✧˚[ 1 - UNSICHTBARE TINTE ]˚✧

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Er konnte die Schlinge um seinen Hals nicht schnell genug losbekommen. Und das, obwohl er nicht mal einen Schlips trug. Seine Ohren schrillten noch immer. Von dem Applaus, von den Bässen der Saallautsprecher. Und vom Geschrei der vielen Fotografen und Fans.

Sebastian! Sebastian!

Sebastian! Look! Here!

Sebastian, just a picture!

Thank you, Sebastian!

Sebastian, we love you!

Er war nicht undankbar - ganz und gar nicht. Aber manchmal fühlte sich der ganze Trubel nach all der Zeit noch immer unwirklich an. Unwirklich und zu viel. Ob er wusste worauf er sich einließ, als er als kleiner Junge mit einem großen Traum eine unbedeutende Rolle in einem Werbefilm für eine neue Limonade hatte? Wohl kaum. Jetzt als gestandener Mann mit Prinzipien, einem gesunden Selbstbewusstsein und den immergleichen Ängsten schon. Er wollte es genauso. Zumindest den Großteil. Und er wollte noch immer diesen Traum. Er war derselbe, damals wie heute. Mit nur einem winzigen Unterschied: jetzt träumte er ihn nicht mehr, er lebte ihn - mit allem was dazugehörte.

Die Tür fiel ins Schloss. Stille. Dadurch hörte er gedämpft die Schritte seiner Managerin, die nach der After-Show Party der Filmpremiere ebenfalls einige Türen weiter zufrieden, aber müde ins Bett fallen würde.

Morgen hatten sie beide frei. Naja, so wirklich frei hatte man als Person des öffentlichen Lebens nie wirklich. Etwas, das Sebastian erst viel später realisierte. Man stand unter ständiger Beobachtung, im Visier von Paparazzi & Co. Und wenn er nicht hin und wieder etwas auf Instagram oder sonst wo postete, wuchsen ziemlich schnell wieder Gerüchte, er sei krank oder gar tot. Wie kamen die Leute nur immer darauf? Früher hatte man sich auch nie wirklich Gedanken gemacht, ob der Nachbar aus dem dritten Stock noch lebte, nur weil man ihn einige Wochen lang nicht gesehen hat. Eigentlich schon wieder traurig, wenn man sich nicht um seine Mitmenschen sorgte. Aber entweder war es zu viel oder zu wenig.

So ging es Sebastian auch mit seinen Fans. Oh Gott, er liebte seine Fans, keine Frage. Sie waren diejenigen, die ihn auf dem Boden hielten. Zum Einen weil sie ihn daran erinnerten, woher er kam, wo seine Träume ihre Anfänge nahmen. Zum Anderen waren sie diejenigen, denen er seinen Erfolg verdankte. Nicht Talent allein brachte ihn zu diesem Punkt der Bekanntheit, damit er sich nun die Freiheit nehmen konnte seinen Herzensprojekten uneingeschränkte Aufmerksamkeit zu widmen.

Der Jetlag kickte. Er knöpfte den royalblauen Hemdkragen noch weiter auf und warf sein Jackett über die Lehne der edlen Couch, nur um Sekunden später stöhnend darauf zu fallen und sich die polierten Lederschuhe abzustreifen, welche sein Freund und Stylist des Vertrauens schon vor drei Wochen passend zum Anzug heraussuchte.

»Oh, man...«

Für einige Minuten lag er einfach nur da, die Augen geschlossen, wie ein Schluck Wasser in der Kurve. Oma hätte ihm vermutlich den Kopf gewaschen, dass er sich doch ordentlich hinsetzen sollte, um nicht schon mit 30 wie ein krummbuckliger alter Mann herumzuschleichen.

Sein Mundwinkel zuckte nach oben, als das Bild einer der wenigen wichtigen Frauen in seinem Leben vor sich sah. Sie starb schon vor seinem 30. Geburtstag. Das ist nun elf Jahre her. Er fühlte sich fitter als je zuvor. Ein netter, jedoch manchmal brutaler Seiteneffekt des Showbusiness, körperlich wie auch psychisch, vor Allem bei einem schnellen Rollenwechsel von einem hageren, exzentrischen Rockstar im Drogenrausch zum messerschwingenden, gehirngewaschenenen Auftragskiller, der versucht sein gestohlenes Leben wieder auf die Reihe zu bekommen.

✧˚[ 𝐈𝐍 𝐀 𝐁𝐋𝐈𝐍𝐊 𝐎𝐅 𝐀𝐍 𝐄𝐘𝐄 ]˚✧  |||  Sebastian Stan KurzgeschichteDove le storie prendono vita. Scoprilo ora