„Ja."

Ich schürze die Lippen. Deswegen kann er wahrscheinlich unterscheiden zwischen den verschiedenen Schmerzstadien. Es tut mir so weh, ihn so zu sehen. Ich will ihm so gerne, mehr Komfort schenken. So, wie er es nie bekommen hat, wenn er Wunden hatte.

„Weißt du", sage ich und sehe wieder auf seinen Bluterguss, „früher ... Da hat meine Grandma immer gesagt, dass Wunden schneller verheilen, wenn man sie mit Liebe beschenkt."

„Was ein Schwachsinn."

Ich verziehe nachdenklich den Mund. „Ja, wahrscheinlich ..."

Wieder herrscht Gesprächspause, in der ich überlege. Eigentlich hat es mir früher immer geholfen, wenn meine Grandma Hand aufgelegt hat, als ich Verletzungen hatte. Einfach weil ich mich beschützt und geborgen dadurch gefühlt habe. Zwar war ich danach nicht geheilt, doch für einen kurzen Moment, vergingen die Schmerzen.

„Darf ich dich berühren?", frage ich Harry mutig, leise, ängstlich.

Seine Stirn ist weiter angestrengt verengt. „Weshalb?"

Ich sehe zu ihm auf. „Ich würde es gerne tun."

Ich sehe, wie sich sein Kiefer kurz anspannt, doch dann sagt er nach kurzer Ruhe: „Ja."

Wahrscheinlich würde ich jetzt Lächeln, wenn die Situation nicht so verdammt traurig wäre, doch ich versuche nicht zu zittrig zu atmen, während ich langsam meine Hand zu ihm ausstrecke. Weil seine Hand noch über seiner Wunde liegt, nehme ich sie, um sie zu entfernen. Er zuckt überrascht mit seiner Hand weg, als ich sie berühre, doch lässt zu, dass ich seine Wunde freilege. Seine Hand ich eiskalt, im Gegensatz zu der Haut seines Oberkörpers.

Mit steigendem Puls und flachem Atem, lege ich ganz sachte und behutsam, meine Hand auf seinen Bluterguss, der sich von seiner Seite bis zu seinen Rippe zieht.

Er zieht die Luft ein, als ich meine Hand ablege. Sein Körper verkrampft sich ein wenig und ich sehe, wie anstrengend dieser Moment für ihn sein muss, doch er sagt nichts.

Die Haut über seinem Bluterguss ist warm. Zu warm. Weswegen es umso besser ist, dass meine Hände kalt sind.

„Tut es weh?", frage ich ihn leise und sehe unsicher zu seinem Gesicht.

Seine Miene ist immer noch angespannt, doch seine Augen weiterhin geschlossen. „Nein", sagt er und ich spüre, wie er versucht sich zu beruhigen.

„Okay", hauche ich und fahre vorsichtig mit meinen Fingerspitzen über seinen Bauch, worauf er sich noch mehr anspannt. Doch weil er sich nicht wehrt, mache ich weiter. Ich fahre konzentriert über seinen Oberkörper, über seine harte Brust, bis hin zu seinem Schlüsselbein und dann über seine Arme.

Mit jeder Sekunde, entspannt er sich mehr, ich spüre es.

„So hat es meine Grandma immer gemacht", erzähle ich leise und fahre wieder über seine Brust, bis zu seinem Bauch. Bei seinen Wunden bin ich vorsichtiger. „Es hat mich so sehr beruhigt, dass ich den Schmerz kurz vergessen konnte."

Harry sagt nichts.

„Aber sie sagte auch, dass es nur funktioniert, wenn man ..." Ich verstumme. Nein, so etwas sollte ich Harry besser nicht sagen. Im Moment kann ich einfach nicht einschätzen, wie er im Allgemeinen auf irgendetwas reagieren würde, denn vorhin dachte ich auch nicht, dass er wieder versucht, mich rauszuschmeißen.

„Wenn man, was?", fragt er mit rauer Stimme.

„Schon okay, es ist unwichtig."

„Nein, ich will es wissen."

Ich sehe auf meinen Finger, der über seine weiche, warme Haut fährt. Unsicher sage ich: „Wenn man ... Also ... Wenn sich diese zwei Menschen wirklich ... mögen."

Ich zu Harry, um seine Reaktion abzuwarten, um vielleicht eine Emotion in seinem Ausdruck zu erkennen, doch er liegt immer noch einfach ruhig da. Er antwortet nicht darauf, lässt den Satz einfach im Raum stehen.

Deswegen sehe ich wieder auf seinen Körper. „Darf ich dir näher kommen?", frage ich ihn wieder mutig.

Wieder ist es für einen Augenblick still, in dem ich denke, dass er mich wieder rausschmeißen wird, doch er tut es nicht. „Ja", antwortet er. „Darfst du."

Mein Herz schlägt immer wilder. Ich nehme kurz meine Hand von seinem Körper und rutsche näher zu ihm. Seine Seite berührt jetzt meinen Körper, was alles sofort wärmer macht. Ich lege meinen Kopf behutsam an seine Schulter und danach wieder meine Hand ganz vorsichtig auf seine Wunde.

Für einen kurzen Moment, spüre ich noch, dass er sich erneut anspannt, doch er atmet leise durch und dann lässt er los und erlaubt sich, diese Nähe mit mir aufzubauen.

„Harry?", flüstere ich leise, während meine Finger über seine Haut fahren.

„Hm?"

„Glaubst du ... Glaubst du, dass es irgendwann vorbei sein wird?"

„Was?"

„Das alles ... Die Sache mit deinen Eltern, meinen Eltern, all die Dinge, die sich negativ auf dein Leben auswirken. Glaubst, dass es irgendein ein Ende nimmt?"

Kurz ist er still. „Nein", antwortet er, was mir kurz einen Schmerz in der Brust bereitet. „Aber jetzt ... Gerade in diesem Moment, denke ich, dass das irrelevant ist."

Ich sehe von seinem schönen Körper zu ihm. Ich bin seiner Haut am Hals so nah, dass ich sie am liebsten küssen würde, doch ich erlaube es mir nicht. „Ich denke auch so", wispere ich. „Jetzt in diesem Moment, denke ich auch so."




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