36. Kapitel

19.1K 741 23
                                    

Er liess mich einfach stehen!

Erst in diesem Moment, als ich sah, wie er in seinen Wagen stieg, wurde mir bewusst, dass Ethan mir wirklich etwas bedeutete. Er bedeutete mir mehr, als ich es mir hätte eingestehen können. Doch nun hatte ich ihn wieder verloren. Ja, ich hatte ihm verschwiegen, dass ich mit den Ocean-Brüdern verwandt war. Und noch immer verschwieg ich ihm das, was mein Leben steuerte.
Die Krankheit.

Die Tränen liefen nur so in Strömen über meine Wangen. Meine Beine gaben nach und ich ging weinend zu Boden. Ich spürte, wie mir jemand beruhigend über den Rücken strich. „Hey. Das ist doch nur halb so schlimm. Ich fand es sowieso nicht in Ordnung, dass du so viel Zeit mit ihm verbracht hast." Wütend schlug ich Meiks Hand weg und funkelte ihn zornig an:„Wie unsensibel kann man bloss sein?!" Meik wich einige Schritte zurück. Diesen Ton bekamen meine Brüder schliesslich nur selten - in letzter Zeit leider immer häufiger - von mir zu hören.
Aiden kam auf mich zu und hob mich im Brautstyle hoch. „Ich werde dich beim Cheerleadertraining heute entschuldigen, Kleines. Ich bleibe auch gleich zu Hause, falls du jemanden zum Reden brauchen solltest", bot er an, worauf ich dankend nickte.
Eigentlich war es traurig, dass von fünf Brüdern gerade einmal einer wusste, wass ich in dieser Situation brauchte.

Er ging mit mir ins Haus zurück und platzierte mich auf dem Sofa. Die anderen Jungs folgenten uns etwas unsicher. Vor allem Jacob, Jason und Derek schienen noch keinen blassen Schimmer zu haben, was hier genau passiert war.
„So langsam macht das alles Sinn", murmelte Derek plötzlich. Jacob sah ihn an, als hätte er einen Pferdehintern als Kopf. „Was macht Sinn? Erklär es mir, bitte. Denn für mich macht überhaupt nichts einen Sinn", forderte er ihn auf.
„Na die Tatsache, dass sie fast alle gleichzeitig an unsere Schule kamen, dass sie den selben Nachnamen tragen, dass sie alle ähnliche Gesichtszüge haben, dass vor allem Mason sie von Anfang an immer verteidigt hat, dass sie immer auf einem Stuhl sitzen musste in der Mittagspause-" „Moment! Das geht auf eure Rechnung?", unterbrach ich Dereks Aufzählung und lachte - ein bisschen freudlos, wie ich fand, aber immerhin -. Mason sah mich grinsend an und nickte, worauf ich ihn zu mir zog und ihm einen fetten Schmatzer auf die Wange drückte. „Ihr seid die Besten!"
„Wissen wir!", antworteten alle vier synchron und lachten.
Da mir nicht besonders nach lachen zu Mute war, wandte ich mich an die anderen drei Badboys, die immernoch leicht benommen dastanden:„Bitte. Behaltet das für euch. Ich will nicht, dass unsere Mitschüler durch unsere leckere Gerüchteküche davon erfahren."
Ihre Antwort blieb aus, da sich Dylan bereits in den Vordergrund drückte. „Wir sollten langsam los. Ich habe nämlich keine Lust wieder zu spät zum Training zu kommen." Er liess niemanden mehr zu Wort kommen und schob alle ausser Aiden - und mir natürlich - aus dem Haus.

„Seit wann kommen die Jungs schon hierher?", brach ich nach einer Weile die Stille, die sich zwischen uns ausbreitete, nachdem Aiden mich und sich selber beim Direktor abmeldete. Schuldirektor Mr Parker wusste schliesslich als einziger an der High School über meiner Krankheit und über meine Familie Bescheid.
„Seitdem du zu den Cheerleader gehörst. Sie kommen regelmässig am Dienstag und am Mittwoch vor dem Training noch kurz vorbei. Du hast zu dieser Zeit ja noch Schule." Aiden schaute unsicher auf seine Hände, die er auf seinem Schoss ineinander verschränkt hatte. Das tat er immer, wenn er die Situation nicht richtig einschätzen konnte, was eigentlich ziemlich selten der Fall war. Nach meinem ältesten Bruder Kyle war er der vernünftigste von meinen Brüdern. Ich war froh, dass wir ihn noch im Haus hatten. Nicht auszumalen, was passieren würde, wenn Dylan hier das Sagen hätte.
„Und die haben nie irgendwelchen Verdacht geschöpft?" Aiden sah mich nachdenklich an. „Wie sollten sie den Verdacht schöpfen können? Wir haben hier schliesslich nirgens Familienfotos rumstehen oder rumhängen. Ausserdem haben wir ihnen nur von Atlanta erzählt."
Ich nickte.

Etwas in mir war plötzlich ganz aufgeregt. Ich fand bei keiner einzigen Tätigkeit mehr Ruhe. Weder beim Spazieren am Strand noch beim Gitarrespielen auf dem Dach, beim Lesen und auch nicht, als ich Marry bei den Vorbereitungen für das Abendessen half.
Ich war nervös.
Kurzentschlossen griff ich zu meinem Handy und wählte Roxies Nummer.
„Hallo, Nati!", meldete sich ihre fröhliche Stimme gleich zu Wort,„Was gibts denn?"
Unwillkürlich musste ich lächeln. Wie konnte eine einzige Person so viel Wärme und Optimismus ausstrahlen? Eigentlich konnte ich mich das Selbe auch umgekehrt fragen. Ethan strahlte die meiste Zeit nur Eiseskälte und Pessimismus aus.
Irgendwo musste ja ein Gleichgewicht herrschen.
„Hey, Roxie! Ich wollte fragen, ob du vielleicht Zeit und Lust hättest heute zu mir zu kommen? Ich würde dich auch gerne zum Abendessen einladen! Ich brauche gerade jemanden zu Reden."
„Ich ahne Schlimmes. Da fällt mir ein: Ich war noch gar nie bei dir! Wie lautet die Adresse?"
„Einen kleinen Augenblick bitte, ich schicke sie dir gleich!" Ich nahm das Handy vom Ohr und simste ihr meine Wohnadresse.
Nach kurzem Warten hörte ich Roxie wieder, da sie vermutlich gerade die Adresse googelte.
„Aber, das ist die Adresse von den Ocean-Brüdern!", rief sie schon fast aus.
„Ja. Ganz genau. Das ist einer der Gründe, weshalb ich dich einladen wollte. Ich muss dir ziemlich viel erzählen. Und unter anderem auch beichten."
Ich hatte grosse Angst, dass Roxie nach meinem kleinen Geständnis nichts mehr mit mir zu tun haben wollte. Ach, was hiess hier kleines Geständnis?! Ich hatte ihr etwa die Hälfte meines Lebens verschwiegen!
Bis sie kam, musste ich mir noch ganz genau überlegen, was ich ihr alles erzählen wollte und was noch eine Weile warten konnte. Wie zum Beispiel meine Krankheit. Die konnte noch warten.

