Kapitel 5 - Ungeplante Übernachtung

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Pietro sah Minerva nachdenklich an. Er konnte sich nicht mehr an alles erinnern, was passiert war oder wie er wieder zurück zum Stark Tower gekommen war, doch irgendetwas musste vorgefallen sein, denn vor ihm saß eine Zivilistin, die sich wohl unglaublich unwohl fühlte. Zumindest ließ Minervas Gesichtsausdruck darauf schließen. Er konnte sich auch nicht ganz erklären, warum sie mit ihm hier im Stark Tower saß. Hatte sie ihm nicht geschrieben, dass sie versuchen wollte, an Nahrungsmittel zu kommen? Wanda, die neben ihm saß, schien seinen irritierten Blick mitbekommen zu haben.
"Du hast sie davor gerettet, von einer Dachlawine erschlagen zu werden und hast dich dabei übernommen. Dabei bist du dann bewusstlos geworden. Tony wollte sie dann mitnehmen, als er mitbekommen hat, dass sie die Kassiererin ist, von der du uns erzählt hast", erklärte Wanda, die neben ihm saß.
"Nicht, dass ich das gewollt hätte", grummelte Minerva.
"Aber das war nicht der einzige Grund, warum ich Miss Tintenklecks hier, in mein bescheidenes Heim eingeladen habe", verkündete Tony lautstark, welcher gerade zur Tür des Krankenzimmers, in dem PIetro aufgewacht war, hereinkam und wohl die Konversation mitverfolgt hatte. Pietro sah Minerva verwirrt an. Dann fielen ihm ihre schwarzen Finger auf. "Denn unsere nette Kassiererin hat dich auch gerettet, Pietro. Meine Drohnen haben einige interessante Entdeckungen gemacht. Wie zum Beispiel einen völlig frei geschmolzenen Weg oder mehrere Liter schwarze Tinte - wie sich herausgestellt hat - die diesen Weg sehr merkwürdig aussehen lassen", erklärte Tony weiter.
Fiona verfluchte sich innerlich und biss sich auf die Innenseite ihrer Wange. Sie hatte tatsächlich vergessen, die Tinte zurück in Wasser zu verwandeln. Was ein amateurhafter Fehler.
"Wer sagt denn, dass ich das war?", versuchte sie, sich kläglich aus der Situation zu retten. Tony schnaufte amüsiert. "Nunja, zum einen deine schwarzen Finger-","Ich hab mit Tinte gearbeitet als ich Tarotkarten bemalt habe", sie blickte Pietro an - "Ich habe dir sogar ein Foto davon geschickt", verteidigte sie sich weiter. "Ich weiß, ich hab das Foto auch gesehen. Nebenbei - du hast echt Talent. Aber wie erklärst du uns deine mit Tinte befleckten Schuhe?", führte auch Tony seine Argumente weiter. "Mir ist beim Malen ein Missgeschick passiert und die Tinte, die ich verwendet habe, ist mir heruntergefallen. Und dann bin ich zu allem Überfluss auch noch reingetreten.", erwiderte Fiona schlagfertig. "Gut, und wie erklärst du dir dann das?"
Tony holte ein Tablet hervor und spielte darauf ein Video ab, das zeigte, wie Pietro bewusstlos auf ihr lag und der Schnee, den sie verwandelt hatte, drohte, sie zu begraben. Im nächsten Moment war zu sehen, wie sich die kalte weiße Masse in eine schwarze glänzende Flüssigkeit auflöste und, wie von einer unsichtbaren Kraft gelenkt und in einem Fluss gesammelt, an der Wand herunter floss und dann spurlos verschwand, anstatt auf die beiden nieder zu regnen. Zur Bestätigung zoomte Tony noch einmal extra nah an ihr Gesicht, um zu zeigen, dass es sich wirklich um sie handelte.
Fiona spürte, wie ihr jegliches Blut aus dem Gesicht wich. Sie seufzte ergeben und ließ sich weiter in ihren Stuhl sinken. "Und was wollen Sie jetzt machen?", fragte sie mürrisch. Sie würde gerade sehr viel lieber in ihrer Wohnung sitzen und Kuchen genießen, als hier sein zu müssen. "Warum bleibst du nicht einfach hier?", fragte nun Pietro. Der sah sie aufmunternd an. "Stimmt, warum nicht, wir könnten sie zu einem Avenger ausbilden", stimmte Steve zu, der Fiona die ganze Zeit aus der hintesten Ecke des Raums beobachtet hatte. Fiona wurde schlecht und sie starrte auf den Boden. Die Idee, auf Kommando die Welt retten zu müssen, gefiel ihr ganz und gar nicht. Nein, sie wollte kein Avenger werden.
Auf einmal spürte sie wieder ein kleines Zwicken in ihrem Kopf und versuchte es mit gerunzelter Stirn zu verdrängen. Nur blieb es dieses Mal hartnäckig und schien nicht verschwinden zu wollen.
