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Die ganze Autofahrt über reden wir kein Wort miteinander. Ich sitze, abgewandt von meinem Bruder und die Arme so gut es geht vor der Brust verschränkt, hinten im Auto, während er mit strengem Blick auf die Straße schaut und fährt.

Ein kurzer Blick auf seine Hände verrät mir, dass er sehr wütend ist, denn er umklammert das schwarze Lenkrad so feste, dass seine Finger Knöchel weiß hervorstechen.

Meine Gedanken schweifen zu Fynn und wie Leid es mir tut meine Crew und ihn stehen gelassen zu haben, aber am meisten schmerzt immer noch die simple Tatsache, dass ich alles kaputt gemacht habe. Die anderen werden jetzt bestimmt alle aus der Crew aussteigen und mich für miserabel halten. Vielleicht nicht miserabel als Tänzerin, aber auf jeden Fall miserabel als Anführerin einer solchen Tanzgruppe. Es war unser erster gemeinsamer Flashmob und sozusagen eine kleine Prüfung für mich. Eine wichtige Prüfung, bei der ich mich beweisen musste und kläglich versagt habe.

Kat, was redest du da? Du bist und bleibst eine fabelhafte Tänzerin und du hast auf gar keinen Fall versagt!"

Ich zucke so heftig zusammen, dass Sean seinen Blick für eine Sekunde von der Straße nimmt und mich durch den Rückspiegel mustert. Ich traue mich nicht zurück zu gucken und konzentriere mich deshalb auf den Grund warum ich gerade so zusammengezuckt bin. Die Stimme meiner Mutter. Eigentlich dürfte ich nicht überrascht sein, dass ich sie ausgerechnet jetzt wieder höre, denn früher, als wir noch klein waren, war es immer meine Mum, die meinen Bruder und mich dazu gebracht hat uns wieder zu vertragen.

Rede mit deinem Bruder Schätzchen. Und denk daran, dass er dich doch nur beschützen will."

Die leise Stimme verhallt in meinem Kopf. Zwei Sekunden wage ich es den Blick auf Sean zu richten. Ein Fehler, denn er scheint es bemerkt zu haben, weil er seinen Kiefer anspannt und den schwarzen Wagen beschleunigt. Ich versuche kein Gespräch anzufangen, denn ich bin stur und würde es nicht wagen der Bitte meiner Mutter nachzugehen, solange Sean den Anfang meines Traumes zerstört hat.

Es tut mir Leid Mum."

-Zeitsprung-

„ Du hast überhaupt keine Ahnung, was du angestellt hast oder Kathrina?"

Alleine der Name lässt mich schon wieder auf 180 hochfahren. Mein Bruder und ich stehen gerade in der Küche und streiten uns darüber, warum er alles zerstört hat. Es ist einer dieser Momente, wo er in die Vaterrolle schlüpft uns so tut, als könne er mir etwas vorschreiben.

„ DU hast überhaupt keine Ahnung!!! Du hast alles kaputt gemacht!!!"

Super Argumente Kat. Wirklich super.

„ Weißt du überhaupt, was alles hätte passieren können? Der Besitzer vom 'Sattelite' hätte die Bullen rufen können. Und du weißt ganz genau, das wir uns das nicht noch einmal leisten können."

Sauer darüber, dass er recht hat und ich keine Argumentation habe, lasse ich mich auf das Sofa fallen und wechsel das Thema.

„ Und was hast du da gemacht? Was soll das teure Auto und das?"

Während ich „ Das „ betone zeige ich abwertend auf Sean im Anzug.

„ Wir hatten ein Geschäftsessen und der Wagen..."

bei diesem Thema bemerk ich wie seine Augen anfangen zu leuchten, als wäre er ein kleines Kind, was gerade einen Welpen zu Weihnachten geschenkt bekommen hat.

„...das ist mein Dienstwagen. Mein Boss ist so begeistert von meinen Dancevideos, dass er ihn mir geschenkt hat."

Eine Träne entweicht meinen Augen. Die Wut ist vom einen auf den anderen Moment verschwunden und weicht purer Endtäuschung.

„ So wollten wir nie werden Sean. Wir wollten nie wie diese eingebildeten Snobs werden. Was ist bloß passiert?"

