57 Kralle

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Mit Sonnenaufgang setzten wir unseren Weg fort. Durch dichtes Gestrüpp immer auf der Hut vor möglichen Gefahren aus dem Wald. In der Ferne war ein Knurren zu hören. Das aufgebrachte rufen von Vögeln. Irgendwo flatterte etwas. Ein Rascheln im Schatten. 

„Wie schaffst du es bei den Frauen so gut anzukommen?" Nervös holte Calen zu mir auf. Mit vorsichtigem Blick über die Schulter ging er sicher, dass Leris hinter uns ihn nicht hörte, bevor er weiter sprach. „Ich meine du bist forsch, hast keine Manieren und bist nicht gerade... Damenhaft." Sagte er leiser, mit einer gewissen Vorsicht, sich nicht meinen Zorn einzufangen. Schmunzelnd schwang ich mein Schwert und entfernte die Ranken aus unserem Weg, während die ersten Sonnenstrahlen über das Laub am Boden wanderten. „Hat unser Prinz etwa Probleme mit Frauen? Bist du nicht schon seit der Wiege verlobt?" neckend warf ich ihm einen Blick zu. „Nein... bin ich nicht. Meine Eltern wollten, dass ich meine zukünftige selbst wähle." Mühsam ignorierte er meinen Spott. Er wollte offensichtlich einen ernsthaften Rat. „Ich bin attraktiv, das hilft." Sagte ich gerade heraus.

„Eine starke Kriegerin, die sich nicht für andere verbiegt und ich bin eine namhafte Drachentrainerin. Das sind meine Vorzüge, die durchaus hilfreich dabei sind, das Herz einer Frau zu erobern." Mit einem Hieb zerteilte ich einen Strauch, der uns im Weg war. Mit einem Windstoß fegte ich die losen Zweige fort.

„Das trifft alles nicht auf mich zu." Ich lachte. „Natürlich nicht. Jeder hat andere Vorzüge." Mürrisch verzog er das Gesicht. Ich seufzte und stoppte. „Du bist ein Prinz, aber nicht nur. Calen du bist ein Junge mit einem fühlenden Herz für seine Kameraden. Mit Mut sich für das einzusetzen, das dir wichtig ist und Freundlichkeit. Du bist zwar noch etwas unbeholfen, aber du bleibst ja nicht ewig ein unbeholfener Junge." Zuversichtlich klopfte ich ihm auf die Schulter. Mit großen Augen nahm er meine Worte in sich auf wie ein Schwamm.

„Und wie spricht man ein Mädchen an, das man mag?" wieder holte er zu mir auf. „Ich dachte, du wärst ein Adeliger?" skeptisch musterte ich ihn. Nur war sein Äußeres in keinster Weise mehr Prinzenhaft. In der abgetragenen Lederkluft und dem mit Fell besetzten Wintermantel. „Was für Adelige kennst du bitte?!" verständnislos wusste er nicht, ob er sich beschweren sollte oder empört sein sollte. "Alte Säcke, die sich alles erlauben, nur weil sie Geld, Rang und Einfluss haben." Ungerührt wandte ich meinen Blick wieder nach vorn.

„So einer bin ich aber nicht...", murmelte Calen kleinlaut, wohl wissend welche Art von Adeligen ich meinte. "Na schön. Sieh zu..." ich ließ mich zurückfallen an Leris Seite. "Hallo, Schönheit." schmunzelnd lehnte ich mich zu ihr rüber. Überrascht stieg die Röte in ihre Wangen. Ein verlegenes kleines Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. "Gesehen?" grinsend sah ich zu Calen der mich nur verständnislos ansah. "Was gesehen?" er war so aufmerksam wie ein Holzblock! Seufzend trat ich an seine Seite. 

„Melion! Erklär den Prinzen, wie man ein Mädchen anspricht." Rief ich nach hinten, worauf Calen puterrot anlief. Ein hämisches Grinsen konnte ich mir da nicht verkneifen. „Talrah... was geht bitte wieder in deinem Kopf vor?" Kopfschüttelnd seufzte Vani während Melion kurz überlegte. „Sagt man nicht einfach Hallo und der Rest ergibt sich?" überfragt, ob man das als Antwort werten konnte, zuckte er mit den Achseln. „Wo funktioniert das bitte?!" aufgebracht fuchtelte Calen mit den Armen durch die Luft. „In jeder Kneipe." Versicherte Melion seinem Prinzen mit Daumen hoch. Ungläubig schlug Calen die Hand vor die Stirn und seufzte tief. „Wie gesagt, attraktiv zu sein hilft." Schmunzelte ich, was Calen böse aufschauen ließ.

„Ich denke, es wäre hilfreich zu erläutern, was man unter attraktiv versteht." Versuchte Leris zu helfen, die selbst nur wenig Erfahrung hatte, aber für den Prinzen gab sie wie immer ihr Bestes. „Dafür brauche ich keine Erklärung. Mir war schon immer bewusst, dass es sich nur um das äußere dreht. Ein Adonis hat selbstredend bessere Aussichten als ein Prinz..." Deprimiert ließ er den Kopf hängen. „Das ist nur die halbe Wahrheit." Wiedersprach Vani mit erhobenem Finger. Verwundert hob Calen den Kopf. Gerade noch rechtzeitig, bevor er über eine Wurzel gestolpert wäre.

„Attraktivität schließt sich aus mehreren Faktoren zusammen. Dem Äußeren zum einen, aber auch aus Charakter, Auftreten, Ausstrahlung, dem Intellekt, Fähigkeiten und Sexappeal natürlich. Es zählt also nicht nur das Aussehen einer Person." Erklärte sie analytisch wie aus einem Lehrbuch abgelesen. "Wobei Melion wohl eine Ausnahme darstellt." überlegte ich, worauf Melion herzhaft lachte. „Das ist nicht gerade hilfreich...", entgegnete Calen und gerade als Vani antworten wollte, stoppte ich. Ich deutete ihnen still zu sein und keiner rührte sich. „Was ist es diesmal?" vorsichtig sah Calen sich um. „Nicht bewegen!", erwiderte ich harsch und ging in die Hocke. Der Geruch nach Drache lag dicht am Boden. Kaum wahrnehmbar, aber für meine geschärften Sinne aufspürbar.

Sachte schob ich das Laub beiseite. Glutrote Blätter kamen darunter zum Vorschein. Matt funkelten sie im Sonnenlicht. Es waren keine Blätter, es waren Schuppen. Drachenschuppen! Mit einem Satz sprang ich hoch auf einen der Bäume und betrachtete den Pfad von oben. Wir waren mitten in seine Falle gelaufen. Fluchend landete ich wieder an genau der Stelle, von der ich abgesprungen war.

„Ich weiß nicht, wie ich, das weniger beängstigend erklären soll also... wir stehen mitten in einem Drachennest..." sagte ich schließlich, worauf die Fünf mich mit großen Augen anstarrten. „WAS?! Wie konnte das passieren? Du führst uns doch!" aufgebracht brüllte Calen flüsternd in meine Richtung, während er es tunlichst vermied, auch nur einen Muskel zu bewegen. „Und wie kommen wir sicher hier wieder raus?" Meron blieb erstaunlich ruhig. „Ein Drachennest? Ich seh hier aber keine Eier..." verwundert sah Melion sich um. „Ich kann Magie spüren, aber es ist so wenig, dass ich nicht einen Drachen vermutet hätte." Vorsichtshalber schulterte Vani ihren Stab, um nicht am Boden irgendetwas auszulösen.

„Prinz Calen beruhigt euch. Mit Talrah an unserer Seite werden wir nicht als Drachenfutter enden." Versuchte Leris derweil Calen zu beruhigen. „Die roten Blätter am Boden sind die Schuppen eines Laubdrachens. Es ist ein äußerst intelligenter Drache, der seine Schuppen von seinem Körper trennen kann, um mit ihnen magische Kraft aus der Umgebung zu sammeln. Die Schuppen sind also mit dem Drachen verbunden und sobald man auf die Schuppen tritt, schnappt der Drache zu." Erklärte ich sachlich, ohne mich großartig zu bewegen. „Aber hier ist kein Drache?" wandte Melion ein und deutete auf die umliegenden Bäume. Zwischen den Bäumen wuchsen keine Sträucher so dass ein Drache uns definitiv aufgefallen wäre.

„Ja... das ist der beängstigende Teil... der Drache kann sich nicht weit von seinen Schuppen entfernen. Er gräbt sich unter die Erde, um möglicher Beute aufzulauern." Calens Augen weiten sich vor Schreck. „Heißt das etwa, dass wir gerade auf dem Drachen stehen!?" Seine Stimme überschlug sich ein paar Oktaven zu hoch. „Ihr dürft einfach nur nicht aufs Laub treten. Dann passiert auch nichts." Winkte ich ab, worauf Calen förmlich explodierte. „Wir sind in einem Wald! Der Boden ist Laub!" quietschte er panisch, während er mühsam versuchte nicht wegzulaufen.

„Wir dürfen also nur nicht das Laub berühren? Das ist einfach." Vani klemmte sich ihren Stab unter den Hintern und schwebte hoch in die Luft. Für eine Hexe war das ein Kinderspiel. Für mich ja im Grunde auch, aber die anderen konnten weder Magie wirken noch mit übermenschlichen Fähigkeiten aufwarten. Genervt wandte ich mich meiner Reisegruppe zu. „Bleibt einfach ruhig und tretet dahin, wo ich hintrete. Ich kann die Schuppen aufspüren und euch so sicher vom Drachen wegführen." Sie vertrauten meinen Worten und selbst Calen beruhigte sich wieder. Vorsichtig setzte ich einen Fuß nach dem anderen. Ich achtete darauf, dass jeder mitkam und so entfernten wir uns Stück für Stück vom Drachen. Mühsam und sehr langsam, aber wir kamen voran. 

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Your sword and my DragonsWhere stories live. Discover now