Kapitel 11

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11. Kapitel

Summertime Sadness - Lana del Rey

Jasmins Antwort kam, als ich gerade mehr oder weniger elegant in unsere Straße abbiegen wollte, weshalb ich beim Handyrausholen an der Stacheldrahteinzäunung einer schrägen Nachbarin hängen blieb.

Nachdem ich meinen Arm von den Metallzähnen gepflückt hatte, hätte ich die von Nachrichtensendungen wie rtl aktuell, brisant und red! besessene Frau Kloz gerne gefragt, was ihr am guten alten Lattenzaun oder einer Lorbeerhecke zu „riskant" oder „unsicher" war. Sie bewohnte seit einer gefühlten Ewigkeit das Eckhaus am Ende der Straße Bei der Reitbahn.

Und weil ihr das Grundstück gehörte, konnte sie offenbar jede Art von Zaun ziehen lassen, die ihr gefiel. Vielleicht hatte aber auch einfach keiner der Nachbarn mehr die Nerven, ein Gerichtsverfahren gegen sie anzuzetteln. Das wäre verständlich gewesen. Ihr Sohn führte ein gut laufendes Anwaltsbüro im Herzen von Blankenese.

Zuhause angekommen fand ich mich in einer Kreuzung aus Krimi und Kochsendung wieder. Als auf mehrere „Hallos" keine Antwort folgte, begab ich mich zwischen grünen Teeblättern, Lupen und Pinzetten in verschiedenen Größen, wattierten Briefumschlägen und dem halben Kofferinhalt meiner Eltern auf die Suche nach unserem schnurlosen Telefon.

Nach einer Viertelstunde wollte ich gerade die nächste Topfpflanze ohne Topf anschreien (zwei verwüstete Räume nacheinander waren einfach zu viel für mein auf Ordnung angewiesenes Hirn), als sich die Kulturtasche meines Vaters mit einem Klingeln bemerkbar machte. Statt eines Rasierers („so was brauchen alternative Forscher nicht") lag wie erhofft das Mobilteil darin.

Knapp vorm Anrufbeantworter nahm ich mit einem hastigen „Ja?" ab.

„Mit wem spreche ich bitte?"

„Mal überlegen: in diesem Haus wohnen drei Leute. An meiner Stimme müsstest du eigentlich erkannt haben, Opa Gerd, dass es sich nicht um meinen Vater handeln kann. Und wie hoch ist bitte die Wahrscheinlichkeit, deine Tochter um diese Uhrzeit zuhause ans Telefon zu bekommen?"

„Mir geht es gut, danke. Aber bei solch schlechten Vorbildern kann man dir deine miserablen Manieren eigentlich nicht zum Vorwurf machen", entgegnete Mamas Vater in brummendem Bass.

„Besteht die Wahrscheinlichkeit, Susan zu sprechen, denn überhaupt?"

„Kommt drauf an, ob ich sie orten kann. Worum geht's denn? Das war übrigens nicht unverschämt, sondern eine gute Möglichkeit, den Small Talk aufrecht zu erhalten, bis ich Mamas Versteck gefunden habe", schob ich hinterher.

Gespielt tadelnd antwortete mein Opa: „Ich will wissen, ob die beiden daran gedacht haben, mir die polynesischen Kräuter mitzubringen, wenn sie schon mal in der Gegend sind. Eine gute Gelegenheit, ich komme da schließlich nicht jede Woche vorbei. Eigentlich ist es schon eine Glanzleistung, aus diesem Kaff und zum nächsten Flughafen zu kommen."

Das klang nun schon nicht mehr so förmlich. Bei dem Gedanken, was Opa Gerd wohl mit dem frisch importierten Kraut behandeln wollte, machte mein Mageninhalt einen gefährlichen Hüpfer nach oben. Wie waren meine Eltern überhaupt auf der Reise nach Irland in die Nähe von Polynesien gekommen?

Bevor sich das Schokobrötchen, das ich heute zum Mittag gehabt hatte, auch auf die Reise machte, wurde ich zum Glück durch ein Stück dünnen Leinenstoff abgelenkt, das hinter der weit geöffneten Tür des Elternschlafzimmers hervorlugte. Sah ganz so aus, als ob jemand erstmal ordentlich durchlüftete. War ja auch nicht schlecht nach fast einer Woche, in der der Raum keine frische Luft abbekommen hatte.

Wenn Regen fälltWo Geschichten leben. Entdecke jetzt