Kapitel I

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Trina sah zurück. Die Flammen hatten das Schloss mittlerweile vollständig eingenommen und schlugen gen Himmel. Ihr Zuhause wurde bis auf die Grundmauern niedergebrannt, doch fühlte sie keine Trauer oder dergleichen. Sie freute sich auf die Zukunft, ihrer Zukunft, der sie entgegenfuhr. Trina drehte sich wieder nach vorne.
Kendrick Bloom, ihr Fahrer, Liebhaber und ehemaliger Lehrer lächelte sie an. Sie lächelte zurück. Obwohl sie sich ihrer Gefühle für ihn immer noch nicht sicher war, war er die beste Wahl, was ihre Zukunft anging. Zumindest die nahe Zukunft.
Die Evakuierung des Internats war schnell und problemlos vonstatten gegangen, die Schüler ihrer Klasse und der Klasse unter ihr wurden aufgeteilt und jeder der anwesenden loyalen Vampire nahm einen, zwei oder auch drei von ihnen mit, um deren Ausbildung abzuschließen. Die übrigen, jüngeren Klassen wurden von zwei bis drei Lehrern in geheime Unterschlupfe begleitet, um sie dort zu unterrichten. Nach und nach waren sie ausgeströmt um Unterzutauchen, bis schließlich nur noch Kendrick, Corvin, einige Vampire der alten Generation und sie übrig geblieben waren. Sie hatten mit Kanistern Benzin im Schloss verteilt. Trina war mit ihren Kanistern im Unterrichtsflügel unterwegs. Die Klassenräume waren leergeräumt. Alle Bücher waren unter den Vampiren aufgeteilt worden um die alten Schriften und die Schulbücher zu erhalten. Auch die alten Möbel wollte man behalten und hatte sie einlagern lassen. Lediglich das ganze wertlose Mobiliar, wie Schultische, Stühle, Betten, Kleiderschränke und so weiter hatte man stehen lassen. Über diese Schultische zog Trina ihre Benzinspur. Dann hinaus auf den Flur und in den nächsten Klassenraum. Die anderen waren überall im Schloss unterwegs um ebenfalls jeden Raum mit dem Brandbeschleuniger zu tränken. Danach hatten sie sich vor dem Gebäude versammelt und Corvin schnippste eine brennende Zigarette durch die große Flügeltür in die Eingangshalle. Sofort fing die Benzinspur an zu brennen und die Flammen bahnten sich ihren Weg ins Schlossinnere. So standen sie dort und sahen schweigend zu, wie im gesamten Schloss das Feuer wütete. Nach und nach gingen sie dann, stiegen in die Autos ein und fuhren davon oder machten sich ihre übermenschliche Schnelligkeit zu nutze und verschwanden.

"Wir müssen uns beeilen, die Sonne geht in zwei Stunden auf. Wir schaffen es nur knapp bis Flagstaff. Dort checken wir in ein Motel ein und fahren nach Sonnenuntergang weiter Richtung Rockville in Maryland. Ich schätze in etwa drei Tagen werden wir dort sein", sagte Kendrick und riss Trina aus ihren Gedanken. Sie sah ihn an. Er schaute angestrengt in den Himmel. Durch die Scheinwerfer der entgegenkommenden Autos blitzten seine hellblauen Augen immer wieder auf. Er knirschte mit den Zähnen und wandte sich dann ihr zu: "Jetzt, wo wir alleine sind...Was wolltest du denn mit mir und Corvin besprechen in der großen Halle?"
Trina lächelte verlegen. Sie war sich mittlerweile gar nicht mehr sicher, ob diese Geschichte nicht nur ein Hirngespinst des Schulleiters gewesen war. Trotzdem erzählte sie es Kendrick: "Ähm, also...Aharon, er hat mir eine Geschichte erzählt. Über den Ersten unserer Art und seiner Geliebten... Weißt du da etwas drüber?" Befremdet schielte Kendrick zu ihr hinüber. Warum sollte der Schulleiter ihr etwas über den Ersten erzählen? Niemand wusste etwas über ihn. Er selber schon, aber dennoch schüttelte er den Kopf und Trina sprach daraufhin weiter:
"Als der Erste entstanden ist, geboren oder wie auch immer, jedenfalls als er zum Vampir wurde, stand ihm eine Frau bei. Sie schützte und liebte ihn, selbst gegen den Willen der anderen Menschen. Deswegen töteten die Menschen sie. Bevor sie starb versprach sie ihrem Liebsten, dass sie wiederkehren würde, nicht um Rache zu nehmen, sondern um ihm in Zeiten des Krieges und der Zwietracht beizustehen. Und das tat sie. Als sich die fünf Söhne entzweiten, wurde sie wiedergeboren, fand ihren Liebsten und half die Söhne wieder zu vereinen. Aber einer der fünf war so hasserfüllt, dass er sie tötete. Doch auch dieses Mal schwor sie zurückzukommen und in schweren Zeiten zu einen."
"Und warum hat Aharon dir das erzählt?", fragte Kendrick, als sie geendet hatte. Trina schaute ihm direkt ins Gesicht als sie ihm antwortete: "Diese Frau trug beide Male den Namen Katrina!"
Erst lächelte er, dann fing an zu lachen. Laut und fast schon hysterisch. Sie verstand sein Lachen nicht. Glaubt er mir nicht? War es vielleicht doch nur eine fehlinterpretierte Prophezeiung des Schulleiters? Trina biss sich auf die Unterlippe und schaute genervt aus dem Beifahrerfenster. Die öde Landschaft, die vorbei rauschte war erträglicher als Kendricks vom Lachen verzerrtes Gesicht. Er legte seine Hand auf ihren Oberschenkel und sagte immer noch lachend: "Verzeih mir bitte, Trina."
Sie betrachtete seine Hand und war versucht sie abzuschütteln, doch entschied sie sich dagegen und wartete auf seine Erklärung.
Als er sich wieder im Griff hatte wiederholte er: "Verzeih mir! Das galt nicht dir...Ich...Aharon... Ich meine, ich glaube es! Ich werde nachforschen, doch ich vertraue, äh, vertraute Aharon. Es ist nur so, dass... Naja, ich...", stammelte er vor sich hin.
Geduldig hörte sie ihm zu.
"Also, Corvin weiß es auch, richtig?"
Trina nickte.
"Gut, okay. Dann bin ich nicht zufällig an deiner Seite, Katrina! Ich wurde benutzt... Benutzt um jetzt, hier bei dir zu sein."
Sie verstand nur Bahnhof und fragte genervt: "Könntest du bitte etwas präziser werden, Kendrick?"
Er lenkte seinen Blick von der Straße auf sie, als er ihr antwortete: "Ja, wir sind gleich in Flagstaff und sobald wir eingecheckt haben, erzähle ich es dir..."
Er streichelte ihre Wange, legte dann beide Hände wieder ans Lenkrad und schaute geradeaus.

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