Kapitel 27

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Wiegenlied
Kapitel 27

Ich zerriss den Zettel in tausend kleine Stückchen und warf ihn mitsamt der Rose in den Mülleimer. Gerade da hörte ich die Stimme von Fatih und blickte hoch.

»Kannst du mir Mal zuhören?«, fragte er Burak.
»Nein! Verpiss dich von hier, ansonsten bereust du es.«
»Ich wollte mich doch bloß entschuldigen! Es tut mir leid, okay? Es tut mir leid.«
Bei seinem letzten Satz, blickte er kurz zu mir und verschwand dann hinter der schweren Eingangstür.

Seine Entschuldigung kam nicht ganz vom Herzen. Es änderte so gesehen nichts an der Tatsache. Aber das war nicht das, was abgemacht war. Er sollte sich nur entschuldigen und das hatte er.

Ich fing an, die Gäste zu bedienen. Gleich in der Pause wollte ich Fatih anrufen, aber Liana hielt mich davon ab, in dem sie über den Jungen sprach, mit dem sie gestern getanzt hatte. Und das eine ganze halbe Stunde. »Er hat so geile grau-grüne Augen, Aslı, ich hab mich sofort verliebt!«

Liebe auf den ersten Blick. Ob es so etwas wirklich gab? Ich bezweifelte es.
»Hast du ihn gar nicht gesehen?«, fragte sie immer noch schwärmend.
»Doch, bestimmt, aber ich hab nicht auf ihn geachtet.«
»Er hat schwarzes Haar und so ein schönes Lächeln! Und er heißt Kaan!«
»Weißt du etwas über seinen Charakter?«
»Nein, aber er will sich heute mit mir treffen.«
Sie überspielte meine Provokation und strahlte bis über beide Ohren.

»Liana, vertrau ihm nicht sofort. Ich meine, du kennst ihn ja überhaupt nicht.«
»Ja Mama«, lachte sie und unsere zweite Schicht began. Ich musste abwechselnd an Neslihan, Ecrin, Burak, dem Absender von den Nachrichten, Cesur und an Fatih denken. Es gab zu viele Fragezeichen und keine Antworten.

Ich bemerkte, dass die Gäste immer mehr wurden. Die Feier hatte doch etwas gebracht. Wenn ich ein Gast wäre, würde ich erst gar nicht hierher kommen. Mal stritten sich Burak und Mahmud, Mal Burak und Fatih, Mal Mahmud und Cesur, Mal schrie irgendjemand oder Cesur brachte einen Angestellten zum Schreien. Ziemlich asozial hier. Aber immer noch sind hier genug Leute und Cesur versuchte an seinem Image zu arbeiten. Da hatte er einen langen Weg vor sich.

Ecrin hatte mir eine Nachricht geschickt, dass sie mich abholt. Sie war zu gut, zu gut für mich, zu gut für Burak.

Ich erklärte ihr, dass es nicht nötig war, weil ich eine Minute vorher mit Fatih über die unbekannten Nachrichten geredet hatte und er mich abholen wollte. Ecrin wollte sofort wissen, ob da etwas läuft. Ich verneinte, jedoch glaubte sie mir nicht. Wieso dachten alle, ich würde mit Fatih zusammen kommen? Lächerlich.

Ich stellte noch meine letzten Sachen in den Personalraum und wollte gehen, da kam Burak vor mir. Wieso musste er immer in so unpassenden Momenten auftauchen? Er machte mich regelrecht wahnsinnig.

»Was willst du, Burak?«, gab ich also von mir.
»Wieso so gut drauf?«
»Vielleicht weil wir eine Abmachung haben, die besagt, dass wir uns aus dem Weg gehen?«
Er grinste. »Hm? Wie war noch einmal die Abmachung? Burak geht Aslı aus dem Weg, wenn Aslı nicht zu Cesur geht und kündigen will? Ach ja, du willst ja kündigen. Die Abmachung ist gebrochen.«
»Und jetzt willst du mich nerven?«
Ich verschränkte die Arme.

»Ich wollte mich nur entschuldigen, aber falls du willst, dass ich dich nerve, auch okay.«
»Entschuldigen? Und wofür?«
Jetzt wurde es interessant.
»Für ziemlich viel.«
»Ich hab keine Zeit. Fass dich kurz.«
»Es tut mir leid wegen Sonntag. Ich glaube, du kannst dir schon denken, weshalb. Aber ich mache es wieder gut, versprochen.«

»Wieso? Wieso lässt du mich nicht einfach in Ruhe?«, fragte ich verzweifelt. Ich wollte ihm helfen, hatte aber damit alles für mich selbst schlimmer gemacht.
»Weil ich nicht kann«, sagte er plötzlich in einem so ernsten Ton, dass ich staunte. Er konnte nicht? Was sollte das denn heißen?

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