5 | Der schlimmste Tag aller Zeiten (2)

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Es war kurz vor Spielende und selbst Justus hatte inzwischen das Basketballfieber gepackt. Peters Mannschaft war es tatsächlich gelungen, den Rückstand von der Halbzeit aufzuholen und hatte kurz vor Ende noch die Möglichkeit auf einen Ausgleich. Peter war in Topform und dribbelte auf den gegnerischen Korb zu. Eine Mauer aus Gegnern baute sich um ihn auf und er sah keine Chance den Ball an einen Mitspieler abzugeben.

Bob ballte die Hände in seinen Schoß, so sehr nahm ihn die Spannung des Spiels gefangen. Auch Justus starrte gebannt auf das Spielfeld und hatte die letzten Minuten sogar vergessen, sich Notizen auf seinen Ringblock zu machen.

Peter stand unter Druck. Die Ziffern der Uhr zählten gnadenlos gegen Null. Er hatte nur diese eine Chance. Er musste es versuchen.
Seine Hände griffen nach dem Ball und er festigte seinen Stand. Plötzlich schien die Halle den Atem angehalten zu haben.

„Was macht er da?", fragte Justus irritiert.
„Er will einen Drei-Punkte-Wurf wagen und uns den Sieg holen", keuchte Bob. Nun drückte er seine Daumen nur noch fester, so sehr, dass sie beinahe schmerzten. Justus griff sofort nach seiner Kamera, um diesen potenziell historischen Moment für die Nachwelt festzuhalten.

Peter visierte den Korb an, ging ein wenig in die Hocke und sprang. Sein rechter Arm ging mit dem Ball in die Höhe; seine Beine hoben vom Boden ab; für einen Moment schien die Welt um ihn herum still zu stehen.

Die Uhr über dem Korb zeigte noch fünf Sekunden an. Peter war an höchsten Punkt angekommen.

Vier. Seine Gegner sprangen ebenfalls hoch. 

Drei. Peter knickte die Hand ein.

Zwei.

Ein Ruck ging durch Peters Körper. Schmerzen durchschossen seine Magengegend und sein Arm wurde nach hinten gerissen. Mit dem Schrillen der Glocke, die das Ende des Spiels verkündete, landete der Basketball neben Peter auf dem Boden. Im gleichen Augenblick kam auch Peter auf. Ein lautes Knacken, gefolgt von einem heftigen Schmerz in Peters rechtem Fuß, ließen den Sportler laut aufschreien und dann zu Boden sinken.

Bob musste hilflos mit ansehen, wie Peter zwischen den Spielern der Bulldogs zu Boden ging und plötzlich das Feld von Spielern und Zuschauern beider Teams bevölkert wurde, die sich anschrien und sich gegenseitig am liebsten an die Gurgel gehen wollten. Es war, als ob plötzlich ein Krieg auf dem Spielfeld tobte.

„PETER!", schrie er in die Hektik, die inzwischen ausgebrochen war und versuchte, sich nach vorne zum Spielfeld vorzuarbeiten. Doch Justus hielt ihn am Arm zurück.

„Hier lang", rief er und zog Bob hinter sich her. Mit dem Strom panischer Teenager folgten sie ein paar Lehrkräften aus der Halle. Kurz hinter der Tür, zog Justus Bob zur Seite und sie bogen ein paar Meter weiter unbemerkt in einen Gang ein, der zu den Sanitätsräumen führte. „Was hast du vor?", wollte Bob wissen, als Justus ihn den Gang entlangführte.

„Du willst doch zu Peter, oder?", flüsterte er. Bob nickte zustimmend. „Sie haben ihn vermutlich in den Erste-Hilfe-Raum gebracht. Der liegt da vorne, gleich neben der Besenkammer. Du versteckst dich und ich lenke den Trainer ab."

„Ich soll mich in der Besenkammer verstecken?"

„Willst du zu Peter, oder nicht?" Bob nickte schwach. Dann zog Justus die Tür auf und schloss sie hinter Bob wieder. Eine Weile war es still. Dann hörte er Stimmen.

„Mr Jonas, Sie dürfen nicht in den Bereich der Spieler! Gehen Sie bitte mit den anderen Schülern aus der Halle!" Bob konnte deutlich die Stimme des Basketballtrainers erkennen.

