9: Falsche Schlange & Schweineschlamm

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"Die Besucherzeit ist jetzt vorbei! Frau Strozzi braucht ihre Ruhe und keine nervigen Kinder, die sie stören!" Der Pfleger schob uns grob aus dem Zimmer. Ich versuchte mich zu wehren.
"Fassen Sie mich nicht an!" Doch leider half es nichts, denn er war definitiv stärker als ich.
"Los! Raus jetzt!" Grob schubste er mich auf den Flur, wo Leonardo schon stand.
"Ach Franco, lass die Kinder doch! Ruhe habe ich schon den ganzen Tag, ja sogar die ganze Woche über!", hörte ich Viola Strozzi noch sagen, bevor die Tür vor unserer Nase zu geknallt wurde. Böse starrte ich auf diese Tür. Wie konnte man nur so etwas machen? Er konnte uns doch nicht einfach rauswerfen!
Entsetzt sah ich zu Leonardo.
"Tja, das war's wohl mit Franco Pasquarelli. Nochmal lässt DER uns sicher nicht rein", seufzte er. Da hatte er wohl recht. Verdammt recht.
Dabei hatte ich nur den Zettel aufgehoben, als er weg gegangen war, doch er kam überraschend schnell zurück und war sauer deswegen. Er meinte, wir könnten ja nicht einfach in seinen Sachen rumschnüffeln und all sowas, dann wurden wir rausgeworfen.
Dabei stand da etwas Interessantes drauf.

Leonardo wendete sich zum Gehen. "Hast du wenigstens schnell ein Foto oder so gemacht oder weißt du noch genau was drauf stand?", fragte er mich und seufzte noch einmal.
"Nö", antwortete ich bloß.
"Nö was? Nö, du hast kein Foto oder nö, du weißt nicht was drauf stand?"
"Nö und nö. Beides nicht. Fast zumindest", meinte ich gelassen. Entsetzt sah er mich an und wirkte alles andere als gelassen. 
"WIE BITTE?! Und du willst dich Spionin nennen? Ich fass es nicht! Man muss sich doch DAS einprägen, was wichtig ist!" Verzweifelt schlug er seine Arme über dem Kopf zusammen und ich musste anfangen zu grinsen. "Was ist daran jetzt bitte so lustig?"

Zügig ging ich aus dem Hauptgebäude, stoppte auf dem Parkplatz und drehte mich immer noch grinsend zu Leonardo. Misstrauisch musterte er mich. "Was ist los? Was hast du jetzt wieder angestellt?"
"Wozu ein Foto oder mein Gedächtnis, wo du wahrscheinlich eh nicht drauf vertrauen würdest..." Ich zog einen zerknitterten Zettel hervor. "Wenn du das Original haben kannst!" Ich hielt ihm das kleine Stück Papier vor die Nase. Überrascht nahm er es mir aus der Hand. "Aber...wie?"
"Tja, wer ist hier der bessere Spion, hm?" Siegessicher sah ich ihn an. Unterschätze nie eine Spionin!

○●○

"Maria! Wie schön, dass du es dieses mal vor dem Beginn des Abendessens geschafft hast zu kommen. Schau her, wir haben geübt und Lia hat uns ein wenig koordiniert", erzählte Leana freudig drauf los, sobald ich ins Zimmer kam.
Ich lächelte Lia, das zarte Wesen, an. Sie war einfach so feenartig. 

Ich klatschte in die Hände. "Freut mich! Aber wie viel Uhr ist es denn?" Ich hoffte, dass ich noch ein wenig boxen gehen konnte, hatte ich lange nicht mehr getan.
"Viertel nach sechs. Wieso?", antwortete mir Aurora.
"Schade. Ich wollte eigentlich noch ein wenig boxen gehen vor dem Abendessen...na ja, morgen vielleicht." Ich wollte mich umziehen, also wieder die Schulkleidung anziehen, da ich ja noch in Hip Hop-Klamotten war.
"Geh' doch noch nach dem Essen", meinte Francesca und zuckte mit den Schultern.
"Da bin ich aber meistens so voll", lachte ich und hielt mir den Bauch. Auch meine Freundinnen mussten lachen. Diese Mädchen waren einfach super! Ich fühlte mich immer ein wenig schlecht, wenn ich daran dachte, dass ich sie belog und irgendwann wieder verlassen musste.

Zusammen gingen wir dann zum Speisesaal. Leana, Lia, Francesca und Luna liefen vor Aurora und mir. Wir unterhielten uns gerade über verschiedene Dinge, bis wir plötzlich in die vier Mädchen vor uns hineinliefen. Ich hielt mir den Kopf, der an Francescas Schulter geprallt war. "Was soll denn das? Warum bleibt ihr so plötzlich stehen?", fragte Aurora genervt, die ihre Schulter rieb, mit der sie gegen Leanas Rücken gestoßen war.
"Seht doch mal, da vorne", wisperte Leana uns zu. Wir schauten alle um die Ecke und es musste bestimmt komisch aussehen, wie wir da alle standen.
"Na sieh' mal einer an", kam es von Luna.
"Wer ist das?", wisperte ich fragend den anderen zu.
"Das da ist Amadeo", sagte Aurora.
Ich verdrehte die Augen. "Echt jetzt?" Ich wollte wissen mit wem er sich unterhielt!
Sie fing an leicht zu lachen. "Ja okay. Das ist Nina. Sie geht in unsere Klasse, doch sie ist hinterhältig. Sie tut vor allen auf beste Freundin und wenn sich die Möglichkeit ergibt, dann macht sie dich vor allen lächerlich." Während sie erzählte, ballte sie ihre Hände zu Fäusten und ihr Blick verdunkelte sich enorm.

"Kanntest du sie etwa genauer oder warum siehst du jetzt so aus, als hättest du Erfahrungen mit ihr gemacht?", fragte ich neugierig. Aurora ließ ihren Blick nicht von Nina los und fing an zu reden.
"Fünfte Klasse. Ich war immer ein wenig schüchtern und blieb etwas abseits von all den neuen Schülern, da ich mir immer erst einen Überblick verschaffen wollte. Dann kam Nina auf mich zu und tat auch auf schüchtern."
"Woher wusstest du, dass sie nur so tat?"
"Na zu diesem Zeitpunkt ja noch nicht! Also, wie gesagt, tat sie so, als wäre sie auch etwas schüchtern. Wir saßen nebeneinander, haben in den Pausen immer zusammen gespielt und auch Hausaufgaben zusammen gemacht. Wobei ICH die meiste Zeit gearbeitet habe und sie nur geredet hat und nachher bei mir abgeschaut hatte. Sie sagte mir, dass man das so mache, als beste Freundinnen, und dass ich dann auch mal bei ihr abschreiben dürfte. Von wegen! Aber ich hatte niemanden außer sie und dachte, ich bräuchte mich nicht um andere neue Freundschaften kümmern, da sie ja meine beste Freundin war. Nach und nach hat sie sich aber mit neuen Leuten angefreundet. Ab der Siebten kamen auch Jungs dazu und ich wurde immer nebensächlicher. An Gruppentischen war nie Platz für mich oder beim Essen, da saß ich immer ganz außen. Ich wurde nur noch als Bedienstete benutzt und hab immer schön die Hausaufgaben für diese blöde Kuh gemacht. Sie hat natürlich die guten Noten dafür kassiert."
"So eine miese Schlange...und dann?"
"Dann kam der Tag, an dem wir einen Ausflug gemacht haben. Auf einen Bauernhof. Mit einer Schweinezucht."
"Oooh...ich kann mir denken was jetzt kommt."
"Genau. Wir konnten dort die Schweine anschauen und auch streicheln, über den Zaun oder bessergesagt die Absperrung von ihrem Auslauf. Ich dachte es wäre wieder alles gut zwischen uns, weil wir im Bus nebeneinander saßen und so, aber Pustekuchen! Nina hat absichtlich ihr Tuch auf ein Schwein fallen lassen und mich dann gebeten es zu holen, da ich ja größer war und längere Arme hatte. Ich habe mich also über diesen Zaun gebeugt und mich gestreckt. Nina wollte mich festhalten, damit ich mein Gleichgewicht nicht verlor, doch plötzlich fiel ich. Ich fiel voll mit dem Gesicht nach vorne in den Schlamm und Schweinemist. Alle haben mich ausgelacht und diese blöde Kuh meinte nur, dass da eine riesige Biene gewesen wäre, die sie attackiert hatte und sie mich ausversehen losgelassen hätte. Ich habe mich so geschämt und natürlich wurde ich danach auch immer noch geärgert, vorallem von den Jungs. Am nächsten Tag habe ich dann durch einen Hinweis auf Instagram Bilder von mir entdeckt, als ich voller Schlamm im Außengehege stand und jeder hat einen gemeinen Kommentar dazu geschrieben, doch was mich am meisten verletzte war, dass auch Nina welche geschrieben hatte."

Mitleidig sah ich sie an. "Das ist ja richtig fies! Wie hast du dich dann mit Leana, Francesca, Luna und Lia angefreundet?"
"Leana, Luna und Francesca haben mich als einzige nicht ausgelacht und mich verteidigt, dass ja eigentlich Nina die Dumme sei, was nicht ganz so viel half, ich aber neue Freundinnen hatte. Lia kannte Leana und so wurden wir zu fünf besten Freundinnen, die einen Hass gegen Nina haben!"
"Wow", staunte ich. "Aber was macht Amadeo dann mit der?" Mein komisches Gefühl in der Magengegend meldete sich wieder einmal und ich befürchtete, dass es keine normale Krankheit war. Ich befürchtete langsam, dass es mit Leonardo in Verbindung stand, da ich immer nur in bestimmten Situationen dieses komische Gefühl hatte. Und was mit einem Jungen und einem Gefühl zu tun hatte, hatte meistens nichts Gutes zu bedeuten!

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