Kapitel #35

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Eleanor

Mit angehaltenem Atem und zusammengepressten Augen ziehe ich die Wohnungstüre leise hinter mir ins Schloss. Erleichtert atme ich aus, als das sonst aufkommende Klicken ausbleibt und somit die Chance, dass irgendeiner meiner beiden Mitbewohner aufwacht, sogleich auf null gesunken ist. Auf leisen Sohlen drehe ich mich um, ehe ich mich auf den Weg nach unten mache. Innerlich kreuze ich dabei meine Finger, dass die Stufen nicht allzu laut zu knarren beginnen. 

Ehrlich gesagt bin ich nämlich nicht unbedingt scharf darauf, dass ich letztlich noch auf frischer Tat erwischt werde, wie ich mich klammheimlich davon stehlen will. Denn ich weiß nicht, wie ich Lani oder auch Max eine plausible Erklärung dafür liefern soll, was mein Vorhaben um halb ein Uhr nachts betrifft. Immerhin schlafen normale Leute zu dieser Uhrzeit und schleichen sich nicht nach draußen, um sich um ihren Ex-Partner zu kümmern, welcher betrunken in irgendeiner Telefonzelle sitzt.

Die letzten zwei Stufen der Treppe überspringe ich, als ich durch das Glas der Eingangstüre das Taxis ausmache, welches ich vor wenigen Minuten gerufen habe, da der Weg von meiner Wohnung bis hin zu dem Cafè einfach viel zu weit ist. 

Hastig stoße ich die Türe auf und laufe mit schnellen Schritten auf das Auto zu, aus welchem sich bereits eine Frau mittleren Alters halb hinausbeugt und sich suchend umblickt.

Ich räuspere mich, als ich vor der Türe des Wagens stehe, woraufhin sie ihre Augen auf mich richtet. "Sie haben das Taxi gerufen?" Zustimmend nicke ich, bevor ich die hintere Wagentüre öffne und mich auf der Rückbank niederlasse. Mit einer schnellen Handbewegung schnalle ich mich an und nenne der Frau die Adresse meines Ziels. "Sie wissen aber, dass das teapod um diese Uhrzeit geschlossen ist?" - "Ja. Ja ich weiß." Ich werfe einen kurzen Blick in den Rückspiegel, durch welchen mich die Taxifahrerin eine Weile sichtlich verwirrt ansieht, ehe sie schließlich mit der Schulter zuckt und den Zündschlüssel umdreht.

Nervös schaue ich auf die Uhr des Armaturenbrettes, welche inzwischen schon Viertel vor eins anzeigt. "Wie lange wird es ungefähr noch dauern?" - "Etwa fünfzehn Minuten. Wenn es gut läuft, vielleicht auch weniger." Fest beiße ich mir auf meine Unterlippe und lehne meinen Kopf gegen das kühle Glas an meiner rechten, während ich einfach nur hoffe, dass Louis in diesen Minuten nichts Blödes anstellt und nur einmal das tut, was man von ihm verlangt - anders als heute Nachmittag.

Bei der Erinnerung an die Szene vor meiner Wohnung krampft sich mein Herz regelrecht schmerzhaft zusammen. Nachdem Louis auf meine Worte hin so unglaublich niedergeschlagen aussah, hatte ich das Gefühl, innerlich zu zerbrechen.

Was ich nämlich erst in diesem Moment so richtig begriffen habe, als ich ihn heute Nachmittag urplötzlich vor meiner Haustüre vorgefunden habe, ist, dass es spielend leicht war, mir selbst einzureden komplett mit ihm abgeschlossen zu haben, solange er sich nicht in meinem unmittelbarem Umfeld aufgehalten hat. Als ich ihm jedoch direkt gegenüber stand, kamen sämtliche Gefühle für ihn in mir hoch. So, als wären diese nie verschwunden.

Aus genau diesem Grund ist es mir unglaublich schwer gefallen, Louis so eiskalt zu ignorieren. Alles was ich in diesem Moment wollte, war in seine starken Arme zu rennen - einfach nur, um dieses Gefühl wieder zu verspüren, welches er mir vor dem ganzen Drama tagtäglich gegeben hat - ob er nun bei mir oder irgendwo auf der Welt unterwegs war. Ich wollte nur zu gerne die Distanz, die sich über die letzten Monate hin zwischen uns aufgebaut hat, komplett überwinden...

Aber ich konnte es nicht. Nicht, nach allem, was zwischen uns vorgefallen ist. Nicht, nachdem er mit all diesen Frauen geschlafen hat - gerade einmal zwei Wochen nach unserer Trennung. Nicht, nachdem er mir somit das Gefühl gegeben hat, nur eine von vielen zu sein. 

The end of usWo Geschichten leben. Entdecke jetzt