Kapitel 7

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Ein Drang bringt mich dazu, aufzustehen und zur Eingangstür zu gehen. Komm raus, sagt mir etwas. Ich kann ihm mit ganzer Kraft nicht widerstehen. Nein, anders. Ich kann ihm widerstehen, doch ich will's nicht, da mein Interesse jetzt geweckt ist. Und ich bin sehr neugierig.
Ich öffne die Tür und mache ein paar Schritte raus. Hinter dem Tor in einigen Metern vor mir steht bewegungslos ein Mädchen. Ich schätze sie auf maximal acht. Was mich an ihrem Aussehen stört, sind ihre komplett schwarzen Augen. Sie sind das Gruseligste, was ich bisher in meinem Leben gesehen habe. Normale Menschenaugen können einfach nicht KOMPLETT schwarz sein.
"Sie ist verdammt.", höre ich hinter mir Miguel sagen.
Ich blicke zu ihm zurück. Ich hätte mich erschreckt, hätte ich seine Schritte nicht schon davor mit meinem Unterbewusstsein wahrgenommen.
"Warum seid ihr hier? Und sind wir das etwa nicht auch?"
Ich meine, Vampire sind doch verdammt.
Joshua tritt zu ihm. "Alexandra erstattet uns einen Besuch, weshalb Christopher jetzt beschäftigt ist. Und irgendwie schon. Aber unsere Zukunft unterscheidet sich trotzdem von der ihren. Wir haben einen anderen Weg gewählt. Darum sind wir in dieser Gemeinde."
Ich schaue nun das Mädchen an. Diesmal unsicher und nicht mehr neugierig.
"Warum bist du hier?", frage ich sie nicht so selbstbewusst, wie ich es eigentlich haben will.
"Ich soll mit euch reden. Ich soll euch die derzeitige Situation erklären. Dir, Lilith."
Derzeitige Situation? Etwa den bevorstehenden Krieg zwischen den Clans?
Ich gucke wieder zu Miguel und Joshua rüber. Beide kommen aus dem Haus raus. Miguel nimmt meine Hand in seine und zu dritt gehen wir zu der Gästin.
"Verstehe, ihr wollt das Mädchen nicht mit mir allein lassen.", seufzt sie verständnisvoll. "Joshua, ich werde ihr heute nichts antun. Aber schon gut. Unterbricht mich nur nicht. Lilith, mein Name ist Angelika. Du hast von unserem Clan sicherlich schon einiges gehört. Meine Anführerin möchte aber, dass du die Situation von beiden Seiten zu hören kriegst. Wir wollen keinen Krieg, aber euer Clan lässt uns nichts anderes übrig. Wir wollen nur in Ruhe gelassen werden."
"Ihr tötet Menschen. Einfach so.", fahre ich sie empört an.
"Das ist nur unsere Lebensweise. Menschen töten auch Menschen. Habe ich nicht Recht?"
"Angelika, das -", fängt Miguel an.
"Ich habe gebeten, mich nicht zu unterbrechen! Erinnerst du dich an diese Worte, Miguel?"
Miguel funkelt das Mädchen wütend an und schnaubt dann.
"Aber...", stottere ich.
"Willst du mir gerade sagen, dass ihr Menschen nicht aus Spaß tötet? Das stimmt doch nicht."
"Angelika, komm auf den Punkt.", verlangt Joshua gelassen, aber durchaus unzufrieden.
"Die Regel gilt auch für dich, Joshua. Keine Unterbrechungen.", erwidert das Mädchen etwas ruhiger als bei Miguel.
Unzufrieden nuschelt Joshua irgendwas wie “Regeln... Von den habe ich genug. Vor allem von dir.“
"Was wollt ihr denn?", frage ich verwirrt. "Dass ich zu euch wechsle oder was?"
Angelika schnaubt, was ich als Lachen deute. "Nein, du kannst ruhig hier leben. Wir wollen nur nicht, dass ihr uns sagt, wie wir zu leben haben. Zieh nicht in den Krieg, Lilith."
Ich stocke verblüfft. Der Gegenclan will wirklich keinen Krieg?
Miguel und Joshua scheinen, genauso überrascht zu sein wie ich.
"Ich dachte, ihr wolltet den Krieg.", meint Miguel.
"Genau aus diesem Grund musste ich euch sprechen. Eure Ältesten erzählen euch nicht die ganze Wahrheit. Solange wir so leben können, wie wir wollen, erklären wir euch keinen Krieg. Genauso wie ihr wollen wir nicht unsere Leute verlieren. Genauso wie ihr wollen wir in Ruhe gelassen werden."
Sie wiederholt sich.
"Wir haben uns doch deshalb in zwei Clans geteilt. Denkt bitte über meine Worte nach."
Und dann ist sie fort.
"Sie ist sehr alt, stimmt...?", vergewissere ich mich.
Joshua nickt stumm.
"Was genau hatte Christopher eigentlich gesagt?", frage ich weiter.
"Dass unser Gegenteil uns den Krieg erklärt.", berichtete er kurz.
"Und Angelika meint, dass sie es nicht wollen. Wo ist der Sinn?"
"Vielleicht wollen sie uns verwirren und auf ihre Seite ziehen.", überlegt Miguel laut.
"Lilith, meinst du wohl.", verbessert Joshua.
"He-ey, sie meinte doch selbst, ich kann ruhig hier leben.", unterbreche ich.
"Lasst uns gucken, was Christopher bei der Versammlung uns mitzuteilen hat.", schlägt Miguel vor. "Und dann können wir weiterdenken."
Dann herrscht kurzes Schweigen über uns.
"Was ist los? Wer war hier?", ertönt plötzlich Auroras feste Stimme.
"Angelika.", antwortet Miguel.
"Du meinst <das Mädchen> aus dem Gegenclan?" Auroras Blick füllt Verwirrung ein. "Was wollte sie denn hier?"

"Nichts, was dich wirklich angehen könnte.", entgegnet Joshua frech.
Die Vampirin schnaubt und kehrt uns den Rücken zu.
"Rein ins Haus.", befehlt sie. "Christopher hat die Versammlung auf jetzt verschoben."

Zu Hause bei den Vampiren 2Where stories live. Discover now