„Sie irren sich, Mr Garland", sagte Justus gelassen. „Ich bin im Namen der Schülerschaft hier und möchte sie gerne exklusiv interviewen. Also, die Schüler interessiert natürlich ungemein, wie dieses fiese Foul gehandhabt werden wird. Wird es eine Wiederholung geben? Oder wird der Sieg der Bulldogs unfairerweise anerkannt? Wie geht es dem gefoulten Spieler? Wie sehen sie die Chance auf das Saisonziel, wenn ihr bester Spieler längerfristig ausfallen sollte?"

„Ich möchte hierzu heute keine Stellung nehmen", sagte der Trainer genervt. Bob grinste in der Dunkelheit. Justus konnte ziemlich hartnäckig sein. Er würde irgendwann mal einen guten Detektiv abgeben.

„Ach kommen Sie, Trainer Garland! Nicht mal ein winzig kleines Interview? Ansonsten werde ich meine persönlichen Beobachtungen in den Artikel mit einfließen lassen."

Bob hörte den Trainer schnauben. „Fünf Minuten!", hörte Bob ihn sagen und dann, wie sich die Schritte von seiner Tür entfernten. Gerade wollte er die Tür öffnen, als er eine neue Stimme hörte.

„Wie geht es ihm, Doc?" War das Jeffrey Palmer? Bob kannte Peters besten Freund vom Sehen. Er war der typische Sunny-Surfer-Boy der Schule und ebenfalls im Basketballteam.

„Ich kann Ihnen leider keine Auskünfte geben, Mr Palmer, aber er wird Sie sicher morgen selbst informieren. Wie geht es den anderen Spielern?"

„Ein paar blaue Augen und Blessuren, nichts Dramatisches", hörte er Jeffrey sagen.

„Na gut, sehen wir uns das mal an!", sagte der Arzt und Bob hörte erneut sich entfernende Schritte.

Erleichtert, dass er die Besenkammer nicht vorzeitig verlassen hatte, drückte er nun langsam die Klinke hinunter. Vorsichtig steckte er den Kopf durch die Tür und schaute in den Gang. Er war leer. Eilig schlüpfte er aus der Besenkammer und stand nun vor der Tür des Erste-Hilfe-Raumes. Leise klopfte er an.

„Ja?" Peters schwache Stimme drang durch die Tür.
„Hey, ich bin's. Bob." Ein paar Sekunden hörte Bob nichts. Dann vernahm er ein schwaches „Komm rein".

Als Bob den Raum betrat, hoffte Peter, dass er nicht zu fertig aussah. Der Arzt hatte ihm ein starkes Schmerzmittel gegeben und seine Eltern angerufen. Sein verletzter Fuß lag auf der Liege und war inzwischen schon blau angelaufen. Peter hob nur kurz den Kopf, als Bob die Tür wieder schloss. Dann kam er langsam auf Peter zu.

„Hey, wie geht es dir?" In Bobs Stimme lagen Sorge und Mitgefühl.

„Beschissen", lachte Peter auf und bereute es sogleich, weil die Bewegung in seinem Fuß Schmerzen auslöste.

„Es tut mir so leid!", sagte Bob und stellte sich direkt neben Peters Liege. „Heute ist wirklich ein komischer Tag. Erst Mrs Bennett, jetzt du..."

„Sag mal", unterbrach ihn Peter. „Wie bist du hier reingekommen? Nicht mal Jeff haben sie reingelassen."

Bob lächelte und griff unbewusst nach Peters Hand, die an der Kante der Liege lag. „Justus hat mich reingeschmuggelt", sagte er leise und streichelte über Peters Handrücken. Peter wusste gar nicht, was er zuerst verarbeiten sollte. Die Tatsache, dass Bob hier bei ihm war, oder, dass Justus ihm dabei geholfen hatte. Und warum hatte Bob seine Hand genommen? Und warum, verdammt, fühlte es sich so gut an?

„Warum bist du hier?", fragte er das Naheliegende. Bob streichelte weiter Peters Hand und räusperte sich dann.

„Ich habe mir Sorgen um dich gemacht", flüsterte er schüchtern.

„Warum?", fragte Peter. Bob sah auf. In seinen Augen versuchte Peter zu lesen, was er gerade dachte, aber alles, was er sah, war die gleiche Verwirrung, die auch in seinem Kopf herrschte.

Peter sah auf die Hand, die seine hielt und dachte daran, dass er sich genau diese Berührung erst gestern gewünscht hatte. Allerdings war er in seiner Fantasie nicht in einem Krankenzimmer gewesen. Gerade wollte er den Mut fassen und genau das zu Bob sagen, als er Schritte und Stimmen auf den Gang vernahm.

Verwünscht (ONC 2024)Hikayelerin yaşadığı yer. Şimdi keşfedin