18. Kapitel

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Mit einer schnellen Bewegung riss ich mir die Axt vom Rücken, drehte mich um und hielt sie dorthin, wo ich die Kehle des Tieres vermutete. Der Bär brüllte auf und stellte sich auf seine Hinterbeine. Na super. Ein Bär. Als ob ich keine anderen Sorgen hätte. Aber was ist ein Bär, gegen die Drachen die wir früher bekämpft haben? Kann doch nicht so schwer sein. Hoffe ich zumindest. Also nahm ich die Axt noch fester in beide Hände, holte aus und traf ihn an der Schulter. Er schrie auf und schnappte nach mir. Ich sprang zurück und streifte die Axt an seinen Brustkorb. Langsam schnaufte er. Dennoch sprang er ab und flog auf mich zu. Ich rollte mich unter ihm weg und sprang ihm auf den Rücken. Verzweifelt schüttelte er sich unter mir. Ich konnte nicht anders und schlang die Hände um seine Kehle um mich festzuhalten. Schlechte Idee. Verdammt schlechte Idee. Denn er reckte seinen Kopf und biss mir in den Arm. Der Schmerz schoss durch meine Adern ins Gehirn und ich schrie qualvoll auf. Es tat höllisch weh und kurz glaubte ich ohnmähtig zu werden. Doch dann packte mich die wilde Entschlossenheit. Wenn ich ohne Bewusstsein bin, wird er mich fressen. Er würde dafür bezahlen. Dafür war er am Arsch. Also sprang ich von seinem Rücken, schwang die Axt und als er sich umdrehte warf ich sie. Sie landete direkt zwischen seinen Augen. Der Bär schrie auf und stürzte zu Boden. Dann rührte er sich nicht mehr. Keuchend stand ich da. Das Blut tropfte von meinem Arm ins Gras und bildete eine kleine Pfütze. Ich muss weiterlaufen. Ich muss zu Hicks. Aber irgendwie war ich noch nicht so weit. Der Schmerz schien mich vollkommen aufzufressen und ich glaube, dass seine Zähne sogar bis zu den Knochen vorgedrungen sind. Keuchend fasste ich mit der anderen Hand zu meinem Arm um ihn anzuheben und anschauen zu können. Aber mehr als Blut sah man sowieso nicht. Ich blickte mich um und sah in der Nähe einen kleinen Bach und am Strand stand eine Palme. Ich drehte mich um und ging zu dem Bären. Schnell zog ich die Axt aus seiner Stirn und machte mich dann so schnell es ging auf den Weg zum Strand. Das Blut tropfte unaufhaltbar auf den Boden und zog eine lange Linie. Wenn wilde Tiere das erschnüffeln würden, wüssten sie genau wo ich bin. Und sie wüssten genau, dass ich verletzt bin. Und wenn das passiert, meine lieben Freunde, wäre ich am Arsch. Richtig wehren konnte ich mich jetzt nicht mehr. Zum Axt werfen braucht man beide Hände und nicht nur die rechte. Verdammt. Als ich an der Palme angelangt war, hoffte ich trotzdem zu treffen. Ich nahm die Axt in die rechte Hand, die linke ließ ich schlaff herunterbaumeln. So gut es ging zielte ich auf die Blätter der Palme, legte an, nahm Schwung und warf. Die Axt wirbelte durch die Luft und für einen kurzen Moment sah ich alles in Zeitlupe. Die Flugbahn war richtig und zack! Hatte ich zwei lange frische Blätter am Boden liegen. Sehr gut. Innerlich triumphierend holte ich mir meine Axt und steckte sie mir auf den Rücken. Die zwei Blätter nahm ich in die rechte Hand und machte mich auf den Weg zum Fluss. Das Wasser dort war klar und kühl. Vorsichtig hielt ich meine verletzte Hand hinein und konnte beobachten wie sich ein roter Streifen von meiner Hand aus weiter durch das Wasser zog. Es tat gut die Kälte zu fühlen. Es war, als würde sie mich lähmen. Dann zog ich meinen Arm aus dem Wasser und wickelte rasch ein Blatt um die Wunde. Dann sah ich auf und sah in der Nähe den toten Körper des Bären liegen. Vielleicht hatte er ja eine Familie gehabt. Jemanden der ihn liebt. Vielleicht hatte er kleine Bärenkinder und eine süße Bärenfrau, die er liebte. Vielleicht hat er mich nur angegriffen um sein Revier zu verteidigen. Um seine Kinder zu verteidigen. Und genau in dem Moment sprang ein kleiner Bär jaulend aus dem Gebüsch und lief auf seinen Papa zu. Verwirrt stupste er ihn mit der Schnauze immer wieder an, versuchte ihn zum Leben zu erwecken. Doch er war tot. Der kleine Bär hatte keinen Vater mehr. Und dann trat das Weibchen aus dem Gebüsch. Es stieß einen wehleidigen Schrei aus und vergrub seine Schnauze in dem Fell des großen Bären. Und obwohl es keine Menschen waren, konnte ich die Emotionen in ihrem Gesicht lesen. Sie hatte ihn geliebt. Denn wer sagt, dass nur Menschen lieben können? Das Weibchen hob den Kopf und blickte mich aus dunklen bernsteinfarbenen Augen an. Doch ihr Blick war nicht wütend oder aggressiv. Sie blickte mich einfach nur an. Als wollte sie fragen, warum ich das gemacht habe. Um nicht zu sterben. Doch wäre es so schlimm gewesen tot zu sein? Einfach alles hinter sich lassen zu können. Ich hatte niemanden mehr, den ich so sehr liebte, dass ich leben wollte. Und ich hatte jemanden umgebracht der geliebt wurde. Und es tat mir so unendlich Leid. Wenn mich die Bären jetzt angriff hätte ich mich nicht verteidigen können. Ich wäre gestorben. Doch sie tat es nicht. Sie hatte ein gutes Herz. Im Gegensatz zu mir. Ich konnte den Anblick der drei nicht mehr ertragen, drehte mich um und rannte. Rannte weg von allem. Von mir. Von ihnen. Von Hicks. Meinem Herz. Meinen Gefühlen. Ich war auf der Flucht. Ganz allein. Und zwar vor mir selbst.


Dreams✔Where stories live. Discover now