Kälte [BTS' Suga x ArisuSayo]

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Ich hasse diese kalten Nächte, die mich daran erinnern, dass ich einsam bin. Keiner schenkt mir Wärme.
Ich hasse meine Träume, die mir zeigen, was ich nie erreichen werde. Keiner gibt mir Hoffnung.
Ich hasse die sonnigen Morgen, die heller sind als mein Leben. Keiner gibt mir Motivation.
Ich hasse die Menschen, die gezwungenermaßen um mich herum sind, denn sie nehmen mir nicht die Einsamkeit. Keiner schenkt mir Liebe.

Kalter Wind zieht stark an mir vorbei und verleiht mir Gänsehaut. Während es sich an der Stirn angenehm anfühlt, schmerzen andere Stellen an meinem Körper, die nicht mit Kleidung bedeckt sind. Wie kleine Schnitte fahren die Windstöße über meine offene Haut. Den Kopf an dem kalten Geländer stützend, fließt dessen Kälte durch meinen ganzen Körper. Auch meine Hände, an denen ich keine Handschuhe trage, halten sich an dem Geländer fest. Trotz der Kältezufuhr ist das einzige, das nicht einfriert, mein Herz. Es ist stets warm, es schlägt weiterhin. Schmerz, der nicht unerträglich scheint. Schmerz, der micht nicht zu töten scheint. Ich werde wohl nie die Menschen verstehen. Genauso wenig wie ich verstehe, dass sie trotz vieler Umstände weiterhin leben können. Mühevoll hebe ich meine schweren Augenlider und erblicke die Straße unter mir. Hunderte von Autos fahren durch diese Straße. Tausende von Menschen laufen durch diese Straße.

Menschen leben, obwohl sie unglücklich sind.
Menschen leben, obwohl sie einsam sind.
Menschen leben, obwohl sie planlos sind.
Menschen leben, obwohl sie Menschen sind.

Leicht beeinflussbar, leicht kontrollierbar, leicht benutzbar, so sonderbar.
Leicht zu enttäuschen, leicht zu verletzen, leicht zu entblößen, leicht zu zerstören.

Und trotzdem lebten Menschen.
Und trotzdem überlebten Menschen Jahrtausende.

Wie weit müsste ich in die Höhe fliegen, bis ich niemanden mehr sehen konnte? Vorsichtig nahm ich meine Stirn von dem Metall und platzierte stattdessen mein Kinn auf das Geländer. Unverzüglich umhüllt es mein Kinn mit der frostigen Kälte, die nach einiger Zeit auf meiner Stirn nicht mehr so spürbar geworden ist. Bin ich tatsächlich so früh am Morgen aufgewacht, um mich auf dem Schuldach niederzulassen, anstatt am Unterricht teilzunehmen? Meine Füße, die allmählich genauso wenig von der Kälte mitbekommen, baumeln frei in der Luft herum.

Enttäuschungen. Intrigen. Lügen. Morde.
Falsch.Verlogen. Unehrlich. Unmoralisch.

Menschen sind die zerbrechlichsten, schwächsten, unlogistischen und verrücktesten Geschöpfe dieser Welt.
Und trotzdem überlebten Menschen.

"Hey du, was tust du da?"

Ich habe nicht gehört, wie die Tür aufging. Die Autos und allgemein die Stadtgeräusche sind zu laut. Meine Gedanken trugen ihren Teil dazu. Ohne mich umzudrehen und etwas zu sagen, lasse ich die Person, die mich eben angesprochen hat, näher kommen. Die Schuhe sind so laut, dass sie beinahe in meinem Kopf hallen. Bevor sie zu nahe kommen kann, entscheide ich mich doch dazu, ihr zu antworten. Denn ich will nicht, dass sie mir zu nahe kommt.

"Dasselbe kann ich dich fragen."

Wie ich es mir dachte, bleibt sie tatsächlich stehen. Obwohl ich es nicht sehen konnte, weiß ich, dass sie in diesem Augenblick die Augen verdreht.

"Du weißt schon, dass du nicht hier oben sein darfst, oder?", versucht sie streng von sich zu geben.

Ein Schmunzeln kommt mir über die Lippen. Meine Augen hängen stets an den Menschen, die sich unter mir bewegen. "Genauso wenig wie du."

Grummelnd tippt sie mit der Schuhspitze auf den Boden. Ihr gefällt es gar nicht, dass ich ihr so bockig antwortete. "Yoongi!", stieß sie unkontrolliert kreischend von sich.

Süß, wie sie sich benehmen konnte. Das war eines der Eigenschaften, die ich so an ihr mag.

"Risu!" Viel ruhiger als sie, mache ich bei ihrem Spiel mit. Dass es ein Spiel ist, wusste sie noch nicht. Dass ich daraus eins mache, hatte sie nicht erwartet.

"Wieso machst du ständig sowas?" Ihr Ton ist weinerlich geworden. Ist es ihr auf einmal unangenehm?

Nicht wissend, ob ich eher lachen oder weinen soll, schnaube ich laut. Danach folgt ein Seufzer, ebenfalls von mir. "Du weißt ganz genau, wieso ich das mache."

Etwas fassungslos von ihrer Frage schüttele ich leicht den Kopf. Meine Beine, die noch in der Luft baumeln, ziehe ich zurück an meinen Körper. Daraufhin drehe ich meinen Unterkörper zur Seite, sodass mein gesamter Körper auf dem festen Grund ist. Auch meinen Kopf erhebe ich von dem Geländer und meine Hände lassen diesen los. Es ist, als ob ich mich von der Kälte löse. Kaum habe ich mich zu ihr umgedreht, sieht sie mich sprachlos an. Lächelnd gehe ich auf sie zu, nachdem ich aufgestanden bin.

"Yu-", will sie offensichtlich meinen Namen aussprechen, doch schafft es letztendlich nicht. Sobald ich an ihr vorbeigehe, verschlägt es ihr die Sprache. Da sie mein Gesicht nicht mehr sieht, verschwindet das gezwungene Lächeln aus meinem Gesicht.

"Lass gut sein.", schließe ich mit diesem leidigen Thema ab und verabschiede mich indirekt von ihr, verstärkt, indem ich die Tür hinter mir zuknalle beim Verlassen des Daches.

Und obwohl ich wie alle anderen Menschen bin, werde ich dich auch überleben.

one shots by dea branchWo Geschichten leben. Entdecke jetzt