7 | Ein neuer Tag

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Das Licht der aufgehenden Sonne fiel in das Fenster des kleinen Zimmers und weckte Bob, der aus einem merkwürdigen Traum erwachte. Er versuchte sich an die Details zu erinnern, doch je mehr er sich anstrengte, dem Traum nachzuspüren, desto mehr entglitt er ihm, bis er schließlich nicht mehr als eine wage Ahnung war.

Bob rieb sich die Augen und überlegte, erst einmal eine Dusche zu nehmen, um richtig wach zu werden. Als die ersten Tropfen des warmen Wassers angenehm über seinen nackten Rücken liefen, ließ er die Gedanken zu dem gestrigen Tag und besonders dem aufregenden Abend schweifen.

Das alles kam ihm so unwirklich vor. Und je mehr er darüber nachdachte, desto sicherer wurde er sich, dass dieser Tag alles andere als gewöhnlich gewesen war. Erst die Entdeckung des Kometen, dann die Nachricht von Mrs Bennett, und zum Schluss Peters Verletzung... das war ziemlich viel gewesen für einen einzigen Tag.

Doch vielleicht maß er dem Ganzen auch nur zu viel an Bedeutung zu, weil er so viel Aufregung nicht gewohnt war. Normalerweise verliefen seine Tage eher ruhig, ohne außergewöhnliche Vorkommnisse. Aber hatte er sich nicht insgeheim ein aufregenderes Leben gewünscht? Eines, in dem endlich mal etwas passierte? In dem er die Hauptrolle spielte und nicht nur ein netter Nebencharakter war? In dem er der Held war, der etwas erlebte und der am Ende seine wahre Liebe fand?

Als er so in der Dusche stand und an sich heruntersah, überkamen ihn Zweifel. Er würde nie der Supersportler sein, so wie Peter, oder so schlau wie Justus oder so gutaussehend und beliebt wie Jeffrey. Aber er konnte wenigstens versuchen, das Beste aus sich herauszuholen. Die kurze Zeit mit Peter im Krankenzimmer, als er für ein paar Sekunden seine Hand gehalten hatte, hatte in Bob den Wunsch verstärkt, seine Aufmerksamkeit zu erlangen. Er wollte, dass Peter ihn wahrhaftig sah. Nicht nur als Projektpartner oder einen stillen Bewunderer, sondern als der, der er war.

Als Bob Andrews, den vielleicht etwas stillen aber vielseitig interessierten Jungen, der gerne in den Nachthimmel schaute, fotografierte und Bücher las. Mit dem man aber auch viel Spaß haben konnte. Der ehrlich war und fröhlich.

Der Peter mochte, weil er mutig war und auch ein bisschen ängstlich. Weil Peter für sein Team alles gab und sich selbst dabei nicht in den Vordergrund stellte. Der ein Herz für Tiere hatte und der so wunderbar lächeln konnte. 

Mit plötzlichem Herzklopfen dachte Bob an den Moment kurz vor der zweiten Halbzeit, als Peter ihn angesehen und gelächelt hatte. Bob war sich fast sicher, dass das Lächeln nur ihm gegolten hatte. Zumindest hatte er niemanden in seiner Nähe bemerkt, dem er das Lächeln sonst zugeschrieben hätte. Die Cheerleader um Kelly Madigan, standen am Spielfeldrand und Justus hatte er sicher nicht gemeint. Er wünschte sich so sehr, dass dieses Lächeln etwas zu bedeuten hatte. Dass es nicht nur eine höfliche Geste gewesen war. Denn sein Magen hatte bei diesem Anblick so unverschämt wohl gekribbelt.

Als er endlich neben Peters Krankenbett gestanden hatte, hatte dieser ihm eine Frage gestellt: „Warum bist du hier?" Ja, warum war Bob überhaupt gekommen?

Ihm zu sagen, dass er sein Herz an ihn verschenkt hatte, in dem Moment, als er sich in Astronomie neben ihn gesetzt hatte, konnte er nicht über seine Lippen bringen. Die Angst davor, dass Peter seine Gefühle nicht erwidern könnte, war übermächtig. Vielleicht würde Peter ihn abweisen und ihn danach meiden. Denn selbst wenn Peter Interesse an Männern hätte, würde er bestimmt nicht Bob wählen. Er würde jemanden wie Jeffrey bevorzugen – jemanden, der seinem eigenen Charme ebenbürtig war.