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*

Ich räumte noch kurz so einiges in meinem Zimmer auf, als ich hörte, wie es an der Tür klingelte.
Ich rannte die Treppe herunter und sah, dass bereits Aiden Roxie die Tür geöffnet hatte. Sie sah ziemlich unsicher aus, was mich zum Lachen brachte. „Keine Angst, Süsse. Meine Brüder sind nur in der Schule und sonst wo, wenn sie draussen sind Badboys. Hier sind sie zahm wie kleine Hündchen, die gerne am Bauch gekrault werden wollen", erklärte ich und als ich gemerkt hatte, was da aus meinem Mund gerutscht war, biss ich mir auf die Unterlippe.
Roxie sah mich mit ihren vor Schreck geweiteten braunen Augen an. „Deine Brüder?!"
Ich seuzte und drehte mich zur Treppe. „Komm mit. Ich habe dir doch bereits am Telefon gesagt, dass ich dir etwas beichten muss", forderte ich sie auf.
Ohne etwas zu erwidern, folgte Roxaine mir in den zweiten Stock in mein Zimmer. Sie bestaunte es kurz, doch bereits noch wenigen Sekunden fiel ihr wieder ein, weshalb sie hier war.
„Was ist jetzt hier genau los?", fragte sie also und stemmte ihre Hände in die Hüften.
„Du kannst dich gerne hinsetzen, wenn du willst", startete ich mein Zeitschindungsmanöver, aber es brachte ja doch nichts. Das liess Roxie sich nicht zweimal sagen und warf sich auf mein Bett. Ich selbst nahm auf meinem Schreibtischstuhl Platz.
Roxie sah mich auffordernd an und nachdem ich noch ein letztes Mal tief durchgeatmet hatte, begann ich:„Es ist überhaupt nicht Zufall, dass die Ocean-Brüder und ich den selben Nachnamen tragen. Wie du ja jetzt gemerkt hast. Ich sehe ihnen einfach nicht ähnlich. Das ist das einzige, was mich von ihnen unterscheidet." Gelogen! „Es ist nur: Meine Brüder sind alle Badboys und ich dachte, wenn man an meiner neuen Schule denkt, dass es nur ein witziger Zufall ist, da ist es vielleicht besser so." Bloss die halbe Wahrheit! „Ich habe aber gemerkt, dass es totaler Schwachsinn ist. Das sind schliesslich meine Brüder! Meien Familie! Sie sind die einzigen, die mein ganzes Leben lang an meiner Seite waren und mich unterstützt haben. So mehr oder weniger jedenfalls. Du und Logan, ihr seid jetzt meine allerbesten Freunde! Euch anzulügen war schon von Anfang an ein scheiss Schachzug. Mit der Zeit hatte ich vermutlich bloss Angst, dass ihr mich hassen werdet, wenn ich es euch sage und deshalb habe ich es verschwiegen." Genau in dem Moment, als ich den letzten Teil sagte, wusste ich, dass das der Wahrheit entsprach.
Einen Moment sass Roxie still auf meinem Bett und schien das Gesagte zu verarbeiten. Plötzlich sprang sie auf, was mich ziemlich erschreckte, und nahm mich in den Arm.
„Was bist du den für ein komischer Fisch?! Du hast tatsächlich das Gefühl, du wärst nicht mehr meine Freundin wegen so einer Lapalie!"
Aus lauter Erleichterung lachte ich und erwiderte Roxies Umarmung.

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*

Roxie und ich quatschten noch eine ganze Weile über so ziemlich alles. Vor allem interessierten sie peinliche Momente im Leben meiner Brüder. Wie sollte es auch anders sein, schliesslich war sie bei der Schülerzeitung tätig. Ich zeigte ihr auch meinen Lieblingsplatz auf dm Dach und sonst noch der ganze Rest vom Haus. Sie war ziemlich beeindruckt und spielte auf beleidigt, weil ich ihr vorher nichts davon erzählt hatte. Vor allem das kleine Hauskino gefiel ihr sehr. Wir halfen Marry beim Kochen und hatten dabei ziemlich viel Spass.

Der Spass begann aber erst richtig, als meine Brüder nach Hause kamen.

*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*~*

Tadaaaaa :D

Sorry, dass ich es letzten Mittwoch nicht mehr geschafft habe mit diesem Kapitel...

Ich hoffe ihr verzeiht mit das und euch gefällt das Kapi. ;)

Ich wünschen euch allen noch einen wunderschönen Sonntag und einen guten Start in die kommende Woche! :*

Lg
CatGirl1313

Alive - Wie er mir half zu lebenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt