Ich kletterte über das Geländer.
Brauchte ich einen Zug, um hundertprozentig sicher zu sein, dass es funktionierte? Vielleicht hatte Gott ja Mitleid und würde mich sofort zu sich holen und den Teil mit den ganzen Schmerzen gleich auslassen.

„Nati!"
Ich schaute in die Richtung, aus der ich gekommen war.
Meine Brüder und die anderen vier Jungs kamen auf mich zu gerannt. Was taten sie nur? Wieso sahen sie nicht ein, dass ich sie erlösen wollte? Sie waren genauso wie ich in diesem ewigen Teufelskreis gefangen.
„Bleibt stehen!", kreischte ich hysterisch.
Sofort hielten sie an.
Flehend schauten sie zu mir.
„Bitte, Nati! Tus nicht! Egal wie schlimm es wirken mag, wir finden eine bessere Lösung als das!" Mason schluchzte. Unübersehbare Angst spiegelte sich in seinen Augen.
„Nein!
Es wird wieder alles von vorne beginnen wie vor drei Jahren! Ich werde einen Rückfall haben. Ihr werdet euch Sorgen machen, euch streiten und wieder irgendeinen Mist mit Drogen oder was weiss ich anstellen.
Ich werde wieder eure Trauer und Verzeiflung ertragen müssen, und das in dem Wissen, dass ich allein daran Schuld bin!
Nur wenn ich jetzt springe, kann ich dem ein Ende setzen!", versuchte ich mich verzweifelt zu erklären und bemerkte dabei nicht, wie sich Ethan aus meinem Sichtfeld schlich.

„Natalia! Du wirst unserem Leid kein Ende bereiten, wenn du dich selbst umbringst! Du wirst es verschlimmern, denn wir lieben dich doch! Weisst du wie vielen du so wehtun wirst?" Aiden kam mit langsamen Schritten auf mich zu.
„Aiden, stopp!", mahnte ich ihn kalt und fuhr fort:„Ich habe nicht viele Freunde. Es werden nicht viele leiden. Ausserdem wird euch die Zeit helfen mit dem Schmerz klarzukommen." Wieder versperrten mir Tränen die Sicht.
„Das ist ein absoluter Schwachsinn! Dieser Schmerz würde uns niemals loslassen!", mischte sich Dylan nun auch ein. Wie immer in einem vorwurfsvollen Tonfall.
„Nati. Bitte beruhige dich. Du bist jetzt nur völlig fertig und durcheinander wegen der Nachricht.
Lass uns in Ruhe über alles reden", flehte auch noch Meik, doch niemand der Jungs versuchte mehr sich mir zu nähern. 
Aiden schien einen Punkt direkt hinter mir zu betrachten, doch es war mir egal, denn etwas anderes erhaschte meine Aufmerksamkeit: Der Zug, der direkt auf uns zu donnerte.
Auch die Jungs schienen ihn bemerkt zu haben, denn ich konnte sehen, wie sich die blanke Panik in ihre Gesichter schlich.

„Nati!", rief Mason flehend, Tränen rannen ihm über die Wangen.
Sein Anblick brachte mich ebenfalls zum Weinen.
„Lebt wohl!", schluchzte ich, dann liess ich das Geländer los und sprang.

Ich hörte meine Brüder meinen Namen schreien.
Die Augen geschlossen, wartete ich bloss noch auf den Zusammenprall mit dem Zug, bis ich einen heftigen Ruck an meiner Schulter spürte und mit dem Rücken gegen den Zug knallte.
Die Schmerzen liessen schwarze Punkte vor meinen Augen tanzen und für einen Moment fühlte ich mich, als würde ich über einen Abgrund baumeln.

War das der Tod?
Weshalb explodierten dann so viele Schmerzen in meiner Schulter und in meinem Rücken?

Ich realisierte erst einen Augenblick später, dass ich überhaupt nicht tot war. Ich öffnete die Augen und sah gerade noch, wie der Zug ruhig in Richtung Horizont weiterfuhr, als wäre überhaupt nichts gewesen.

Ich blickte verwirrt nach oben und entdeckte genau das Gesicht, das meine Sicht um 180 Grad drehte. Das Gesicht, das mich klar sehen liess und das mich dazu brachte zu erkennen, was für einen gewaltigen Fehler ich fast begonnen hatte.

Ethans Gesicht war vor Anstrengung wie versteinert, doch trotzdem fand ich, war es das schönste Gesicht, das ich jemals gesehen hatte.
Er hielt verzweifelt meine Hand fest, die bereits drohte abzurutschen.
„Nati!", brachte er unter der ganzen Anstrenung hervor. „Gib mir deine andere Hand!"
Wie in Trance streckte ich ihm meinen freien Arm entgegen. Er ergriff ihn und zog mich nach oben und dann zurück übers Geländer.
Meine Brüder schienen genauso unter Schock zu stehen wie ich auch, denn sie machten keine Anstalten sich zu bewegen.

Ethan sank mit mir zu Boden und drückte mich fest an seine muskulöse Brust. Ich spürte, wie er am ganzen Körper zitterte, als er mir zuraunte:„Bitte. Tu mir das niewieder an! Ich will nicht noch einmal jemanden verlieren, den ich liebe!"

Ich drückte ihn etwas zurück - die Schmerzen in meiner Schulter vollkommen ignorierend -, um ihm in die Augen schauen zu können.
Seine braunen Augen strahlten so viel Wärme und pure Entschlossenheit aus wie noch nie. Ausserdem konnte ich einen Funken sehen, der mich selbst jeden Kummer und jedes Leid vergessen liess - Liebe.
Die Liebe, die er zu mir empfand.
Der Badboy vor mir war kaum noch zu erkennen.
Er liebte mich!

Ich legte ihm eine Hand an die Wange und streichelte vorsichtig darüber.
Er liebte mich!
Tränen stiegen mir wieder in die Augen, doch dieses Mal waren es Tränen vor Glück und ... Erleichterung.
Ich hoffte von ganzem Herzen, dass Ethan in meinen Augen genau das sehen konnte, was ich fühlte: Dank, Erleichterung, Glück und vor allem meine Liebe zu ihm.

Ethan legte seine Hand an meinen Nacken und zog mich sachte zu sich, bis seine Lippen sanft über die meinen strichen.
In meinem Bauch explodierte das Feuerwerk des Jahrtausends!
Die Hand, dich ich gerade eben noch an Ethans Wange gelegt hatte, rutschte zu seinem Nacken und so zog ich mich noch näher an ihn heran.
Ich küsste Ethan stürmisch und voller Hingabe, was er auch sofort erwiderte.

Er liebte mich!

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Hallo ihr Süssen! ;)

Tut mir leid, dass ich es gestern nicht geschafft habe... :((

Aber jetzt ist das Kapitel ja da. :)))

Hoffe es hat euch gefallen. ^^

Eure CatGirl1313

Alive - Wie er mir half zu lebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt