8 | Der Tag, an dem Peter unsichtbar wurde

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Als Peter am Montag in die Schule kam, passierte genau das, was er befürchtet hatte. Schon als sein Vater ihm aus dem Auto half, spürte er die Blicke seiner Mitschüler auf sich. Einige fingen an zu tuscheln.

„Er ist wieder da."

„Habt ihr die Krücken gesehen?"

„Ob er so an der Meisterschaft teilnehmen kann?"

„Ich möchte nicht mit ihm tauschen!"

Peter versuchte, die Blicke und das Gerede zu ignorieren und konzentrierte sich darauf, den Weg bis zum Haupttor möglichst ohne große Aufmerksamkeit zu verursachen, zurückzulegen. Doch an der großen Treppe sah er sich auf einmal einem Problem gegenüber. Die Stufen hatte er gar nicht so hoch in Erinnerung gehabt. Als er noch überlegte, ob er lieber außen rum gehen und die Rollstuhlrampe nehmen sollte, legte sich auf einmal eine große Hand auf seine Schulter. „Kann ich dir behilflich sein, Shaw?"

Erleichtert atmete Peter aus. „Bin ich froh, dass du hier bist, Jeff. Kannst du eine Krücke halten, dann nehme ich den Handlauf bis nach oben." Jeffrey lächelte freundlich und nahm Peter die Krücken ab, um ihm danach auf der Innenseite der Treppe seine Schulter anzubieten. „Komm schon, wir schaffen das", meinte Jeff und gemeinsam gingen sie die Treppe nach oben.

„Scheiß Stufen", fluchte Peter, als Jeff ihm oben angekommen die Krücken wiedergab. „Morgen komme ich mindestens zehn Minuten früher, das schwöre ich dir."

„Soll ich dich abholen? Dann musst du nicht mit deinem Dad kommen. Peter grinste. Jeff hatte bereits einen Führerschein und einen schmucken Sportwagen zum Geburtstag bekommen.

„Wenn ich einmal in diesem Auto sitze, bekommst du mich da nicht wieder raus", lachte er, da der Einstieg so niedrig war. „Aber ja, das klingt gut. Dann muss ich mir auch nicht diese mitleidigen Blicke antun."

In diesem Moment klingelte die Schulglocke. So schnell es ihm möglich war, begaben sich Peter und Jeff zu ihrer ersten Unterrichtsstunde. Auch hier musste Peter zunächst den neugierigen Blicken standhalten. Nach der dritten Stunde jedoch schienen sich seine Mitschüler an die neue Situation gewöhnt zu haben und beachteten ihn fast gar nicht mehr. Doch das war ihm lieber, als immerzu angestarrt zu werden.

Als er in der Pause zu seinem Spind kam, stellte er fest, dass auch beim Aufschließen der Tür die Krücken ihn mehr behinderten als halfen. Als sein Fach endlich aufsprang, fiel ihm fast ein dickes Mathebuch auf den kaputten Fuß. Er wollte sich gerade danach bücken, als zwei Hände bereits danach griffen und es ihm reichten.

„Danke", sagte Peter, erleichtert, dass er sich nicht bücken musste und griff nach dem Buch.

„Gern geschehen!", sagte eine ihm bekannte Stimme. Peter sah auf. Er blickte in ein freundliches Gesicht mit Sommersprossen und strahlend blauen Augen. Fast hätte er ihn nicht erkannt, doch dann ließ das Lächeln des Jungen ein angenehmes Kribbeln in seiner Magengegend aufkommen, und er wusste, wen er vor sich hatte.

„Bob?", fragte er erstaunt. „Du... ich habe dich fast nicht erkannt! Wo ist deine Brille?"

Bob zuckte verlegen mit den Schultern. „Ich trage jetzt Kontaktlinsen. Wollte ich schon immer mal ausprobieren. Wie geht es dir? Ich wollte mich bei dir melden, aber ich wusste nicht, ob du vielleicht noch Ruhe brauchst..." Bobs Hände spielten nervös mit dem Buch, dass er noch immer fest umschlossen hatte.

„Es... es geht mir so weit gut", meinte Peter und sah dabei auf seine Hand, die ebenfalls das Buch festhielt. „Ich muss mich noch an die Krücken gewöhnen, die nerven mich total", lies er seinem Frust freien Lauf.

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