Kapitel 1 - Der Gestank der Sünde

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Sariel schleppte sich durch die regennassen Straßen der verrauchten, stinkenden Stadt London

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Sariel schleppte sich durch die regennassen Straßen der verrauchten, stinkenden Stadt London. Das trübe Gaslicht der Straßenlaternen flackerte vereinzelt auf den Bürgersteigen des heruntergekommensten Teils von Whitechapel. Sariel oder auch von den Menschen plump 'Sam' genannt, hasste dieses Viertel und wusste gleichzeitig, dass es nirgendwo mehr Arbeit für ihn gab als an diesem gottverlassenen Flecken Erde.

So wunderte es den Seraphim nicht, dass sich die Spur, der er seit Tagen gefolgt war, ausgerechnet inmitten dieses Knäuels der Verderbnis, verlor. Hier hing der Geruch so schwer in der Luft, dass ihm das Atmen schwerfiel: der Gestank von Tod und Sünde, ein widerliches Odeur, bitter auf der Zunge und brennend scharf im Abgang. In Whitechapel war das Elend zu Hause. Zusammengekauerte Gestalten nahe dem Tode hockten wie Deck in allen Ecken neben Unrat und Schrotthaufen.

Jüngere, unerfahrene Seraphim hätten sich vielleicht davon abschrecken lassen, wie verkommen und abstoßend diese Welt bereits war... trotz ihres Werkes, das den Menschen helfen sollte und ein Geschenk war, das sie einfach nicht verdienten. Aber es war ihre Aufgabe, die Sünder auf den rechten Weg zu führen und die, für die es keine Hoffnung mehr gab, davon abzuhalten, den Geschöpfen dieser Welt noch mehr Schaden zuzufügen. Eine Aufgabe, die durchaus erfüllend sein konnte, wenn man bedachte, dass sie zu diesem Zweck geschaffen worden waren.

Aber alles hatte seinen Preis.

Man konnte sich nicht zwischen dem stinkenden Mist bewegen, ohne dabei schmutzig zu werden. Sariel machte sich schon lange nichts mehr vor: Er hatte so viel von dem himmlischen Licht verloren, das einst seine Adern erfüllt hatte, dass er fürchtete, sich bald nicht einmal mehr an das Gefühl der Vollkommenheit erinnern zu können. Vor einer Zeit, die ihm wie eine Ewigkeit vorkam, hatten ihm der Gedanke und der Glaube an ein höheres Ziel genügt, um diese verdorbene Welt zu ertragen. Aber wenn man so lange unter den Sterblichen Kreaturen wandelte, ihre Abscheulichkeiten und Abgründe gesehen hatte, dann veränderte man sich oder verlor den Verstand. Vielleicht sogar beides. Doch es gab eine Sache, die ihn den Schmutz und das Elend um ihn herum vergessen ließ. Eine Einzige, die alles erträglicher machte... zumindest für eine Weile.

Feenlicht.

Schon das Wort zerging auf der Zunge wie Honig, doch der Goldstaub, um den es sich dabei handelte, wirkte auf die meisten Wesen und auch Seraphim wie ihn berauschender als jeder Sieg, den Sam in seinem Leben je hatte erringen können.

Er wusste wie mies dieses Zeug eigentlich war. Es wurde aus der Magie der Sidhe, Hesperiden oder des Feenvolkes gewonnen... man konnte sie nennen wie man wollte. Das Feenlicht zu gewinnen war so kompliziert wie das Volk der Anderswelt selbst: Vor allem sehr starke Gefühle lösten die winzigen Partikel von ihrer physischen Hülle. Doch die meisten Feen waren alte Wesen und entsprechend kontrollierte Biester, was ihre Emotionen anging. Nicht die Fratzen, mit denen sie Sterbliche oder andere Wesen imitierten, sondern echte Gefühle.

Nahm ein Seraph Feenlicht zu sich, fühlte er sich im wahrsten Sinne erleuchtet. Es schärfte die Sinne, erfüllte die Adern mit jenem goldenen Feuer, das einst ihre himmlische Art ihnen eingehaucht hatte. Und es sorgte dafür, dass Sariel sich wenigstens für ein paar Stunden nicht völlig überwältigt von der unmöglichen Aufgabe fühlte, die Erde von all dem Übel zu reinigen, mit dem sie vergiftet war.

Von Gold & SündenWhere stories live. Discover now