Kapitel 2 - BEGGIN' FOR THREAD

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Hallo ihr Lieben! Hier ist Kapitel 2 :) Ich werde ab jetzt versuchen jede Woche, Mittwochs, ein neues Kapitel zu posten! Viel Spaß!

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Kapitel 2 – BEGGIN' FOR THREAD


Yeah, I've got edges that scratch,
And sometimes I don't got a filter.
But I'm so tired of eating all of my misspoken words.



Noch während ich damit beschäftigt bin, mich darüber aufzuregen, dass ich meine Mappe im Café liegen gelassen habe, geht die Tür auf und Tom schaut mich ziemlich genervt an.

„Verdammt, Emma – du hattest was von zwei Stunden gesagt, nicht drei!", seine Augen haben sich verengt und ich könnte schwören, er schnaubt ein bisschen. Fast erwarte ich, dass Dampf aus seinen Ohren kommt. Ich kann mich gerade noch zusammenreißen, nicht einfach loszulachen, als sich die ganze Szene bildlich in meinem Kopf entfaltet.

„Ja, tut mir leid, ich hatte einen kleinen Unfall in dem Café, in dem ich Scones kaufen wollte.", murmle ich schließlich, wende den Blick ab und trete an ihm vorbei in die Wohnung. Eigentlich habe ich gerade überhaupt keine Lust auf Toms Launen. Er kann so süß sein, aber sobald etwas nicht so läuft, wie er es geplant hat, tendiert er dazu durchzudrehen. Leider bin ich wie gesagt ziemlich oft zu spät, was bei uns beiden immer mal wieder zu Streitigkeiten führt.

„Wie – du hattest einen Unfall?", fragt er und trottet mir hinterher, als ich die Scones und meine Kamera ablege. „Bist du wieder beim Tanzen hingefallen?", fragt er und er klingt tatsächlich genervt – was mich wiederum extrem aufregt. Gut, es ist schon ein, zwei Mal vorgekommen, dass ich beim Tanzen hingefallen bin, aber das ist doch bitte meine Sache! Ich tanze eben gerne... einfach mal so ... Und früher fand Tom das auch immer amüsant und süß, aber mittlerweile anscheinend nicht mehr.

„Und wenn schon...", entgegne ich kühl, „war ja nicht dein Kopf, der auf dem Boden aufgeschlagen ist."

„Ich verstehe einfach nicht, warum du immer in der Gegend herumtanzen musst... Erstens verletzt du dich immer und zweitens ist das echt peinlich. Wie alt bist du? Fünf?"

Okay, jetzt bin ich stinksauer. Ja, mir tut es leid, dass ich zu spät gekommen bin, aber was fällt ihm ein, so über mich zu sprechen! Unglaublich!

„Wow. Ich bin dir also peinlich.", zische ich, „Danke für diese Information."

Ich versuche tief durchzuatmen und mich zu beruhigen – und scheitere grandios. Meine Hände ballen sich zu Fäusten und ich merke, dass ich eigentlich nicht länger in diesem Raum bleiben möchte. Ich bin kurz davor einfach aus der Wohnung zu laufen und diesen Idioten, der sich mein Freund nennt, hier stehen zu lassen.

„Ich habe gerade echt keine Lust auf deine angepisste Art Tom, außerdem habe ich immer noch ein bisschen Kopfschmerzen. Wenn du also nur Mist zu sagen hast, dann gehe ich einfach nochmal alleine raus und warte, bis du dich beruhigt hast."

Ich wende mich zum Gehen, da spüre ich, wie seine Hand an meine Schulter fasst und mich sanft zurück hält. „Warte, Emma...", sagt er, sein Tonfall hat eine 180-Grad-Wende hingelegt und ich kann nicht anders und drehe mich um.

Er blickt mir direkt in die Augen: „Es tut mir leid, du weißt, wie bescheuert ich drauf sein kann, wenn jemand unpünktlich ist... Das neue Design bereitet mir Kopfzerbrechen und das hab ich einfach an dir ausgelassen..."

Gespannt wartet er auf meine Reaktion – und, weil er mich so lieb anschaut – und weil es unser vorletzter Abend zusammen für eine ziemlich lange Zeit ist, kann ich es mir nicht verkneifen und beginne ihm zaghaft zuzulächeln.

„Zu dumm, dass deine Freundin zu den unpünktlichsten Personen der Weltgeschichte zählt.", flüstere ich ihm neckend zu, während er langsam auf mich zutritt und vorsichtig meine Hand in seine legt.

Er lächelt zurück. „Ja, was habe ich mir nur dabei gedacht! Ein Glück für sie, dass sie so unfassbar süß ist, das macht das Ganze erträglich..." Ich schlage ihn spielerisch gegen seine Schulter und jetzt lacht er richtig und schließt mich schließlich fest in seine Arme. Ich lehne mich gegen ihn.

„Sieh es mal so: Wenn wir vor 102 Jahren gelebt hätten und Tickets für die Titanic gehabt hätten, wären wir meinetwegen zu spät gekommen und hätten die Katastrophe überlebt! Dein 102-jahre-Altes-Du verdankt mir quasi sein Leben!", nuschle ich grinsend in sein Oberteil.

„Du bist verrückt.", sagt er schmunzelnd, bevor er mit seiner Hand mein Kinn vorsichtig anhebt und mir einen sanften Kuss auf die Lippen drückt. Ich erstarre kurz, küsse ihn dann aber zurück. In meinem Kopf herrscht plötzlich absolutes Chaos, denn es ist das erste Mal, dass ich dieses Funken und Knistern nicht spüren kann... dass sich das Ganze irgendwie banal und alltäglich anfühlt. Verzweifelt und geschockt versuche ich diesen Gedanken aus meinem Kopf zu verbannen - mit Sicherheit liegt mein komisches Gefühl einfach nur an unserem Streit und daran, dass er mit seinem „peinlich"-Argument einen verdammten Nerv getroffen hat...

Am Ende des Abends gehen wir dann doch noch zu dem Restaurant, das Tom im Internet gefunden hatte. Auch wenn ich lieber in der Wohnung geblieben wäre und einfach eine Pizza gegessen hätte – aber ich wollte ihm den Gefallen tun, ich wollte UNS diesen Gefallen tun.

Das Essen ist wirklich super, aber ... ich merke tatsächlich, dass mich meine Erkenntnis, aber auch sein Kommentar von vorhin immer noch beschäftigen. Es nagt an mir, dass er denkt, mein Tanzen sei peinlich. Vor allem, weil es ein Teil von mir ist. In meiner Idealvorstellung sollte mein Freund mich so akzeptieren wie ich bin, aber ich weiß, dass die Realität anders aussieht. Eigentlich klammere ich mich an diesen Traum, dass man für die richtige Person gerade aufgrund seiner kleinen Macken irgendwie perfekt ist. Aber Menschen sind eben Menschen – und sie sehen leider relativ selten über Dinge hinweg, die sie an anderen stören. Also muss ich vielleicht irgendwie damit klarkommen, dass Tom meine Tanzeinlagen nicht als imperfekte Perfektion wahrnehmen kann – oder will. Vor allem, wenn diese Beziehung eine Zukunft haben soll. Ich versuche diese nervige Stimme in meinem Kopf zu ignorieren, die mir sagt, dass mein Freund vielleicht nicht... der Richtige sein könnte...

„Ist irgendetwas?", fragt er dann sogar gegen Ende. „Du bist heute extrem ruhig."

Ich lächle leicht und schüttle den Kopf, während ich weiterhin lustlos in den letzten Resten meines Essens herumstochere, „Nein, alles okay – ich habe einfach immer noch ein bisschen Kopfschmerzen, wegen meines Stunts heute..."

