[2] Vivien

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𝔇er Boden der Bahnstation war eiskalt gewesen, das würde sie nie vergessen, genau wie der Asphalt unter Moth, doch ihr Blut unter ihrer Wange heiß

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𝔇er Boden der Bahnstation war eiskalt gewesen, das würde sie nie vergessen, genau wie der Asphalt unter Moth, doch ihr Blut unter ihrer Wange heiß.

Vivien vergaß selten irgendetwas: Wenn es ihr einmal auffiel, dann brannte es sich in ihr Gedächtnis ein.

Das mochte ein Segen sein, wenn sie im Einsatz war. Ein Kennzeichen, ein Gesicht, eine bestimmte kleine Bewegung - Vivien entging nichts. Einen Fall hatten sie nur gelöst, weil ihr aufgefallen war, wie einer der Verdächtigen immer in einem bestimmten Muster blinzelte.

Allerdings hatte sie nicht die geringste Kontrolle darüber, welche Bilder und Erinnerungen ihr Gehirn ihr immer und immer wieder vor ihrem inneren Auge vorspielte, und genau deswegen war es ihrer Meinung nach viel mehr ein Fluch.

Ein kurzes Leuchten von Augen in der Dunkelheit, das Blitzen von Zähnen - Moth in einer riesigen Lache Blut, seine olivenbraune Haut aschfahl.

Ihre Hände wollten einfach nicht aufhören, zu zittern, so dass eine Aufgabe von wenigen Minuten, mit einem Handtuch sein Blut von ihnen zu schrubben, sich elendig in die Länge zog.

Schon für zwei war das Schlafzimmer eigentlich viel zu klein, also hatte sie sich entschlossen, den Anderen wenigstens so wenig wie möglich im Weg zu stehen und lehnte mit dem Rücken an der schmalen Kommode gegenüber dem Bett. Sie war mehr als dankbar für den Halt, den sie ihr bot, denn ihre Beine fühlten sich unter ihr eher wie zwei hohe Türme Wackelpudding an.

Still beobachtete sie die Anderen. Junis klebte gerade vorsichtig einen Pflasterstreifen auf die letzte Seite der großen Kompresse über der Wunde in Moths Hals und sagte dann etwas zu Preston, den Kopf immer noch gesenkt, so dass Vivien es nicht erkennen konnte.

Ihre Hörgeräte lagen neben ihr auf der Kommode. Wenn sie schon keine Macht über die Bilder in ihrem Kopf hatte, dann konnte sie sich wenigstens eine Auszeit erlauben, was das Hören anging.

Ein Knurren direkt hinter ihr, ihr Schrei - Moths Schrei-

Mit den Fingerspitzen fuhr sie die tiefe Narbe nach, die sich quer über ihre ganze Wange streckte. Verheilt, sagte sie sich selber. Es ist vorbei.

Nun, wenn man von den monatlichen Verwandlungen absieht, kommentierte eine Stimme in ihrem Kopf wenig hilfreich.

Trotzdem, sie war hier sicher. Sicher.

Sicher wie Moth heute Nacht?

Eine Hand legte sich auf ihre Schulter und sie konnte nicht anders, als heftig zusammenzuzucken.

"Sorry. Bist du okay?", gebärdete Cam und lehnte sich ihr fragend entgegen.

"Ja. Und du?", gab sie die Frage zurück.

Camille nickte und grinste matt. "Ich brauche neue Klamotten."

Vorsichtig schob sie sich von der Kommode zur nächsten Wand, denn ihren Beinen traute sie noch immer nicht richtig, und beobachtete Cam, wie sie durch die Schubladen kramte.

Restless | ONC 2024 ✓Where stories live. Discover now