Pietro bemerkte den komischen Blick, den Minerva aufgesetzt hatte und sah verärgert zu seiner Schwester, die Minerva ganz fokussiert anstarrte. Er stieß Wanda in die Seite, die daraufhin empört zu ihm aufblickte.
Sowohl Steve als auch Tony hatten die kurze Auseinandersetzung der Geschwister mitbekommen und sahen die Rothaarige nun neugierig an.
"Erleuchte uns Wanda. Was denkt die kleine Tinten Maschine gerade?", harkte Tony nach.
Fiona bemerkte, dass das Zwicken in ihrem Kopf wieder stärker wurde, nachdem es kurz nachgelassen hatte und sah irritiert zu Wanda, die sie sehr konzentriert anstarrte. Fiona verstand schnell. Niemand, der hier im Raum saß, außer vielleicht Pietro, war ihr gegenüber gut gesinnt und das Zwicken war Wanda, die wahrscheinlich versuchte ihre Gedanken zu lesen oder so etwas ähnliches. Fiona konzentrierte sich auf das Zwicken und versuchte angestrengt, es aus ihrem Kopf zu verbannen und ihre Gedanken hinter zahlreichen gedanklichen Mauern zu verschanzen. Dabei starrte sie Wanda mindestens genauso intensiv an.
"Wanda?", fragte Tony verwirrt nach. "Ich komm nicht bei ihr durch. Es ist, als wenn ich gegen eine Wand laufe", antwortete sie gereizt. Fiona schmunzelte amüsiert. Wenn es eine gute Sache gab, die sie bei den Experimenten damals gelernt hatte, dann, wie man seine Gedanken vor anderen schützt.
Tony schien die Geduld zu verlieren, denn er wurde wie ein kleines Kind zappelig, bis er endlich aufsprang, von wo er sich kurz nach dem er den Raum betrat, hingesetzt hatte.
"Wisst ihr was? Ich finde Speedys Idee hervorragend. Kommen Sie Minerva, ich zeig ihnen ihr Zimmer." Unsicher blieb Fiona erst einmal sitzen.
"Ich- eh-, könnte auch einfach wieder nach Hause gehen. Ich würde ihnen nur sehr ungerne Unangenehmlichkeiten bereiten, Mr. Stark", schlug Fiona vor. "Könnten Sie, aber dann könnte unser Rosenkavalier Pietro hier nicht mehr so viel Zeit mit Ihnen verbringen. Also, bleiben Sie hier. Ich lasse ihre Sachen herbringen. Wo genau wohnen Sie?"
Perplex sah Fiona zwischen Tony und Pietro hin und her. Dann seufzte sie geschlagen. Sie fand ihn eigentlich ganz nett und wollte ihn ja eigentlich sowieso näher kennenlernen. Das war die perfekte Chance dazu. Aber sie musste vorsichtig sein mit dem, was sie tat oder sagte. Fiona hatte keinen Zweifel daran, dass man irgendwann versuchen würde, Experimente an ihr durchzuführen, um zu untersuchen, wie weit ihre Fähigkeiten führten. Darum war es umso wichtiger, jetzt kooperativ zu wirken.
"Ehm, -eh, haben sie mal ein Stück Papier? Dann kann ich ihnen die Adresse aufschreiben." Tony nickte zufrieden und überreichte ihr nach kurzer Zeit einen kleinen Stapel gelber Post-its. Fiona hielt in der einen Hand den kleinen Stapel. Die Andere streckte sie mit der Handinnenfläche nach oben aus. Nach wenigen Sekunden bildete sich eine kleine, schwebende, schwarze Kugel über ihrer Hand. Es sah aus, als würde die schwarze Masse aus der Luft gezogen werden. Pietro beobachtete Minerva fasziniert dabei. Nachdem die Kugel eine bestimmte Größe erreicht hatte, fing sie an sich zu verformen und nahm die Silhouette eines Stifts an. Nach wenigen Sekunden schwebte ein schwarzer Kugelschreiber über Minervas Hand, welchen sie daraufhin ergriff und anfing, ihre Adresse auf dem obersten Post-it zu notieren.
Nachdem sie den perplexen Tony den Stapel wieder in die Hand drückte, löste sich der Stift in Luft auf.
Jeder der Anwesenden hatte wie gebannt auf ihre Hand gestarrt. Die Ausdrücke auf ihren Gesichtern waren zum größten Teil verwirrt über die Situation, andere blickten Fiona neugierig an. Sie sah keinen Sinn darin, ihre Fähigkeit noch weiter zu verstecken, denn zumindest die Tinte hatten sie alle gesehen. Fiona nahm sich vor, ihre Unsterblichkeit weiterhin geheim zu halten.