Er nickt erstaunlicherweise verständnisvoll und kurz danach verlassen wir das Restaurant und machen uns auf den Heimweg. Tom legt sich sofort ins Bett – und ich lese noch etwas. Das ist noch so eine meiner Macken: Meistens kann ich einfach nicht so gut einschlafen ohne vorher noch etwas gelesen zu haben. Während ich die Seiten umblättere und Toms leisem Atmen zuhöre, denke ich noch einmal über den Tag nach. Bis auf das ganze Tom-Dilemma, meinen Sturz und der Tatsache, dass ich meine Zeichenmappe im Café vergessen habe, war er eigentlich ziemlich gut. Ich habe tolle Bilder gemacht, zu ,I Love London' getanzt, Scones gekauft und nicht zu vergessen, Harry kennengelernt. Irgendwie habe ich das Gefühl, wir könnten uns gut verstehen. Es wäre schön, Freunde zu finden, denn so richtig kenne ich in dieser Stadt noch niemanden. Vielleicht hätte ich ihm ja doch meine Handynummer geben sollen... Es wäre wirklich schade, wenn wir uns nicht wieder treffen würden – aber es besteht ja durchaus noch die Möglichkeit, dass ich ihn sehe, wenn ich meine Mappe abhole (ich bin einfach mal so zuversichtlich und gehe davon aus, dass sie noch im Café ist und der Besitzer sie nicht weggeschmissen hat – es lebe der Optimismus!). Er hat ja gesagt, er würde noch einmal dorthin kommen. Und sollte ich ihn noch einmal wiedersehen, muss ich unbedingt fragen, ob ich ihn malen darf.
Mit dem Gedanken daran, mit welchen Farben ich seine grünen Augen malen würde, schlafe ich schließlich, mit dem Buch auf meinem Bauch liegend ein.

Am nächsten Morgen wache ich auf, weil die Sonne es geschafft hat, den einzigen Spalt zwischen den zugezogenen Vorhängen zu finden und nun direkt auf mein Gesicht scheint. Eine Weile genieße ich die Wärme auf der Haut, dann stehe ich auf und beginne das Frühstück vorzubereiten. Tom schläft noch. Ich mache ein bisschen Buddy Holly an, setze Wasser für den Kaffee auf und hole Tassen aus meinem kleinen Küchenschrank. Während ich warte, nutze ich die Zeit, mich in meiner Wohnung umzusehen. Ich bin wirklich glücklich, dass ich sie gefunden habe, auch wenn es eigentlich keine richtige Wohnung ist, sondern eher ein kleines Zimmer, in dem mein Bett steht, das ich tagsüber auch als Sofa nutze. Daneben stehen ein kleiner Schreibtisch und ein Bücherregal, das zwar nicht sonderlich breit ist, aber dafür in der Länge fast die gesamte Höhe des Raums einnimmt. Ich kann einfach nirgendwo ohne meine Bücher leben, es sind nach meiner Kamera und meinem Zeichenblock die ersten Dinge, die mit mir durch die Welt wandern – Tom's Koffer sei Dank, konnte ich zumindest einen Teil meiner Bücher auch mit nach England nehmen. Bis auf ein paar Klamotten waren seine erlaubten 23 Kilo voll und ganz mit meinem Krimskrams vollgestopft. Unter anderem auch mit meinen Acrylfarben, die mittlerweile unter dem Schreibtisch Platz gefunden haben. An der Wand lehnen außerdem einige große Leinwände, die ich bereits am ersten Tag, an dem ich in London angekommen war, gekauft hatte. Meine Wände hängen voll mit selbstbemalten Blättern; auf den meisten sind Zitate aus meinen Lieblingsbüchern oder Lyrics meiner Lieblingssongs zu lesen, andere sind einfache kleine Porträts. Am Deckenrand habe ich eine Lichterkette angebracht.

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