natürlich wies Lucy Natasha in die Gilde ein. ,Warum sagt Natsu nichts dazu?', fragte sich Gray derweilen selbst. Wenn das ein Witz war, dann müsste Natsu das bald zeigen. Oder versuchte er tatsächlich seine Identität geheim zu halten, um am Ende die Wette zu gewinnen. Oder war das seine Art, um die Wette zu umgehen, schließlich besagte die Tasache, dass Natsu sich jetzt hier befand, dass er die Wette verloren hatte. Er war nicht allein auf dem Auftrag! Wollte er unfair spielen? Wenn ja, dann hatte er sich schief gewickelt. Lucy war seine beste Freundin, sie würde doch in weniger als einer Sekunde bemerken, wer da neben ihr stand, wenn Gray selbst es schon so schnell bemerkt hatte. Aber so lange Gray auch wartete. Lucy schien nichts aufzufallen. Stattdessen ertappte er sich selbst dabei, wie er Natsu immer länger anstarrte und musterte. Er konnte eigentlich keine großen Veränderungen feststellen, außer natürlich seinem Aussehen. Tatsächlich war ihm die Tatsache das Natsu zur Zeit aussah wie eine Frau ziemlich egal. Sein Herz schlug immer noch unnatürlich hoch, wenn er ,Natasha' sah. Er hatte immer noch den Drang dazu, sich mit ,ihr' anzulegen. Und sein Kopf überspielte ihr Aussehen oft mit der Originalversion, sodass er Schwierigkeiten hatte, sich zurückzuhalten und so zu tun, als ob er nicht längst wüsste, wer ,sie' wirklich war.

Mittlerweile saß Gray eigentlich nur noch mit dem Rücken zum Tresen und beobachtete Natsu, während Natasha dieselben Gespräche mit den anderen Gildenmitgliedern anfing, wie sonst auch. Der Unterschied dabei war, dass mehr Blicke als sonst auf sie gerichtet waren. Eine Tatsache, die Gray genauso wenig gefiel wie sie Sinn machte. Es dauerte zwar eine Weile, aber bald schon merkte er, dass er tatsächlich der einzige war, der erkannt hatte, wer da eigentlich die Gilde betreten hatte. Der einzige, der die Narbe an ihrem Hals mit dem originalen Natsu in Verbindung brachte und der einzige, dem es eigenartig erschien, dass Natsu seinen Schal nicht trug.
"Na, Eisbeutel. Gefällt dir, was du siehst? Gihi.", brummte eine dunkle Stimme neben Gray. "Was willst du Gajeel.", antwortete Gray nur, wenn auch leicht verwirrt über seine wenig logische Aussage. "Ich hab zuerst gefragt."
"Ich hab keine Lust deinen Modestil zu bewerten, Metallfresse.", gab Gray zurück. "Gibs schon zu, die Neue gefällt dir.", Gajeel wirkte unbeeindruckt, aber er grinste in sich hinein, als ob er etwas verbarg. "Hmm.", gab Gray unverständlich zurück, aber noch immer waren seine Gedanken mehr bei der Tatsache, dass niemand zu bemerken schien, wer Natasha wirklich war, als bei der Konversation, die er in diesem Moment führen sollte. Und mit Konversation war eigentlich ein Schlag in die Fresse gemeint. Denn den hatte Gajeel eigentlich gerade verdient. Dass sie gerade von einem gewissen Feuerdragon Slayer belauscht wurden, fiel ihm dagegen gar nicht auf. Zumindest noch nicht.

You fall in love with a person, not a gender (Gratsu)Where stories live. Discover now