1: PartyGirl

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Schmatzend zog Caroline ihre Zähne aus dem Hals des Mannes. Mit blutverschmierten Lippen lächelte sie ihn etwas atemlos an und stieß ihn dann von sich. Er taumelte verwirrt davon. Caroline war das egal. Sie hob die Arme über den Kopf und tanzte weiter zu den wummernden Bässe im Club. Seattle war einfach der Hammer.

Von den ganzen Städten, die sie im letzten Jahr mit den Mädels bereist hatte, war Seattle ganz oben in ihrer Favoritenliste. Süße Jungs, viel Alkohol und fast immer eine Party. Besser war nur noch New York.

Der Song wechselte zu etwas langsameren und Caroline verließ die Tanzfläche. Etwas außer Atem vom vielen Tanzen ließ sie sich an einem Tisch in der Nähe der Bar nieder. Dort saßen bereits vier weitere Mädchen.

Obwohl sie alle unterschiedlich aussahen, hatten sie doch drei Sachen gemeinsam: Sie alle hatten eine üble Vergangenheit hinter sich, feierten bis zum Abwinken und sie waren alle Vampire.

Katie, eine unschuldig aussehende Brünette mit großen babyblauen Augen, kicherte, als sie Carolines Opfer sah, das etwas benommen zur Bar torkelte.

„Oh Care, ich glaube, den hast du etwas zu hart rangenommen."

Caroline verdrehte die Augen. „Ich bitte dich. Erinnerst du dich an Savannahs letzten Lover? Nachdem sie mit ihm fertig war, konnte sich der Arme vor lauter Erschöpfung nicht mehr bewegen."

Die Mädels brachen in Gelächter aus, abgesehen von Savannah, die ihre schlanken dunkelhäutigen Arme mit den golden Armreifen vor der Brust verschränkte und sich gespielt beleidigt eine Strähne ihres schwarzen Haares aus dem Gesicht blies.

Mit einer Handbewegung orderte Caroline einen Drink bei der Bedienung und lehnte sich dann auf ihrem Stuhl zurück. Mit halbem Ohr hörte sie zu, wie Rosalie, eine zierliche Rothaarige, von einer exklusiven Party in Paris erzählte, die sie gesprengt hatte. Langsam schweiften ihre Gedanken ab und Caroline reflektierte unbewusst noch einmal, welche Umstände dazu geführt hatten, dass sie jetzt um diese Uhrzeit, an diesem Ort, mit diesen Mädchen hier saß.

Nachdem sie das College geschmissen hatte, war sie nach Europa gegangen und hatte dort in London versucht ein neues Leben zu führen. Sie hatte sich an einer Uni angemeldet, eine Wohnung gemietet und sich einen neuen Freundeskreis gesucht, doch bald musste sie feststellen, dass das normale Leben sie langweilte. Also zog sie schon nach zwei Jahren weiter und traf in Madrid eine Gruppe junger Vampirinnen, bestehend aus Katie, Savannah, Rosalie und Suki, eine aufgeweckte Asiatin. Die vier waren in Carolines Alter (zumindest äußerlich) und hatten wie sie ihr altes Leben satt.

Deswegen zogen sie durch die Großstädte dieser Welt und feierten dort, was das Zeug hielt. Nach einer ereignisreichen Nacht in Madrid schloss Caroline sich ihnen an und seit dem begann jeder Tag mit leichten Kopfschmerzen und endete erst spät in der Nacht in einem (meist fremden) Bett.

Die Partytruppe blieb nie länger als ein paar Wochen in einer Stadt und in diesem Zeitraum feierten sie bis zum Abwinken. Vor Seattle waren sie in Portland gewesen und davor in Miami. Sehnsüchtig dachte Caroline an die heißen Strände und die halbnackten Bademeister zurück, bevor sie sich wieder auf die Gegenwart konzentrierte.

Rosalie beendete gerade ihre Geschichte und der gesamte Tisch brach in Gelächter aus.

Carolines Cocktail kam und sie nahm einen Schluck davon, bevor sie sich auf Suki konzentrierte, die sich vorgebeugt hatte. „Also Mädels, wo geht's als nächstes hin?"

„Wieso müssen wir denn überhaupt schon wieder gehen? Mir gefällt's hier", sagte Caroline und zog einen Flunsch.

„Ja, aber auch nur, weil die Kerle hier auf Südstaatenschönheiten stehen", maulte Rosalie.
Die Mädchen kicherten und Caroline zuckte unschuldig mit den Schultern.

„Hmm, ich weiß nicht...", kam Savannah wieder auf das eigentliche Thema zurück. „Wir haben in den USA schon alle großen Städte abgeklappert, oder? Vielleicht wär's Zeit für einen neuen Kontinent."
„Mhh, was haltet ihr von Australien?", schlug Suki vor.

Zustimmendes Gemurmel erklang, doch plötzlich schlug sich Katie gegen die Stirn. „Wartet mal! Wir sind so blöd! Ausgerechnet die Vampirstadt schlechthin haben wir vergessen."
Die Mädchen warfen ihr fragende Blicke zu. Katie sah sie fassungslos an.

„New Orleans! Seit Marcel die ganzen Werwölfe vertrieben und die Hexen unter seine Kontrolle gebracht hat, gehört das French Quarter praktisch den Vampiren."

„Stimmt ja!", rief Savannah aus und fügte noch hinzu: „Angeblich lautet Marcels Motto: Das Blut fließt in Strömen und die Party endet nie."

„Worauf warten wir dann?", fragte Rosalie und hob ihr Glas. „Auf nach New Orleans!"

Die anderen drei gaben zustimmende Laute von sich und stießen miteinander an. Nur Caroline blieb wie erstarrt sitzen.

New Orleans.

Klaus.

Tyler.

Werwölfe.

Hybriden..

Schnell schüttelte sie den Kopf, um die Bilder loszuwerden. Ausgerechnet diese verfluchte Stadt in Louisiana. Ihre Vergangenheit holte sie ein und das konnte sie nicht zulassen.

Sie hatte ein neues Leben begonnen und da konnte sie keine Altlasten gebrauchen. Aber die Mädchen verlassen und alleine durch die Welt zu ziehen? Auch nicht gerade verlockend.

Savannah bemerkte, dass Caroline gedankenverloren in ihr Glas starrte und fragte: „Ist alles okay, Care?"
Die anderen verstummten und sahen zu der Blondine.
„Ähm, ja klar, es ist nur...", begann Caroline, unterbrach sich dann aber.

„Was?", fragte Katie.
„Ach egal. Auf nach New Orleans!" Mit einem halbherzigen Lächeln hob Care ihr Glas. Die anderen jubelten und stießen wieder miteinander an.

Eine angeregte Diskussion über Marcel, den „heißesten King aller Zeiten" (wie Suki es ausdrückte) begann, an der Caroline sich nur rege beteiligte. Sie starrte in ihr Glas und versuchte, die aufkeimende Panik zu unterdrücken. Bestimmt war er längst wieder weitergezogen. Warum sollte er noch in New Orleans sein? Und selbst wenn er da noch war, die Chancen, dass sie sich begegneten waren relativ gering, immerhin sprachen sie hier von einer Großstadt. Ein paar Wochen würde sie es wohl dort aushalten können und dann konnte sie wieder ein unbeschwertes Partyleben führen.

„...egal was du sagst, Savannah, Marcel ist nicht halb so gutaussehend wie der frühere König von New Orleans."

„Ach ja? Hat der werte Herr auch einen Namen?"

„Willst du mir erzählen, dass du noch nie von Klaus gehört hast?!"

Rosalies Ausruf ließ Caroline abrupt in die Wirklichkeit zurückkehren.

„Was hast du gesagt?"
Rosalie sah sie irritiert an. „Ähm, nur, dass Marcel nicht der heißeste König ist, den es jemals gab."

„Nein, nicht das. Du hast gerade einen Namen genannt. Welcher war es?"

Caroline hörte sich zunehmend wie eine Irre an, doch das war ihr jetzt egal.

Die anderen starrten sie an und Rosalie antwortete etwas verunsichert: „Klaus?"
Caroline umklammerte ihr Glas fester. „Du machst mir Angst, Caroline", sagte Katie. „Ist mit dir wirklich alles okay?"

„Ja. Mir geht's gut. Der Name kam mir nur bekannt vor."
Suki lachte auf. „Wem nicht? Klaus ist eine Legende unter den Vampiren. Er und seine Geschwister sind angeblich die ältesten Vampire der Welt. Und außerdem..." Sie senkte ihre Stimme zu einem Flüstern, „außerdem habe ich gehört, dass er angeblich halb Vampir, halb Werwolf sein soll."

„Das ist doch unmöglich!", sagte Savannah zweifelnd.
„Ja, das hab ich auch gedacht. Ist wahrscheinlich sowieso nur ein Gerücht", meinte Suki achselzuckend und lehnte sich zurück.

Wenn ihr wüsstet, dachte Caroline und exte ihr Glas.
„In Ordnung, während ihr weiter über Vampirlegenden redet, hole ich mir einen Snack. Kommt jemand mit?"
Katie und Suki schlossen sich Caroline an und gemeinsam verschwanden sie im Partygedrängel.

Party in New OrleansWo Geschichten leben. Entdecke jetzt