30: Von allen guten Geistern

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Draußen angekommen setzten wir uns ans Denkmal vor dem Rathaus.
"Carlo weiß also, dass wir uns zu dem Altersheim erkundigt haben", meinte Sofia.
"Meint ihr, es war Absicht, dass er mit Tommaso genau dann aufgetaucht ist, als wir noch im Computerraum waren? Ich meine, er hätte auch eine andere Runde machen können, wenn er das Internat zeigen wollte. Es ist ja groß genug", überlegte ich.
"Ich denke nicht. Schließlich hat er uns ja wohl beobachtet, wenn er direkt nach uns zu Tommaso gegangen ist. Vielleicht tut er es in diesem Moment auch", sagte Leonardo. Wo er recht hatte, hatte er recht.
"Also gut. Er kam mit Tommaso nicht zufällig dann, als wir mit Jessica dort waren. Aber warum hat er Tommaso mitgebracht, wenn er doch von nichts eine Ahnung hat und sich dazu auch noch verraten hätte können?"
"Entweder er wollte uns gegeneinnander ausspielen, so, dass wir Tommaso nicht mehr trauen und uns von ihm fern halten", fing Sofia an zu überlegen.
"Oder Tommaso hat gelogen", ergänzte Leonardo.

Ich dachte wieder nach, also tippte mein Zeigefinger gegen meine Unterlippe. Das war doch verrückt! Es wurde immer merkwürdiger!
"Wir müssen wieder in den Wald", sagte ich entschlossen. Leonardo sah mich fassungslos an. "Bist du eigentlich von allen guten Geistern verlassen?!"
Ich zuckte mit den Schultern. "Der von der Vernunft macht öfters Betriebsausflüge und ist oft nicht vorzufinden, der der Gerechtigkeit steht mir eigentlich immer zur Seite, der der Höflichkeit ist oft seeeehr schüchtern und kommt meist nicht gegen den des Selbstbewusstseins an. Dann gibt es noch den für die Sturheit, aber ob er zu den Guten gehört ist relativ." Ich stand auf und sah mit hochgezogenen Augenbrauen zu Leonardo. "Noch Fragen?"
Dieser schüttelte bloß den Kopf und sah mich immer noch fassungslos an. "Dir ist nicht mehr zu helfen. Manchmal ist dir einfach nicht mehr zu helfen!" Ich klatschte einmal in die Hände. "Wenn das jetzt auch geklärt wäre, können wir ja gehen! Also los, liebe Freunde! Wir machen einen Ausflug!" Widerwillig folgten sie mir. Zufrieden grinste ich vor mich hin. Wie schön, dass sie mich nie alleine lassen gehen wollten! 

○●○

Nun standen wir vorm Wald. Genau da, wo Leo und ich damals reingegangen waren. Leonardo zog etwas aus seiner Tasche und hielt mir etwas auf seiner ausgestreckten Hand hin.
"Wozu?", fragte ich.
"Es wäre besser. So können wir miteinander kommunizieren, falls so etwas wie letztes Mal passieren sollte und wir haben Kontakt zu unseren Freunden, die uns immer Infos beschaffen oder uns auf einer Karte orten können."
"Und Sofia? Kriegt die keins?"
Er grinste und zog noch eins hervor. "Zufrieden?"
Mit einem tiefen Seufzer machte ich mir den Ohrstöpsel dran und wir versuchten uns zu verbinden. Zum Glück war jetzt spät Nachmittag und meine Freundinnen hoffentlich zu erreichen. Normalerweise erklärte Teresa uns jetzt ein wenig die Kunst der Mathematik und sowas blödes.

"Hey, hey! Na da seid ihr ja endlich wieder! Haben euch schon vermisst, ihr kleinen Schlawiner!" Flavia. Eindeutig.
"Na endlich können wir wieder an eurer Mission teilhaben! Wir dachten schon, ihr wollt uns nicht mehr dabei haben."
"Bedankt euch bei Leo, ich wollte das alleine durchziehen", sagte ich ehrlich.
"Leo also, ja? Ich dachte ihr hasst euch und dann würde man doch nicht einen Spitznamen benutzen", meinte diesmal Teresa.
"Habt ihr uns etwas zu sagen?"
"Ganz ehrlich", begann ich und sah zu Leo, der nur den Kopf leicht schüttelte. "Nein. Aber wir müssen euch jemanden vorstellen." Ich sah zu Sofia.
"Hi, ich bin Sofia."
"Hört sich ja nett an! Wie es scheint, bist du bist in guter Gesellschaft, mein Freund!"
"Luca...halt die Klappe", verdrehte Leo die Augen.  
"Wenn du sie nicht willst..."
"Lass das bloß nicht deine Freundin hören, du Spacko!", lachte er und mich durchfuhr ein Schauer. Ich liebte sein Lachen.
"Freundin? Warum wussten wir noch nicht davon?", fragte Flavia und ich konnte mir ihr Grinsen vorstellen.
"Unwichtig! Können wir jetzt endlich los? Ich wäre schon drei Mal dort angekommen!", drängte ich.
"Ach ja...die liebe, sehr ehrliche Alexandra...so jemanden wie dich findet man auch nicht an jeder Ecke."
"Ich seh das mal als Kompliment. Also kommt, folgt mir."

Ich machte mich auf den Weg und versuchte nicht über Äste zu stolpern oder welche ins Gesicht zu bekommen. Nachdem wir uns dann eine ganze Weile durch den Wald gekämpft hatten, tauchte dann irgendwann die Hütte auf.
"Da ist sie", flüsterte ich und hockte mich hinter die Reihe von Büschen.
Ich bewegte mich ein wenig nach links, um eine geeignete Stelle zu finden, von wo man sie am besten beobachten konnte. Plötzlich raschelte etwas unter meinen Füßen und ich stolperte ein wenig, doch ich konnte gerade noch so das Gleichgewicht halten, um nicht hinzufallen.
"Alles ok?", fragte Sofia.
"Ja...aber...was ist das?" Vorsichtig schob ich ein paar Blätter und Erde zur Seite. Zum Vorschein kam eine Tüte oder so ein Müllsack aus Plastik. Nun hob ich diese Folie ein wenig an, doch sobald ich erblickte, was sich darunter befand, ließ ich entsetzt los und ging ein paar Schritte zurück. Mein Atem ging schneller und ich zitterte.
"Alexandra...was ist da?", fragte Leo mich ernst und musterte mich ein wenig besorgt. Ich schluckte laut.
"D-da..." Meine Stimme war brüchig und zitterte extrem. Das konnte einfach nicht sein! Sie waren so grausam! Und wir waren einfach abgehauen!

"Alex. Ganz ruhig", meinte Flavia.
"Was ist da denn so schreckliches, dass du so aus der Fassung gerätst?", fragte Teresa besorgt und ein wenig ängstlich nach.
Ich bewegte mich nicht und reagierte auf keinen meiner Freunde. Ich starrte einfach weiter auf diese dunkelgrüne Plastikfolie. Sofia kam langsam näher, hockte sich hin und sah unter die Folie. Sofort weiteten sich ihre Augen.
"Oh mein Gott", hauchte sie. Nun sah auch Leo unter der Folie nach und sein Gesichtsausdruck verwandelte sich schlagartig von fragend in mehr als schockiert.
"Scheiße", flüsterte er.

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