Kapitel 17

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Kapitel 17

Ich rutschte nervös auf dem Stuhl hin und her. Es war nicht viel Zeit vergangen, seit ich im Krankenhaus angekommen war und mich zu Ecrin gesetzt hatte. Ecrin rührte sich kaum. Ihre Haut war blass, das Haar nach hinten gebunden und die Augen tief rot. Es konnte nicht wirklich sehr lange her gewesen sein, dass sie das mit ihrem Vater erfahren hatte. Vor einer Stunde hatte ich sie ja noch gesehen.

Ich war furchtbar schlecht in vielen Dingen, aber das Trösten hatte mir noch nie gelegen. Da hatte Burak die Falsche angerufen, denn seit ich hier war, hatte ich kaum gesprochen, kaum ein tröstendes Wort gefunden und fühlte mich nutzloser, als sonst irgendwann.

Burak stand einige Meter weiter, lehnte sich Mal an die Wand und Mal ging er im Kreis herum. Ich hatte keine Ahnung, was wirklich mit ihrem Vater passiert war. Er war in der Intensivstation und keine Krankenschwester konnte uns noch etwas sagen.

Die Stille schien das bedrückendste zu sein. Sie hatte sich über uns alle gelegt und presste uns immer weiter in die Tiefen. Ich legte meine Hand vorsichtig auf die von Ecrin. Sie zuckte kurz zurück. Ihre Hand war eiskalt.

In dem Moment auch schon rief ihre Mutter ihren Namen. Sie war gerade jetzt gekommen und umarmte ihre Tochter im nächsten Augenblick so fest sie konnte.
»Lass uns dein Gesicht waschen«, schlug ihre Mutter vor und versuchte ihre Tochter so gut es ging anzulächeln. Es war schwer Mutter zu sein. Sollte man sich selbst beruhigen oder die Tochter? Wie konnte man solch eine Ruhe bewahren?

Als die beiden verschwanden, ließ sich Burak auf den Platz neben mir nieder. Sein Geruch stieg in meine Nase hoch und sein Blick durchbohrte meinen. Ich erwartete Vorwürfe von ihm. So etwas würde zu ihm passen.

»Aslı, es ist mir egal, ob du eine arrogante Furie, ein Mannsweib oder was anderes bist, es ist mir auch egal, wie du zu mir bist, außer wenn Ecrin dabei ist. Ich bin mir sicher, ihr Vater kommt da nicht sofort raus und ich will nicht das Schlimmste befürchten, aber in dieser Zeit, ich will nur, dass du dich einmal in deinem Leben menschlich benimmst, egal, wie schwer dir das fällt, einmal, Aslı, will ich einen Waffenstillstand von dir. Nur vor ihr. Du kannst jedes Schimpfwort benutzen, das du willst, zügel dich nur vor ihr.«

Vielleicht war das gerade die schlimmste Beleidigung gewesen, die ich in meinem Leben bekommen hatte, aber das war mir egal. Er war einfach unmöglich- schon immer und im Moment hatte ich weder die Kraft, mit ihm zu diskutieren, noch die Lust dazu. »Solange du dich beherrschen kannst, brauchst du dir keine Sorgen machen.«

Ich sah weg von ihm. Ich hasste seinen Blick. Ich hasste seinen Geruch. Ich hasste seine Anwesenheit. Ecrin kam zurück. Ich und Burak standen auf, weil es nur zwei Plätze gab und die beiden eine viel größere Last hatte als wir.

»Ich gehe dir etwas zum trinken holen«, murmelte Ecrins Mutter.
»Das machen ich und Aslı schon«, protestierte Burak sofort und lächelte mich gespielt an.

Ich nickte zur Bestätigung und stand auf. Wir liefen den Gang entlang und Burak drückte auf den Aufzugsknopf.
»Wir können auch die Treppe nehmen.«
»Warum? Hat Aslı auch noch Angst vor Aufzügen?«
Ich hasste es, wenn er mich in der dritten Person nannte, obwohl er mit mir redete. »Nein, aber dann wären wir schneller.«

Er lachte. Ich hasste sein Lachen. Ich hasste alles an ihm.

Der Aufzug glitt auf und wir betraten es. Im nächsten Stock kam eine schwangere Frau mit ins Aufzug. Sie musste eine Etage höher als wir aussteigen. Wie immer glitten die Türen zu und es bewegte sich etwas. Nur dieses Mal machte es einen Ruck, rückte etwas runter, aber blieb dann stehen.
»Was ist los?«, fragte die schwangere Frau panisch.
»Wird schon«, entgegnete Burak. Die perfekte Antwort, auf ihre Frage. Dafür würde ich ihm glatt hundert Punkte geben.

WiegenliedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt