truths

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"Du verstehst nicht", stiegen mir erneut Tränen in die Augen. Dabei wollte ich doch nicht wieder weinen! Nicht vor ihm.

"Dann erklär es mir bitte", forderte Jimin bestimmt aber sanft.

"Ich bin ein furchtbarer Mensch, der in seinen eigenen scheiß Problemen ertrinkt und alles immer schlimmer macht, als es eh schon ist. Seit Wochen schmeiße ich Schmerztabletten ein um meinen Kopf auszuschalten und hab den Abgrund schon zu oft erblickt und doch nicht einmal die Kraft gehabt da durchzuziehen. Jetzt habe ich euch auch noch tierische Sorgen bereitet, die Polizei hat nach mir gesucht und das alles nur, weil ich ein egoistisches Arschloch bin! Ich kann nicht mehr und doch muss ich irgendwie weitermachen und ..." Nun war ich hemmungslos am weinen. Meine Stimme versagte.

Jimin schien zur gleichen Zeit unsicher, traurig und entsetzt. Schließlich rutschte er schnell auf der Matratze näher und zog mich in eine etwas zu stürmische Umarmung. Die Flut an unterschiedlichsten Emotionen drohte mich mit sich zu reißen. Kraftlos lag ich in Jimins, erstaunlich starken, Armen und weinte. Hatte ich mich jemals so schwach gefühlt? Und das, obwohl ich geglaubt hatte, dass alles nun wieder besser werden würde ...

"Du musst in Zukunft auf jeden Fall lernen mit jemandem zu sprechen du Idiot", auch Jimin liefen nun dicke Tränen über sein wunderschönes Gesicht, was fast noch unerträglicher als mein eigener Zustand war. "Du kannst dich mit mir allem anvertrauen Yoongi."

"Das ist doch gerade das verdammte Problem", schluchzte ich ungewollt, im Sturm meiner Gedanken und Emotionen. Schnell löste ich mich aus seiner Umarmung und vergrub das Gesicht in den Händen. Wie konnte man nur so dumm sein?!

Bevor ich mich von ihm löste hatte ich gespürt, wie Jimins Muskeln sich anspannten, wie er kurz die Luft anhielt. Das war ein Volltreffer gewesen. Rastlos erhob ich mich vom Bett und schritt an die gegenüberliegende Wand, das Gesicht noch immer in den Händen. "Das war anders gemeint als es klang", nuschelte ich zwischen meinen zitternden Händen und ließ mich langsam in die Hocke sinken.

Als ich nun flüchtig Jimins Blick suchte traf es mich wie eine Abrissbirne. Nie zuvor hatte ich ihn so erschüttert, enttäuscht, gesehen und wir hatten schon viele Jahre gemeinsam verbracht. Seine Augen waren angeschwollen und sein Gesicht gerötet, von den vielen salzigen Tränen, die sein Gesicht hinabliefen.
Mit zitternden Lippen suchte ich nach den richtigen Worten. Nach irgendwas um die Tränen zu stoppen. Die Wahrheit würde ihn verschrecken und wütend machen, dem war ich mir sicher. Doch wenn ich jetzt nicht Klartext sprach, würde ich mir eine weitere Lüge einfallen lassen müssen oder schweigen und ihn für immer verlieren. Ich konnte ihm nicht in dem Glauben lassen, etwas falsch gemacht zu haben, wenn doch das genaue Gegenteil der Fall war.

*****

"Ich habe krampfhaft versucht ... gut genug für dich zu sein. Dass ich es nicht konnte, hat mich kaputt gemacht. Ich werde niemals gut genug für einen so perfekten Menschen sein, wie du einer bist Jimin. Aber ... ich kann nicht ignorieren, dass ich d- dich liebe."

Da war es. Ausgesprochen, was über Monate meine gesamten Gedanken eingenommen hatte. Eine unglaubliche Last, die nach diesen wenigen Sätzen von mir fiel. Als hätte ich nach einer erdrückenden Phase Unterwasser endlich zurück an die Oberfläche des stürmenden Meeres gefunden. Noch immer in unruhigem gefährlichen Wasser, doch immerhin wieder in der Lage zu atmen.

Jimin hatte aufgehört zu weinen und sah mich nur noch stumm an. Durchdringend. Ich war nicht in der Lage seinen Gesichtsausdruck zu deuten. Eine Gänsehaut schlich sich über meinen gesamten steifen, mageren Körper. Vielleicht wäre es doch besser gewesen einfach zu schweigen.
Doch die Wahrheit war gesagt. Ich war aus meinem Versteck gekrochen und hatte einen Moment die Sonne erblickt, bevor es zu Regnen begonnen hatte.

Mit einem Blick zum Fenster brach Jimin den Augenkontakt. "Wir sollten die Nacht hier verbringen", murmelte er und schlüpfte mit kleinen, schnellen Bewegungen unter die schwere Bettdecke. "Es ist verdammt spät und ich habe den anderen Bescheid gegeben, dass ich dich gefunden habe und du soweit okay bist."
Perplex hockte ich weiter an der Wand und starrte auf Jimins kleinen Körper, in dem großen alten Bett. Er deutete mir, mich zu ihm zu legen. Unsicher erhob ich mich also und folgte seiner Aufforderung. Meine Gedanken schweiften zu den wunderbar betäubenden Tabletten im Badezimmerschrank, aber ich konnte mich nicht immer weiter vor meinen Emotionen und Problemen verstecken. Außerdem konnte es doch kein zu schlechtes Zeichen sein, dass Jimin noch bereit war ein Bett für die Nacht mit mir zu teilen?! Was ging gerade in ihm vor? Es musste mindestens ein genauso aufreibender, langer und anstrengender Tag für ihn gewesen sein, wie für mich.

"Das war das interessanteste Kompliment, was mir bisher jemand gegeben hat", schmunzelte er, während er sich umdrehte und die Decke höher zog, dass nicht viel mehr als sein Haarschopf aus ihr hinausguckte. "Und du warst schon immer gut genug für mich", fügte er noch flüsternd hinzu.

Danach verfielen wir beide in Schweigen und kurz darauf in traumlosen Schlaf. 


I need him || m.yg. + p.jm.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt