1 | Der Tag, an dem sich alles änderte

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06:30 Uhr

Peter war bereits vor dem Weckerklingeln wach und hatte schon Zähne geputzt, als das monotone Piepen seine morgendliche Routine einleitete. Noch vor dem Frühstück schlüpfte er in seine Turnschuhe und drehte eine erste Runde um den Block, bevor er den Weg zum Strand einschlug.

Die aufgehende Sonne tauchte den Himmel langsam in ein sanftes Orangerot. Peters Atem wurde allmählich eins mit dem Klang seiner Schritte auf dem Sandweg, der sich hier so Nahe der Küste entlang der Klippen Richtung Norden wandte. Sein Herz schien im Takt mit dem rhythmischen Rauschen der Brandung zu schlagen.

Für Peter waren diese stillen Augenblicke des Tages kostbar. Bald würde er wieder unter seinen Mitschülern an der Highschool sein, oder auf dem Spielfeld mit den Teammitgliedern des Basketball- und Fußballteams. In beiden Sportarten war er äußerst erfolgreich, und beim diesjährigen Sportfest würde er erneut glänzen müssen, um seine Chancen auf ein Stipendium zu erhöhen.

Erst am Abend, wenn seine Eltern ihn wegen seiner schlechten Noten nicht mehr nervten oder ihn zum Lernen verdonnerten, konnte er in der Ruhe seines Zimmers wieder abschalten. Vielleicht konnte er sich auch noch einmal mit Bob treffen. Der Ausflug zum Leuchtturm war etwas ganz Besonderes gewesen, aufregend und anders. Mit etwas Glück könnten sie in den nächsten Tagen noch einmal dort hinfahren.

Der Gedanke, Zeit mit dem freundlichen Nerd zu verbringen, zauberte ihm ein Lächeln auf die Lippen. Peter konnte gar nicht genau sagen, warum er seit einigen Wochen immer wieder an den ruhigen, aber sehr schlauen Schüler dachte, der ihm jahrelang kaum aufgefallen war.

Er wusste, dass Bob schon seit Jahren in den gleichen Jahrgang ging, doch ihre Kurse hatten sich nur minimal überschnitten. Erst in diesem Jahr hatten sie beide das Fach „Astronomie" gewählt. Bob, weil es ihn wirklich interessierte und Peter, weil er dachte, es wäre ein leicht zu bestehender Kurs über Sternzeichen und ihre Bedeutung. Dass Astronomie nicht dasselbe war wie Astrologie, wurde ihm erst mit Mr Harris' Einführung in das Thema bewusst. In diesem Moment zuzugeben, dass er sich geirrt hatte, war ihm einfach zu peinlich gewesen, daher hatte er die Klasse in dem Glauben gelassen, sich brennend für Sterne zu interessieren. Bob, neben dem er bei der Sitzplatzauswahl zufällig gelandet war, hatte ihn in dieser Stunde angesprochen und Peter hatte Interesse an den Themen vorgetäuscht, die Bob so enthusiastisch erklärt hatte.

Am Nachmittag hatte Peter sich in die Bibliothek begeben, um sich die passenden Bücher über das Weltall zu besorgen, damit er in der nächsten Stunde nicht völlig unvorbereitet dastünde. An der Ausleihtheke war er erneut auf Bob getroffen, der hier neben der Schule für ein kleines Taschengeld jobbte. Peter fand es bemerkenswert, dass Bob sich neben der Schule auch privat mit Büchern umgab und so wissbegierig war.

Seit diesem Tag, achtete Peter mehr auf den Jungen, der nun immer wieder in seiner Nähe aufzutauchen schien. War er vorher auch immer zu den Basketballspielen gekommen? Wie stark war sein Interesse an Leichtathletik wirklich? Und warum fiel es Peter auf, dass er öfter lächelte als andere?

Als Bob ihn in der letzten Woche fast schüchtern gefragt hatte, ob Peter sein Projektpartner sein wolle, hatte Peter nur zu gerne zugestimmt. Und gestern Abend... Ja, da hatte er kurz das Gefühl gehabt, dass da mehr zwischen ihnen war, als er bis dahin gedacht hatte. Was genau das sein sollte, konnte er nicht sagen. Nur eines wusste er mit Gewissheit: Es war magisch gewesen.

 Nur eines wusste er mit Gewissheit: Es war magisch gewesen

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07:30 Uhr

Als Peter bereits vierzig Minuten lang gejoggt war und frisch geduscht vor einer gewaltigen Portion Toast und Porige saß, hatte Bob zum dritten Mal die Mute-Taste seines Weckers betätigt. Als das störende Geräusch abermals zum Klingeln ansetzte, gähnte er geräuschvoll und öffnete, aller Müdigkeit zum Trotz, die Augen.

Die vergangene Nacht war spät geworden. Nach ihrem kleinen Ausflug zum Leuchtturm hatte Bob die Koordinaten des Objekts in ein Online-Verzeichnis eingegeben. Nachdem er keine weiteren Einträge gefunden hatte, beschrieb er seine Beobachtung und hinterlegte die Fotos mit allen weiteren Details. Es war bereits weit nach Mitternacht gewesen, als er endlich zur Ruhe gekommen war.

Quälend langsam mühte er sich nun aus seinem warmen Bett, stellte die Füße auf dem Boden und tastete nach seiner Brille, die neben seinem gelben Tagebuch auf dem Nachtschrank lag. Herzhaft gähnend fiel sein Blick schließlich auf die Kamera, die er auf einem Regal neben dem Schreibtisch abgelegt hatte. Er hatte sich die Bilder von dem unbekannten Objekt gestern nur kurz angesehen, aber nun brannte er darauf, sie bei Tageslicht noch einmal genauer zu betrachten.

Mit neuer Energie stand Bob auf und ließ sich am Schreibtisch nieder, die Kamera fest in seinen Händen und die Augen konzentriert auf das Display gerichtet. In der vergangenen Nacht hatte er zunächst vermutet, dass er möglicherweise einen neuen Satelliten gesehen hatte. Doch seine Recherche im Forum und auf der offiziellen Seite für Himmelskörper-Sichtungen bestätigte ihm, dass es weder ein Satellit noch ein bekanntes anderes Objekt gewesen war. Vielleicht, überlegte Bob, war der Meteor, den sie gestern als Sternschnuppe am Himmel gesehen hatten, Teil eines Kometen, der bisher noch nicht kartiert worden war. Obwohl es äußerst selten vorkam, dass Hobby-Astronomen wie er eine solche Entdeckung machten, war es doch in den vergangenen Jahrzehnten durchaus immer wieder vorgekommen.

Ein Blick auf die Website verriet ihm, dass sein Beitrag noch letzte Nacht mehrmals angesehen worden war. Mit Glück würde er in den nächsten Tagen eine Antwort auf die Frage bekommen, ob noch jemand das Objekt gesehen hatte.

„Robert! Aufstehen, du musst zur Schule!" Das Rufen seiner Mutter ließ Bob zusammenfahren.
„Ja doch!", rief Bob ungehalten zurück und schaltete Kamera und den Laptop aus.

Mit einer Scheibe Toast noch halb im Mund machte er sich viel zu spät auf den Weg in die Schule.


Verwünscht (ONC 2024)Where stories live. Discover now