Da fiel Bob plötzlich etwas ein. Er schaltete das Wasser ab und trat aus der Dusche. Der Spiegel im Badezimmer war vom heißen Dampf beschlagen und er wischte die Tropfen darauf mit der Hand beiseite, so dass er die unscharfen Züge seines Gesichts erkennen konnte. Ein Gedanke schlich sich in seinen Verstand: Würde Peter ihn ohne Brille vielleicht besser finden?

„Willkommen zuhause, Sohn!", begrüßte Peters Vater ihn herzlich, als er die Beifahrertür des Wagens öffnete und ihm half, auszusteigen

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„Willkommen zuhause, Sohn!", begrüßte Peters Vater ihn herzlich, als er die Beifahrertür des Wagens öffnete und ihm half, auszusteigen. Sofort reichte er ihm die Krücken, die Peter im Krankenhaus erhalten hatte. Noch etwas wackelig auf den Beinen, schaffte es Peter mit Hilfe seines Vaters bis zur Haustür. Die beiden Stufen bis zur Schwelle würden noch etwas Übung brauchen, dachte Peter, als er diese erste Hürde endlich erfolgreich gemeistert hatte.

In der Küche angekommen ließ er sich stöhnend auf einen Stuhl fallen. „Ich habe jetzt schon keine Lust mehr auf die Krücken", sagte er zu seiner Mutter, die ihm einen leckeren Pfannkuchen vor die Nase stellte. Peter freute sich zwar über diese liebgemeinte Geste, zweifelte aber auch daran, dass das süße Teigding seinen Unmut über seine Situation langfristig bessern würde.

„Du wirst dich schon noch daran gewöhnen", meinte seine Mutter und streichelte liebevoll über Peters Kopf. „Es ist ja nur für ein paar Wochen!"

„Ein paar Wochen sind sehr viel, Mum!", regte sich Peter auf. „Ein paar Wochen bedeuten, dass ich die Saison vergessen kann!"

„Vielleicht ist das jetzt der richtige Zeitpunkt, dich wieder mehr auf deine anderen schulischen Leistungen zu konzentrieren", schlug sein Vater vor. „Wir haben uns viel zu lange hinter deinen sportlichen Erfolgen versteckt. Sieh es einfach als Chance, deine anderen Fähigkeiten weiter auszubauen. Und wenn du nächstes Schuljahr wieder fit bist, schaffst du es bestimmt auch wieder ins Team."

„Ich will aber nicht bis nächstes Jahr warten", murrte Peter und schob den Teller mit dem Pfannkuchen von sich. „Ich will dieses Jahr dabei sein. Ich will mit Jeff und den anderen die Meisterschaft gewinnen und Hotdogs essen und..." Bob beeindrucken, hätte er fast gesagt, sich dann aber dagegen entschieden. Das mussten seine Eltern nun wirklich nicht wissen, dass er jemanden mochte.

„Wir verstehen, dass du wütend bist und dich erst mit der Situation anfreunden musst. Wir wollen dir dabei, so gut es geht, helfen. Also haben wir uns überlegt, dass du für die Zeit, in der dir das Treppensteigen schwerfällt, hier unten im Gästezimmer schlafen kannst." Peters Mutter sah ihren Sohn liebevoll an und Peter konnte nicht anders, als ihr dankbar zu sein. Er wusste, dass seine Eltern es gut mit ihm meinten und ihm helfen wollten. Also zog er den Teller mit dem Pfannekuchen wieder zu sich und begann zu essen.

„Übrigens", meinte sein Vater, „dein Freund Jeffrey hat angerufen und sich nach dir erkundigt. Ich habe ihm gesagt, dass es dir den Umständen entsprechend gut geht und du dich meldest, wenn dein Handy wieder aufgeladen ist."

„Hat noch jemand für mich angerufen?", fragte Peter neugierig. Für einen kurzen Augenblick hoffte er, dass Bob vielleicht an seine Nummer gekommen war und sich gemeldet hatte. Doch er wurde enttäuscht.

„Nein, sonst hat niemand angerufen. Hattest du jemanden erwartet?", hakte sein Vater interessiert nach.

„Nein", meinte Peter sichtlich enttäuscht. „Niemanden."

Verwünscht (ONC 2024)Where stories live. Discover now