Kapitel 13

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Liarya

Nein. Versuch es nochmal. Du musst dich besser konzentrieren."

Seit uns bekannt war, dass die Könige von Eldarmar und Nularis wussten, dass ich in Aquarin, speziell in Pearlyn, war, nahm Tirian diese ganze mir-selbstverteidigung-beibringen sehr ernst.

Und was sollte ich sagen, we war ein gnadenloser Lehrer.

„Lass deine Gedanken nicht immer abschweifen. Du musst dich konzentrieren. Jetzt versuche es nochmal. Spüre die Präsenz deiner Flügel. Jetzt schließe deine Augen und stelle dir vor, wie sie aus deinem Rücken sprießen", wies er mich an und ich befolgte seine Anweisungen.

Ich stellte mir meine wunderschönen, schneeweißen Flügel so bildlich wie möglich vor, als sie aus meinem Rücken sprossen, aber als ich kurz darauf ein paar Bewegungen in dem Bereich spürte, öffnete ich meine Augen panisch.

Tirian seuftzte leicht genervt. „Es funktioniert nicht. Wieso? Wenn du dich wirklich konzentrierst, funktioniert es. Aber sobald du kurz davor bist, es zu schaffen, brichst du die Übung ab. Wieso?"

Ich dachte für eine Sekunde nach. Um ganz ehrlich zu sein hatte ich wahrscheinlich bloß Angst vor dem Schmerz und dem Gefühl, meine Haut wieder reißen zu spüren. Letztes Mal war die Verletzung zwar ziemlich schnell wieder verheilt, aber mein Gehirn erinnerte sich trotzdem noch and das reißende Geräusch, als würde man Stoff zerschneiden

„I- ich möchte es einfach nicht nocheinmal erleben. Das Geräusch war schrecklich und es tat auch ziemlich weh", erklärte ich, ohne ihm in die Augen zu sehen. Ich wollte einfach nicht, dass er enttäuscht von mir war.

„Mach dir keine Sorgen. Deine Haut wird nicht noch einmal zerreißen. Und es sollte auch nicht mehr wehtun. Das passiert in der Regel nur beim Ersten Mal. Versuche es noch einmal", erklärte er in beruhigendem Ton.

Mit dem neu gefundenen Mut schloss ich meine Augen wieder und stellte mir meine Flügel wieder vor.

Nach einer kurzen Weile fühlte ich wieder einige Bewegungen, dieses Mal hörte ich aber nicht auf mich zu konzentrieren.

Die Haut an meinem Rücken kitzelte kurz und nach einer Weile hörte ich Tirian wie er versuchte, ein Lachen zu unterdrücken.

Er und lachen? Träumte ich?

Anstatt das laut zu sagen, öffnete allerdings meine Augen und schaute ihn gespielt genervt an. „Was stimmt denn jetzt nicht?"

„Nichts. Es hat... so halb funktioniert", entgegnete Tirian und konnte sein Lachen kaum mehr unterdrücken.

„Was meinst du mit ‚so halb funktioniert'?", fragte ich neugierig und sah ihn verwirrt an.

Tirian lachte leicht, bevor er hinter meinen Rücken ging und meinen linken Flügel leicht nach vorne zog.

„Hier. Ich sagte doch es hat halbt funktioniert", sagte er und versuchte wirklich nicht zu lachen.

„Was meinst..."

Oh

„Warte. Du sagtest es hat halb funktioniert. Meinst du dass ich nur einen Flügel aus dem Rücken ragen habe?!", fragte ich vorsichtig und Tirian nickte, während er endlich zu lachen begann.

Ich wunderte mich immer noch, dass jemand wie Tirian so lachen konnte, aber ich mochte den Anblick irgendwie.

Tirian hörte gar nicht mehr auf zu lachen und irgendwann setzter er sich ins Gras und hielt sich leicht den Bauch.

Ich fand meine Situation ja eher peinlich als lustig, aber er steckte mich mit seinem Lachen an und ich kicherte ein wenig.

Nach einigen Minuten in denen Tirian nur lachte, reichte es mir dann doch. Energisch stemmte ich die Hände in meine Hüften. „Komm schon. Es ist nicht so lustig wie du tust. Ich wette, nicht einmal du hast bei deinem Training alles perfect geschafft", sagte ich und versuchte, genervt zu klingen.

Er hörte auf zu lachen und räusperte sich.

„Natürlich nicht. Es ist ja schließlich noch kein Meister vom Himmel gefallen. Aber ich habe noch nie erlebt, dass nur ein Flügel erscheint. Ich habe ja nicht dich ausgelacht, sondern die Situation in der du dich befindest", erklärte er und grinste.

Sein grinsen löste ein unbekanntes kribbeln in meinem Bauch aus.

Für eine Weile standen wir dann einfach da und sahen uns gegenseitig an. Es fühlte sich für mich fast so an, als wäre die Welt stehen geblieben. Nur für uns.

Aber Tirian ruinierte den Moment indem er sich noch einmal räusperte und mir dann den Rücken zudrehte.

„Sollen wir versuchen den zweiten Flügel auch erscheinen zu lassen?", fragte er, noch immer mit dem Rücken zu mir.

Ich fühlte mich ziemlich müde, da wir seit Sonnenaufgang hier waren und bis jetzt keine einzige Pause eingelegt hatten.

„Ich weiß nicht... Ich bin ziemlich erschöpft. Können wir eine Pause machen und später weitermachen?", fragte ich und betete innerlich, dass Tirian zustimmen würde.

Tirian drehte sich wieder zu mir um und nickte langsam. „Wir werden eine Pause machen. Ich wollte dir sowieso noch ein paar andere wichtige Dinge erzählen. Und die solltest du dir unbedingt merken, wenn du weiterhin außerhalb der Burgmauern leben willst."

Er setzte sich wieder ins Gras und ich nahm neben ihm Platz. Die Vorstellung, noch mehr interessante Dinge über die Welt zu lernen war für mich mehr als interessant.

___

„Hast du schon einmal von ‚mit Blut besiegelten Verträgen' gehört?"

Für einen Moment lang dachte ich nach. Ich hatte einmal gelesen, dass manche Elfen das taten, besonders wenn es sich um sehr wichtiger Angelegenheiten handelte. Mehr Informationen hatte ich allerdings nicht.

„Ich habe schon einmal davon gehört", antwortete ich.

„Gut. Dann höre jetzt gut zu. Diese Informationen sind sehr wichtig für die Zukunft."

Ich nickte und schenkte ihm meine volle Aufmerksamkeit.

„Wie du ja jetzt, hoffentlich, weißt sind Kobolde nicht die ehrlichsten Kreaturen. Um zu verhindern, dass sie Verträge brechen, hat man vor Jahren das Konzept erfunden, Verträge mit Blut zu besiegeln. Dadurch verhindert man, dass der Vertrag gebrochen werden kann, denn sonst würde man sterben. Allerdings muss man nur den Part erfüllen, der ausdrücklich auf Papier geschrieben steht. Wenn der Vertrag also Schlupflöcher hat, kann man dieser nutzen.

Du darfst dich niemals auf so einen Vertrag einlassen, denn du könntest deine Meinung ändern und dann ist es zu spät. Glaube mir, ich spreche aus Erfahrung", erklärte Tirian und er klang, als würder er seinen Entschluss, sich auf so einen Vertrag eingelassen zu haben, wirklich zutiefst bereuen.

Ich nickte, hundert Prozentig sicher, dass ich niemals so einen fatalen Fehler begehen würde, aber Tirian schien ein einfaches Nicken nicht auszureichen.

„Schwöre dass du so etwas niemals tun wirst. Ein einfaches Versprechen oder nicken war auch beim Händlerkobold nicht genug. Also lasse ich dich lieber darauf schwören", sagte er trocken und ich hatte das Gefühl, dass er immer nach Möglichkeiten, den Vorfall mit dem Händlerkobold wieder auzugreifen, suchte.

Also schwor ich ihm, niemals einen Vertrag mit Blut zu besiegeln, bemühte mich aber, dabei so gelangweilt wie möglich zu klingen. Tirian rollte mit den Augen, schien sich aber damit zufrieden zu geben.

Nachdem ich mich danach spontan dazu entschieden hatte, dass ich doch nicht mehr weiter trainieren wollte, liefen wir zurück zu dem kleinen Gasthaus, in dem wir momentan wohnten.

Den ganzen Weg zurück spürte ich Tirians Blick in meinem Rücken. Es hatte ihm ganz und gar nicht gefallen, dass ich das Training so früh abgebrochen hatte. 

(K)ein Klischeehaftes MärchenWhere stories live. Discover now