Kapitel 16 ~ Von einer Hinrichtung und roten Steinen

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FARN  P.O.V.
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Ohne Eile schritten wir die Straße entlang. Unser Ziel galt der Verurteilung und Hinrichtung der gefangenen Söldner in der Trutzburg Ealdh's.

In einer leicht versetzten Linie marschierten wir zur Zugbrücke der Burg.
An vorderster Stelle Garren, dann Ilandil und als drittes Glied meine Wenigkeit, mit Remin in der Tasche.

Die Torwachen erkannten die beiden Wächter und ließen uns ungehindert passieren.
Ein schmaler aber hoher Gang mit kreuzförmig geripptem Gewölbe führte uns in den Innenhof, dessen Wände in Fachwerkbauweise angelegt war.
Das Zentrum bildete eine fünf mal zwölf Schritt lange Holztribühne mit fünf integrierten Galgen und einem Sprechpodest. Rund drei Dutzend Männer und Frauen standen wartend drumherum.

Nach einem abschätzendem Blick in die Zuschauermenge stolzierte Ilandil sogleich in Richtung einer kleineren Gruppierung gutgekleideter Herren.

"Alles wohlhabende Adelige und mächtige Männer der Midhmark, treue Vasallen des Fürsten O'ona.", erläuterte Garren.
"Der Mann mit dem safrangelben Umhang und dem eingesticktem Bärenkopf am Wams ist des Fürsten eigener Sohn höchstpersönlich. Er verwaltet mit dem Stadtrat bei Abwesenheit seines Vaters das Fürstentum.
Zu seiner linken Seite steht der Stadtrichter in seiner dunkelblauen Robe.
Gleich nebenbei sind die Freiherren Therekh und Therakh, Zwillingssprösse des alten Baron Tharakh.
Der dicke Mann daneben ist der gutmütige Silas, ein rechtschaffener und ordnungsliebender Kaufmann. Der Hühne neben ihm ist ein Ritter und die anderen drei Herren sind ebenfalls Kaufmänner der Stadt."

"Wer ist die Dame dort hinten?", begehrte ich zu wissen.

"Das, mein Junge, ist die Gemahlin des Fürsten mit ihren Kammerzofen. Man munkelt, dass angeblich osdh-orgonisches Blut in ihren Adern fließen soll, deshalb auch der leicht kupferfarbene Hautton."

"Verstehe, ich habe mich deswegen schon gewundert."

"Gefällt sie dir?", fragte mich Garren aus heiterem Himmel heraus und versetzte mir einen freundschaftlichen Stoß in die Seite.

Ich fühlte wie das Blut rauschend in mir hochschoss, sodass mein Kopf in sekundenschnelle knallrot anlief. Beschämt blickte ich zur Seite und tat so, als ob ich kennerhaft die Bauweise der Burgmauern studierte.
Doch zog ihre Aura meinen Blick immer wieder an.
Ihr offenes, gewelltes pechschwarzes Haar, welches mit einem Messingreif nach züchtigem Ansinnen sachte zurückgehalten wurde, dann die gerade Nase betont mit den kirschroten Lippen, bis hin zu den goldenen Armreifen welche eine perfekte Symbiose zum beigen Kleid bildeten, faszinierten mich!

Garren hatte das genüsslich beobachtet und lachte daraufhin laut auf.
"Ich denke das ist ein JA.", ließ er grinsend vernehmen.
"Aber mach dir nichts daraus, so geht es genügend anderen auch."

"Werte Herrschaften! Es freut mich, dass sich jedermann eingefunden hat, der an diesem heiklen Prozess etwas beizutragen hat. Im Namen des Verwaltungsrates bei Abwesenheit von Gerolaf O'ona, Fürst der Midhmark und rechtsprechendes Organ unseres Königs Eloas Meowhin, vierter seines hochwohlgeborenen Namens und rechtmäßiger Herrscher über das Königreich Thule und dem autnomen Hochfürstentum Aarn, erkläre ich die gerichtlichen Verhandlungen über die Schuld oder Unschuld von sechs Angeklagten für eröffnet!"

Es war ein dürrer schlaksiger Mann, der zum Sprechpodest hingetreten war und diese nötige formelle Einleitung vorgetragen hatte. Gespannt wartete ich nun auf den weiteren Fortgang.

Der Fürstensohn von der Midhmark trat nun zum Podest hoch. Er räusperte sich, bevor er mit angenehmer Stimme zu sprechen begann.
"Ich möchte in wenigen Worten nocheinmal ins Gewissen rufen, warum es hier einen Prozess gibt, der nicht für die breite Öffentlichkeit bestimmt ist. Vor genau sechzehn Tagen brach die Bruderschaft der 12 Wächter der Nacht zu einer äußerst heiklen und geheimen Mission auf. Fünf Tage später wurden die Wächter in einem Wald in der Osdhmark, nahe der Grenze zur Midhmark, hinterhältig überfallen. Es gab ein blutiges Gemetzel zwischen der Bruderschaft und den Räubern, welche sich als Söldner entpuppten und sich unter der Obhut eines gewissen Hylam Thomb befanden. Letztgenannter war vor acht Jahren Hauptmann der Palastwache in Arleen."

Wächter der Nacht - Die GabeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt