19. Kapitel

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Der Regen prasselte mir ins Gesicht. Hart und kalt. Die Tropfen liefen über meine Wangen wie Tränen, benetzten mein Gesicht. Der Schmerz den sie auf meinem Gesicht hinterließen tat gut. Es war angenehm zu wissen, dass es Schmerz gab, der größer als der in meinem Herz war. Der an meinem Arm war auch ein gutes Beispiel dafür. Die Wunde hatte zu eitern angefangen. Ich wusste nicht mehr wie lange ich schon in dieser Höhle saß. Die Minuten wurden zu Stunden, die Stunden wurden zu Tagen. Wie lange war ich schon nicht mehr weiter als zehn Meter von der Höhle weggegangen. Immer nur zum Brombeerbusch um zu essen, und wieder zurück. Und nun stand ich wieder hier. Unter dem Kastanienbaum, und wartete darauf endlich weg zu sein. Ich konnte nicht mehr. Ich wollte nicht mehr. Es tat einfach so weh. Hicks war jetzt sicher schon tot. Weg. Verschwunden. Er war sicher schon da oben und wartete auf mich. Wartete, dass ich zu ihm kam. Und ich würde kommen. Ich würde kommen. Warte nur einfach weiter, Hicks. Ich werde kommen. Es tat weh nur zu warten und nichts tun zu können. Nichts. Man fühlt sich hilflos und verlassen. Alleine. Als ob dich die ganze Welt im Stich gelassen hätte. Als ob du mit einem Puff verschwunden wärst. Kein later Knall, nur ein leises Wimmern, das in der Ferne verhallte und immer, immer leiser wurde. Und irgendwann würde es von der großen Unendlichkeit ganz verschluckt werden. Und dann würde man mich gar nicht mehr hören. Dir Welt ging nicht unter mit einem lauten Knall, sondern mit einem leisen Wimmern. Und mit diesem Gedanken schlief ich ein. Unter dem Kastanienbaum, neben dem Dornenbusch.

Ein Schrei. Jemand schrie. Schrie lauthals einen Kampfschrei aus, der bis zu mir hallte. Ich stand hier, mitten auf einem großen Berg, um mich herum Schnee, Schnee, Schnee. Nichts weiter als Schnee. Die weiße Leere machte mich wahnsinnig. Wie oft hatte ich sie schon gesehen und normalerweise war es auch wunderschön. Aber heute machte es mich wahnsinnig. Überall nur weiß- sonst nichts. Weißer Himmel, weiße Berge, weiße Felsen. Als ob sich die Welt dazu entschlossen hätte weiß zu werden. Weiß und leer. Doch die Schreie schienen in dem weiß unendlich lang zu hallen. Hin und her. Sie hallten zu meinen Ohren und von meinen Ohren weg. Doch der Schrei war immer der gleiche. Immer wieder...immer und immer und immer wieder...und ich konnte nichts tun. Ich konnte mich nicht bewegen. Und das tat so weh. Denn ich kannte diese Stimme. Ich kannte diesen Schrei. Besser als mir lieb war.

Schweißgebadet wachte ich auf. Die weiße Leere war verschwunden. Die Berge waren verschwunden. Die Felsen waren verschwunden. Doch eins blieb. Der Schrei. Ohne nachzudenken und wahrscheinlich von allen guten Geistern verlassen stürmte ich los als ob ein weiterer Grizzlybär hinter mir her wäre. Ich rannte als würde es kein Morgen geben. Ich rannte schneller als ich jemals in meinem Leben gerannt bin. Meine Beine trugen mich, mein Verstand leitete mich. Mein Herz raste und mein Kopf schien nur von einem einzigen Gedanken besessen zu sein. Hicks.

In der Ferne sah ich die Reflektion von Metal in der Sonne. Der Wind wehte gegen mein Gesicht und die Hagelkörner schienen es zu zerschrammen. Obwohl mir mein ganzer Körper weh tat, musste ich weiter. Ich musste zu ihm. Ich wusste, wer er war. Jedenfalls hoffte ich, es zu wissen. Denn wenn er es wäre, dann wäre ich gerettet. Dann würden wir wieder zusammen sein. Wie früher. Als noch alles in Ordnung war und wir glücklich waren. Als wir mit unseren Drachen zum Strand geflogen sind und unsere größte Sorge Hicks' Pflicht als zukünftiges Oberhaupt war. Als wir noch unbeschwert und glücklich lebten. Als sich meine Hand mit seiner verschränkt und ich in seine schönen Augen sehen konnte. Doch da sah ich es. Ich sah wie er dort stand. In der Ferne. Er hielt sein brennendes Schwert erhoben und seine braunen Haare waren so verwuschelt wie eh und je. Ihm gegenüber stand ein riesiger schwarzer Grizzly. Er hielt die Tatze erhoben und sein Schatten senkte sich über ihn. Den jungen Mann der dort stand. Ich konnte mich nicht mehr halten. Alle Gefühle explodierten in mir wie ein riesiges Feuerwerk. "Hicks!" Und da drehte er sich um und ich sah die grünen Augen wieder, die ich so sehr vermisst hatte.

Dreams✔Where stories live. Discover now