-Flashback-

Sean und ich sitzen auf einer Mauer im Einkaufszentrum und beobachten die vielen Menschen in ihren teuren Nadelstreifenanzügen und mit glitzernden Uhren von Rolex am Handgelenk.

Schau dir bloß diese ganzen ferngesteuerten Snobs an. „

Ich schaue hoch zu meinem Bruder. Mit abwertendem Blick wandern seine Augen einem dunkel haarigen Mann hinterher, er schneidet  Grimassen hinter seinem Rücken. Dann dreht er seinen Kopf zu mir.

„ So werden wir nie versprochen?"

„ Versprochen."

-Flashback Ende-

Seine braunen Augen ruhen auf meinen grünen. Ich weiß nicht so genau, was er mir sagen will. Entweder, dass ich keine Ahnung davon habe, oder, dass es ihm Leid tut.

Mit einem Seufzer fährt Sean sich durch seine blonden Haare und stützt beide Hände auf der Küchentheke ab.

„ Wo ist mein großer Bruder hin? Der der den ganzen Tag aus Spaß tanzt und in Sport Klamotten herumläuft? Der Sean, der mich vor den Bullen beschützt?"

Ja, ich versuche es auf die harte Tour. Ich versuche ihm ein schlechtes Gewissen zu machen.

„ Das Leben wird irgendwann ernst Kathrina. Du kannst nicht immer alles machen was du willst. Außerdem habe ich vorhin nichts anderes gemacht, als dich vor den Bullen zu beschützen."

Mit meinem Handrücken wische ich mir die Tränen von der Wange.

„ Du weißt ganz genau, was ich meine."

Der Blonde schüttelt energisch den Kopf.

„ Nein Kat, ich weiß nicht, was du meinst. Ich weiß gerade gar nichts mehr. Warum ist dir das überhaupt so wichtig?"

Er hebt seinen Kopf und flucht.

Ungläubig darüber, was er gerade gesagt hat stehe ich mit einem tauben Gefühl im Magen und einem dicken Kloß im Hals auf. Mit langsamen Schritten gehe ich auf die Theke zu und stelle mich, ebenfalls mit den Händen auf die Platte gestützt, gegenüber von meinem Bruder zwischen die Barhocker.

„ Hast du eigentlich irgendeine Ahnung warum? Warum mir das ganze hier so verdammt wichtig ist?"

Mein Blick bohrt sich in seine Augen. Er hält meinem Blick stand.

„Weil ich nicht aufgeben kann. Ich bin zu stark um aufzugeben, aber manchmal ist es eben verdammt hart und die Verlockung alles liegen zu lassen ist groß. Es tut so weh zu sehen, wie alle anderen die Sachen können, wofür ich mein halbes Leben trainiere und Tränen vergieße. Es tut so weh, wenn du etwas so sehr willst und dann ein weiteres Mal versagst, nur weil du der einzige bist, der dir Druck macht. Aber das verstehst du wahrscheinlich nicht, denn du hattest noch nie Träume oder? Aber hey, mach dir nichts draus. Die sind ja nicht so wichtig. Du kannst ja auch nichts dafür, dass ich so wenig Selbstbewusstsein habe."

Ich mache eine gespielt lässige Handbewegung um ihm deutlich zu machen, wie weh mir das eigentlich alles tut und das ich das schon immer mal sagen wollte.

„ Weil du doch bloß einer von diesen Typen bist, die jeder anhimmelt. Du bist perfekt und ich eben nicht. Damit muss man klar kommen oder?"

Ich will eine Antwort haben. Die Tränen laufen mittlerweile heiß mein Gesicht hinunter und meine Stimme hat sich von fest zu weinerlich und verletzt verwandelt.

Sie klingt verzweifelt.

„ Oder?!"

Sean wendet sein Gesicht ab. Ich weiß genau, was er versucht. Mein Bruder versteckt seine Gefühle vor mir.

Und dann drückt er sich von der Theke ab, dreht sich um und geht.

Er geht einfach.

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Das Bild soll einen Teil des sattelite darstellen.

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⏰ Last updated: Aug 18, 2016 ⏰

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