Kapitel 20 ~ Vom wilden Whuydur und einer Nacht im Freiem

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FARN  P.O.V.
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"Hoffentlich erwischen wir die Fähre am Whuydur noch bevor die Nacht hereinbricht.", sprach Garren mit unsicherer Stimme. Auch Ilandil schien dies schon eine zeitlang zu beschäftigen, denn er bekräftigte die Aussage seines Waffenbruders. "Ja, hoffen wir es. Sonst müssten wir unter freiem Himmel schlafen, da es nur auf der anderen Flussseite eine Herberge und Raststation gibt."

Daraufhin trieben wir unsere Reittiere noch mehr zur Eile an.

Der Whuydur war ein Fluss, der auf natürliche Art und Weise die geographische Grenze zwischen dem Hochfürstentum Aarn und dem restlichem Königreich bildete.
Er war so breit, dass keine Brücke hinüber führte. Des fließenden Wassers starke Strömung und eine Vielzahl heimtückische Strudel an seinen Windungen waren der elementarische Feind jeder Fischer und Fährleute, sowohl auch der herumreisenden Menschen.
Dazu kam noch das alljährliche Hochwasser zur Schneeschmelze. In dieser Zeit war es oft den Fährmännern zu gefährlich und so konnte es vorkommen, dass der Fluss einige Tage lang nicht überquerbar war.

Wie ich erkannte war es wohl bald soweit. Überall verflüssigten sich Schnee und Eis in dem fast frühlingshaften Wetter.

Schlussendlich hatte sich die Himmelsfront über uns schon bedenklich verdunkelt, als wir endlich den Fluss sichteten. Gemeinsam ritten wir zur Fährstation. Doch das Schicksal hatte es nicht gut mit uns gemeint, es war niemand mehr da. Weder auf der Station noch irgendwo in der näheren Umgebung.
Es bedurfte keiner weiteren Worte mehr um zu wissen was uns nun bevorstand.

"Ob es uns jetzt passt oder nicht, wir müssen wohl die Nacht auf freiem Feld verbringen." Garren nickte Ilandils Worten bestätigend zu. Ich hatte ein unwohles Gefühl dabei.

Was wenn es plötzlich zu regenen oder nochmals zu schneien anfängt? Das Wetter war in dieser Zeit mitunter noch sehr wechselhaft. Ein Umschwung wäre also durchaus möglich. Oder wenn Wölfe in der Nähe sind? Fluchtartige Panik kam in mir hoch, als ich an den Na'Arkh dachte.

"Können wir nicht doch das nächste Dorf aufsuchen? Dort würde es bestimmt eine Herberge oder zumindest einen besseren Unterschlupf geben.", fragte ich hoffnungsvoll. Mit einem ernsten Blick kam Garrens sture Antwort: "Nein! Es ist mittlerweile zu dunkel, als das wir gefahrlos reisen könnten. Und wer weis, wie lange wir überhaupt suchen müssten. Die letzte passierte Ortschaft auf der Hauptstraße ist etwa zwei Reitstunden entfernt..."

Zaghaft trat ich von einem Bein aufs Andere.
"He, Farn! Es gibt hier keine Wölfe. Schon lange nicht mehr.", versuchte er mich zu besänftigen.
"Aber wir wurden schon einmal angegriffen!", fiel ich ihm aufgebracht ins Wort.

War das wirklich sein Ernst? Waren ihm die Verletzungen nicht Lehre genug gewesen?

Der Grauhaarige seufzte tief und fuhr mit seiner Predigt fort: "Du weist, dass das kein gewöhnlicher Wolf war. Es war ein Seelenwanderer."
Ich ersparrte es mir, meine restlichen Befürchtungen auszusprechen und schluckte, so gut es mir möglich war, meine Bemerkungen hinunter. Es hatte sowieso keinen Sinn.
Außerdem war Ilandil ganz auf der Seite seines älteren Wächterbruders. Von ihm war also auch nicht auf Unterstützung zu rechnen.

"Garren, was hältst du davon, wenn wir hier unser Lager aufschlagen?" "Ein guter Gedanke, Ilandil! Der Boden ist hier schön eben und harten felsigen Ursprungs. Dies sollte uns die Nässe ersparen. Farn?"
Ich blickte fragend zu ihm auf: "Ja?" "Du könntest derweilen Brennholz sammeln gehen. Das sollte dir, anhand des Waldes dort drüben, leicht von der Hand gehen. Danach teilen wir die Nachtwache ein!"

Immer noch missmutig gelaunt, trottete ich von Dannen. Nein, das Abenteuer verlief nicht ganz so, wie ich es mir vorgestellt hatte.

Nach einiger Zeit hatte ich endlich genügend, möglichst trockene Äste beisammen, wobei eher der Begriff 'Reisig' auf das dürre Holz zutraf, und marschierte damit zum Lagerplatz zurück. Dort entpuppte sich das Feuermachen als keine einfache Disziplin, da es im Inneren des Geästs noch sehr feucht war.
Am Anfang qualmte deshalb nur ein unangenehmer bläulich-grauer Rauch auf, welcher mit beißendem Jucken agressiv Tränen aus den Augen hervortrieb. Doch mit der Zeit flammte ein kleines Feuerchen auf, welches stetig an Volumen gewann.

Wächter der Nacht - Die GabeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt