Kapitel 28

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Ich sitze auf meinem Bett und werfe mein Handy hoch, fange es dann auf. Ich denke schon seit zehn Minuten nach, ob ich meinen Vater anschreiben soll. Was, wenn ich doch sterbe?
Die Tür wird leise geöffnet und Miguel schleicht sich ins Zimmer rein. Er setzt sich neben mich hin und fängt das Handy beim nächsten Wurf auf. Er legt es auf das Bett und umschließt meine Hände mit seinen. Auf einmal bin ich mir gar nicht so sicher, ob ich wirklich kämpfen will. Besser gesagt töten.
"Was los?", fragt Miguel besorgt und beugt sich vor, um mir in die Augen zu sehen.
"Mein Mut bebt ab.", lache ich kurz.
Obwohl es ja gar nicht witzig ist. Ich bin nur etwas verzweifelt.
"Ach komm, du schaffst das. Aber... Ehrlich gesagt mach ich mir Sorgen um dich. Du weißt, du musst Alexandra nicht nur besiegen, sondern auch töten."
"Genau das macht mich unsicher.", seufze ich.
Miguel legt den Arm um meine Schultern und ich lege meinen Kopf auf seine Schulter.
"Es wird alles gut. Glaub an dich und an deine Kräfte.", sagt er ruhig.
Er küsst mich auf den Scheitel. Ich hebe meinen Kopf und lächle ihn an. Der Vampir erhebt sich.
"Ich muss jetzt los, komme dich dann später abholen."
Miguel verlässt mein Zimmer und ich schmeiße mein Handy wieder hoch und fange es auf.

Doch in weiteren 15 Minuten passiert eine völlig umgekehrte Situation...
Miguel kommt wieder zu mir. Aber ganz anders gelaunt.
"Blüm- Lilith. Ich... Ehm... Ich glaube, wir alle sind in dieser kurzen Zeit um einiges älter geworden. Ich weiß, dass es dein Recht ist, die Entscheidungen selbst zu treffen, aber... Bist du dir wirklich sicher, dass du kämpfen willst? Denk jetzt nicht, dass ich an dein Verlieren glaube, doch... Es wird hier um Leben und Tod gehen."
"Ich bin bereit, alles zu verlieren. Und ich bin darauf eingestellt, zu gewinnen."
Ich hab übrigens mein Selbstvertrauen wieder gewonnen.
"Für wen machst du das? Für die Menschen? Für unseren Clan? Ich dachte, du hasst uns."
"Ich hasse euch nicht. Ich mache das für euch, Miguel. Für dieses Haus. Ich mache das für alle. Und ich werde es schaffen. Ich werde gewinnen, ich muss!"
Witzig, wie sich unsere Gefühle plötzlich umgedreht haben.
"Wenn du nicht willst, dann musst du nicht."
"Aber ich will. Ehrlich.", entgegne ich sanft, aber selbstbewusst.
Miguel lächelt schief.
"Okay.", nickt er. "Dann steh auf, wir müssen los."
"Sollte nicht Joshua mich abholen?"
Warte, er hat auch davor schon gesagt, dass er mich abholen kommt? Wo ist dann der Vampirjunge?
"Er...", zögert der Vampir. "muss was nachforschen."
Nachforschen... Hört sich ziemlich verdächtig an. Aber egal, ich habe Wichtigeres, worauf ich mich konzentrieren muss.
"Na gut, bring mich, wo auch immer du mich hin bringen sollst."
Ich halte ihm die Hand vor, er greift danach und stellt mich mit einem Ruck auf die Beine. Wir treten aus dem Zimmer in die Dunkelheit des langen Flures. Doch zu meiner Verwunderung nehmen wir nicht den Weg zur Wendeltreppe, sondern in die entgegengesetzte Richtung. Ich entscheide mich, nichts zu fragen. Wozu auch? Ich werd es doch sowieso gleich erfahren.
"Wie lange müssen wir gehen?", fragte ich stattdessen.
"Nicht so lange. Wirst du schon sehen."
"Wir sind hier noch nie lang gegangen.", stelle ich fest.
"Hier gibt's keine Räume. Ist nur ein Durchgang. Und du hattest hier wirklich nichts zu suchen."
"Verstehe. Ehm... Hat... Alexandra irgendwelche Tricks drauf?"
"Jeder hat sie.", schnaubt Miguel.

Ich weiß nicht, wie lange wir so gingen, aber es dauerte doch länger, als ich nach Miguels Worten erwartet hatte. Doch alles endet irgendwann mal. Nun stehen wir vor einer Wand, die das Ende des Flurs bildet.
"Ich frage dich jetzt das letzte Mal, Lilith. Willst du wirklich kämpfen?", meint der Vampir, nachdem er meine Hände mit seinen umschließt.
Ich nicke bestimmt. Ich kann mich jetzt einfach für nichts anderes entscheiden. Ich habe nur diese eine Wahl.
Miguel nickt zurück und lässt meine Hände los.

Zu Hause bei den Vampiren 2Où les histoires vivent. Découvrez maintenant