✧˚[ 9 - ERDNUSSBUTTERTRÄUME ]˚✧

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Mitte Januar, am Rande von Rhode Island

Maiglöckchen. Auch wenn es noch viel zu früh für Maiglöckchen war, wiederholte er Nikas letzte deutsche Sprachnachricht auf das selbst gemalte Bild des kleinen Jungen voller Enthusiasmus und heimste dafür einige schräge Blicke von Kindern und Betreuern ein.

Dicke weiße Flocken trotzten hinter den großen Fenstern in dem Malzimmer erfolglos der Schwerkraft, während drinnen die Sonne mit jedem Kinderlächeln und jedem weiteren kunterbunten Bild von neuem aufging. Der Besuch in Waisenhäusern oder auf den unzähligen Kinderkrankenstationen gehörte für Sebastian zu der besinnlichen Zeit genauso dazu wie ein schön geschmückter Christbaum oder das obligatorische Neujahrsessen mit seiner Patentante. Er freute sich jedes Mal darauf, auch wenn es traurige Umstände waren.

Diesmal dachte er dabei auch an eine Person, die zwar keine Vollwaise war, jedoch auch niemanden mehr an Blutsverwandtschaft besaß, dem sie so nahe stand, wie es eigentlich sein sollte. Deshalb wollte er Nika auch an diesem Besuch zumindest auf diesem Wege teilhaben lassen.

Trotz der Zeitverschiebung und ihrer unterschiedlichen Leben, was eine direkte Antwort an den jeweils anderen oftmals erschwerte, hat sich zwischen ihnen ein reger Kontakt entwickelt. Etwas, womit Sebastian rechnete. Nicht so mit den doch sehr tiefgründigen Themen, die sie darin austauschten. Obwohl Nika ihn mit ihrer ersten Nachricht zunächst zappeln ließ – einzig und allein wie sie ihm offenbarte, weil sie sich nicht traute und anfänglich verunsichert war – fühlte es sich für beide nach wenigen Tagen an, als ob sie sich bereits seit Jahren kannten. Deshalb war es für ihn auch selbstverständlich sie genauso an seinem Leben teilhaben zu lassen, wie all seine anderen engsten Freunde. Sie wiederum erzählte ihm von ihrem Tag oder von nebensächlichen Dingen, die sie erlebte. Was man eben so tat, wenn man mit einem Freund quatschte. Kein neugierigen Nachfrage zu einem seiner Filmprojekte. Wenn, dann nur wenn er von sich selbst aus damit begann. Auch keine verdächtige Neugier über den aktuellsten Gossip was seine Co-Stars betraf. 

Sebastian schätzte ihre Diskretion. Und, wie sie ihn behandelte. Nicht als Star, den sie abgöttisch verehrte - was sie still und heimlich trotzdem weiter tat, ihn aber nicht wirklich störte - sondern als einen auf dem Boden der Tatsachen gebliebenen Normalsterblichen, so wie sie selbst es auch war. Eine weitere Tatsache, welche Sebastians frühen Instinkt bestätigte. Er vertraute ihr. Und er vertraute auf ihre Hilfe. 

Eine Woche vor Weihnachten legte Nika ihm ein imaginäres, oder besser gesagt digitales Geschenk unter den Baum. In einem unbekannten Forum für junge, ambitionierte Indie-Autoren stieß sie auf das Profil von Finia Soelm. Es war noch nicht lange online. Kurz danach eröffnete sie auch einen Instagram Account, um dort nun doch noch ihre bisherigen Veröffentlichungen zu promoten.

Ein Gesicht zu dieser mysteriösen Frau bekam Sebastian trotz allem noch nicht. Etwas, das sein Interesse nur noch mehr weckte.

»Und was ist dein liebste Nachspeise?« wollte ein Mädchen wissen.

Sie saß neben den anderen Kindern im Schneidersitz und mit einem Plüsch-Pinguin vor der Brust auf dem Teppich vor ihm und wartete mit großen Augen auf sein Antwort. Sebastian legte das Kinderbuch welches er gerade zu Ende vorgelesen hatte zur Seite. Draußen hingen die grauen Wolken tief und verdunkelte Rhode Islands Straßen an diesem frostigen Winternachmittag früher als sonst. Bald würde er seine kleinen neu gewonnen Freunde ihrem Abendessen überlassen und sich auf den dreistündigen Rückweg nach New York machen. Eine Strecke, die er gerne auf sich nahm. Auch – wie in diesem Falle – ganz alleine, da weder Presse, noch irgendeine PR-Aktion dahinter steckte. Lediglich ein einfacher Webcast organisiert von dem Waisenhaus selbst, um auf die elternlosen Seelen aufmerksam zu machen und für die ein oder andere großzügige Spende aufzurufen.

✧˚[ 𝐈𝐍 𝐀 𝐁𝐋𝐈𝐍𝐊 𝐎𝐅 𝐀𝐍 𝐄𝐘𝐄 ]˚✧  |||  Sebastian Stan KurzgeschichteWhere stories live. Discover now