✧˚[ 2 - BUTTERBLUMEN & PRINZIPIEN ]˚✧

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Zwei Monate später, irgendwo im Süden Deutschlands

»Anstatt wieder eine komplett neue Story anzufangen solltest du erst einmal diese eine fertig schreiben und endlich auf den Markt bringen. Oder willst du sie wie alle anderen auf deiner Festplatte einstauben lassen?«

»Es ist kompliziert.«

»Es ist nicht kompliziert, das nennt man ADHS, meine Butterblume. Wie oft muss ich dir das noch erklären«, hallte die lehrerhafte Stimme aus dem Lautsprecher an den Badezimmerfliesen wider.

Annika, von allen nur Nika genannt, konnte nicht anders als lauthals auflachen. Sie stieg aus der Dusche, schnappte sich das Handtuch und wickelte es sich um. »Schon gut, schon gut. Irgendwann kapier ich das auch noch mit meinen letzten zwei gesunden Gehirnzellen, die unter dem ganzen Durcheinander verschollen sind.«

»Na bravo«, stieß Maike theatralisch ein Stoßgebet aus. »Endlich sind wir einen Schritt weiter. Aber ernsthaft: du solltest sie veröffentlichen. Die Stories sind wirklich, wirklich gut.«

Wenn du nur wüsstest...

»Sag das dem Monk in mir. Scheiß Perfektionismus.«

Maike stimmte mit einem erfahrenen, sarkastischen Grunzen zu bevor ihre kleine Tochter im Hintergrund zum Abendessen mal wieder nach einem knackigen Brot mit Butter verlangte.

Der Spiegel in Nika's kleinem Bad war beschlagen. Ein Wisch und daraus blickte ihr wie so oft das schlechte Gewissen entgegen. Ein schlechtes Gewissen um ein gut gehütetes Geheimnis, von dem niemand wusste. Es würde zwar keinen Dorfskandal lostreten sollte es rauskommen, dennoch behielt sie es für sich. Sie war noch nicht bereit es zu lüften. Nicht einmal vor denen, denen sie mehr als allen anderen vertraute und die indirekt dafür mit Verantwortung trugen.

Ohne die immerwährende Unterstützung, das gute Zusprechen und auch den ein oder anderen liebevollen imaginären Arschtritt hätte sie sich nach 32 Jahren eintöniger, trister Existenz auf diesem bekloppten Planeten wohl nie getraut diesen einen, alles erfüllenden Traum tatsächlich zu verfolgen. Es war der Traum vom Schreiben, der Traum vom Geschichten erzählen, vom Erschaffen von Welten und Charakteren, die ihr mit jedem Wort, mit jeder weiteren Seite mehr und mehr ans Herz wuchsen und nie wieder losließen. Jeder einzelne wurde ein Teil von Nikas Familie.

So wie auch Maike, Judith und Mischa. Sie wurden innerhalb so kurzer Zeit wie Schwestern für sie, waren ihre selbst gewählte Familie, die sie nie wieder missen wollte. Weder die endlosen Chats und Telefonate zu jeder noch so unchristlichen Tages- und Nachtzeit, noch die ebenso oft unchristlichen, aber auch tiefgründigen Themen darin.

Hätte jemand früher behauptet, Nika würde mal ganz offen über allerlei Sexpraktiken und -vorlieben sprechen und schreiben oder ohne zweimal darüber nachzudenken aufgrund einer 50/50 Chance auf ein persönliches Treffen mit einem Schauspieler ein überteuertes Zugticket von München nach Berlin buchen, hätte sie denjenigen für vollkommen verrückt erklärt. Offenherzig, direkt und spontan waren das Letzte, mit denen engste Freunde und Familie Nika beschrieben. Das änderte sich jedoch. Und diese innerliche Veränderung begann mit einer einzigen, kurzen Filmsequenz.

Jetzt, nach zwei Jahren, fand sie ihren vorläufigen Zwischenstopp - trotz so vieler Schicksalsschläge - in vollkommener Ausgeglichenheit, standfestem Selbstbewusstsein und einem Glücksgefühl, das sie so bisher nie kannte.

Schuld daran war dieser unbestreitbar gut aussehende Schauspieler. Nun ja... Eigentlich nicht direkt er. Alles fing nämlich mit Marvel an. Und mit einem ziemlich abgefuckten, fiktionalem, knapp 100 Jahre alten Assassinen, der im zweiten Weltkrieg von einem fahrenden Zug fiel und dabei bedauerlicherweise ein Körperteil verlor.

✧˚[ 𝐈𝐍 𝐀 𝐁𝐋𝐈𝐍𝐊 𝐎𝐅 𝐀𝐍 𝐄𝐘𝐄 ]˚✧  |||  Sebastian Stan KurzgeschichteWhere stories live. Discover now