Kapitel 5

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Douglas

Mitte September habe ich meine letzte Fahrstunde. Anfangs bin ich etwas nervös, da die letzte schon fast zwei Wochen zurückliegt, aber gegen Ende werde ich sicherer. Mein Fahrlehrer Larry ist begeistert. „Sehr gut, Douglas", lobt er mich nach der Fahrstunde. „Wenn du in deiner Prüfung auch so gut abschneidest, habe ich keine Bedenken." Bis dahin sind es noch gute drei Wochen. Falls mein Bruder und ich unseren Führerschein bis November bestanden haben, schenkt mein Vater uns ein Auto zum Siebzehnten. Ich werde das schaffen, aber bei TJ bin ich mir da nicht so sicher. Ihm fehlen noch um die acht Fahrstunden und einen Termin für die Prüfung hat er auch noch nicht. Es wäre mir ja egal, wenn nicht mein Geburtstagsgeschenk auf dem Spiel stünde. Das lasse ich ihn auch spüren, als ich ihn beim Abendessen darauf aufmerksam mache. „Ich schaffe das, TJ. Meine Prüfung ist am 7. Oktober, ich bin mit den Fahrstunden durch. Und du? Dir fehlen immer noch wie viele Stunden? 8 Stück?" - „Mann, entspann dich", unterbricht mich mein Bruder. „Das ist ja wohl mehr mein Problem als deins." - „Ach ja?", kontere ich. „Dad hat gesagt, wenn wir beide den Führerschein haben bis November, dann bekommen wir das Auto. Nicht, solange nur ich oder nur du ihn haben." - „Moment", mischt meine Mutter sich ein. „TJ, du hast mir gesagt, du wärst schon fertig mit den Fahrstunden?" Mein Bruder hüllt sich in Schweigen, also rede ich für ihn. „Ist er nicht. Larry hat gesagt, ihm fehlen noch neun Stunden." - „Acht", widerspricht TJ. „Und ich hab dafür noch über einen Monat Zeit, also bleib mal locker." Verzweifelt schaue ich zu meiner Mutter, in der Hoffnung, sie würde ihn schimpfen oder so. Doch sie sitzt nur seelenruhig da und schmiert sich noch ein Brot. Wieso ist ihr immer alles egal? „Wieso ist dir immer alles egal, Mom?", rutscht es mir heraus. Sie sieht mich entgeistert an. „Wie bitte?" - „Wieso bin ich dir immer egal? Immer nur TJ, TJ, TJ. Wieso?" Auf einmal sage ich all die Dinge, mit denen ich sie schon seit knapp zwei Jahren konfrontieren wollte. Meine Mutter starrt mich immer noch mit weit geöffnetem Mund an. „Douglas, du bist mir nicht egal! Du warst es nie und wirst es nie werden! Ich liebe euch beide gleich, das weißt du doch!" - „Wirklich?" Ich merke, wie mir Tränen in die Augen steigen. Ich war nicht vorbereitet auf einen Streit. „Du hast TJ überall hingefahren. Oh, stimmt, nicht nur du, auch Grandma und Dad, so dass ihr mich zu Dads Nachbarn geschickt habt. Weißt du, wie oft ich dort war, mich gelangweilt habe? Wie meine letzten zwei Geburtstagsfeiern ins Wasser gefallen sind? Die Urlaube? Wie ihr alles für TJ gemacht habt und dabei vergessen habt, dass ihr noch ein zweites Kind habt? Ich war Luft, Mom. Ich bin Luft. Sobald etwas TJ nicht passt, wird es nicht gemacht. Sobald TJ etwas anstellt, ist es nicht seine Schuld. Was mit mir ist, ist euch egal. Hauptsache, TJ ist glücklich. Da kann man Douglas schon mal unter den Tisch fallen lassen!" - „Aber... Douglas. Wir haben dir das doch schon erklärt", beginnt sie sich rechtzufertigen. „Du weißt, was mit deinem Bruder passiert ist und was los ist. Seit... seit dem ist es für deinen Vater und mich das Wichtigste, dass so etwas nicht nochmal geschieht! Wir haben dich nie vergessen. Aber es ist wichtig für uns, dass du in dieser Situation selbstständig bist. Und das warst du schon immer. Ich liebe dich, Doug. Wir alle lieben dich." - „HÖR AUF!", brülle ich. „Kein Wort mehr! TJ hat mich in der Schule vor allen blamiert. Wegen ihm sind wir zu dir gezogen. Und jetzt darf er mir mein Geburtstagsgeschenk versauen, während du zusiehst und ihn verhätschelst? Ich bin raus, Mom." Ich stehe auf und gehe in mein Zimmer, wo ich mich zunächst an die Tür lehne und tief durchatme. Als ich mich wieder einigermaßen beruhigt habe, schreibe ich Ollie. Streit mit Mom. Die Antwort lässt nicht lange auf sich warten. Wegen deinem Bruder? - Ja, weshalb denn sonst? Sie versteht ja nicht, wie es mir dabei geht, tippe ich. - Aber ich tue es. Ich muss grinsen. Gut, ohne die Probleme mit meiner Familie hätten Ollie und ich uns vielleicht nie kennengelernt. Ich weiß. Und dafür bin ich dir unendlich dankbar.

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