Es klopfte. Fiona hatte seit 20 Minuten stumm und starr auf dem sehr weichen Bett gesessen, welches, wie der Rest des Zimmers, zu dem Tony sie geführt hatte, weiß war. Dieses makellose Weiß nervte sie sehr. Es war tonlos und hatte keinen Charakter, - kein Gefühl, -nichts. Sie fühlte sich, als würde sie in einer sterilen, leeren Gefängniszelle sitzen.
"Herein"
Pietro lugte spitzbübisch durch den Türspalt, bevor er durch die Tür schritt. Fiona sah zu ihm auf.
"Hi, kann ich mich zu dir setzen?", fragte er verlegen. "Solltest du nicht noch in der Krankenstation liegen und dich ausruhen?", stellte Fiona eine Gegenfrage. "Ja, vermutlich hast du recht. Aber ich hab dir auch etwas mitgebracht." Er hob einen kleinen Teller mit einem Kuchen auf die Höhe seines Gesichts. "Nagut. Es sei dir gestattet, dich zu mir zu setzen", witzelte Fiona. Pietro grinste, nahm neben ihr auf dem Bett Platz und überreichte ihr den Kuchen.
"Tut mir leid, dass du wegen mir jetzt hier festsitzt", "Es ist nicht deine Schuld. Irgendwann hätte man mich sowieso wieder entdeckt. Außerdem sollte ich mich bei dir entschuldigen. Schließlich bist du wegen mir bewusstlos geworden.", "Ich schätze, dann sind wir quitt?", "Ja, ich denke schon."
Pietro lächelte Minerva an. Dann fiel es ihm auf.
"Warte mal. Was meinst du mit ˋwieder'?", fragte er skeptisch nach. Minerva schwieg kurz. Dann sah sie ihn mit einem undefinierbaren Blick an.
"Wie glaubst du, bin ich zu meiner Fähigkeit gekommen?" Da er keine wirkliche Antwort auf diese Frage hatte, schwieg er lieber und sah sie weiter erwartungsvoll an. Sie seufzte.
"Man hat mich gekidnappt und Versuche an mir durchgeführt. Sie wollten eine mächtige Waffe aus mir machen, aber Ihnen ist ein gravierender Fehler unterlaufen und ich konnte entkommen noch bevor sie mich mittels Hypnose in eine willenlose Marionette verwandeln konnten", klärte sie ihn auf. "Wer sind ˋsie'?", harkte er nach. Sie starrte ihn wieder kurz an, als ob sie abwägen würde, wie sicher es war, ihm diese Information anzuvertrauen.
Sie hob ihren Pullover an der rechten Seite hoch. Ein kreisrundes Symbol mit einem sechsarmigen Oktopus, der statt des Kopfteils einen Totenkopf auf zeigte, in der Mitte, offenbarte sich und Pietro stockte der Atem.
"Die Organisation nannte sich Hydra. Diese Leute kennen keine Gnade. Sie brandmarkten mich, auf dass ich niemals vergesse, vor wem ich ewig auf der Flucht sein werde."
Pietros Blick verdunkelte sich.
"Ja, mir sind Methoden Hydras ... bekannt."
Minerva sah ihn erstaunt an, bemerkte aber, dass ihm das Thema unangenehm war und schwieg.
Pietro seufzte. "Eigentlich bin ich hier, um dich zu einem Filmabend mit mir und Wanda einzuladen. Wir wollen ˋFluch der Karibik' schauen und da du ja jetzt auf unserer Etage wohnst und wir irgendwo trotzdem daran Schuld sind, dass du hier festsitzt, dachten wir du hättest eventuell Lust mal aus diesen tristen Raum raus zu kommen'', erklärte er sein eigentliches Vorhaben. Eigentlich wollte er gar nicht auf ihre Kräfte zu sprechen kommen.
Minervas Gesichtsausdruck hellte sich schlagartig auf.
"Klar gerne", stimmte sie enthusiastisch zu. Pietro lächelte und war stolz auf sich, dass er die Situation gerettet hatte und trotzdem etwas über sie erfahren konnte.
Wenig später saß Fiona zwischen Wanda und Pietro auf einer riesigen Couch vor einem unfassbar großen Flachbildfernseher und mampfte den Kuchen, den Pietro ihr mitgebracht hatte. Sie sahen sich den dritten Teil an und waren mittlerweile so ziemlich am Ende angekommen. Gerade lief Lord Beckett die Treppe seines Schiffs in Slow-Motion herunter, während es unter Beschuss stand. Eine der besten Szenen, wie Fiona fand.
Die Zwillinge, wie sie herausgefunden hatte, knapperten gespannt Popcorn. Dieses stand auf Fionas Schoß, sodass beide nach Belieben danach greifen konnten.
Auf einmal kam Fiona eine Idee.
Sie stellte den Kuchenteller auf den Stubentisch, der vor ihnen stand, ab, bedacht darauf, dass das Popcorn nicht runterfallen würde, und streckte ihre Hand aus. Binnen Sekunden hatte sich eine kleine Kugel schwarzer Flüssigkeit über ihrer Hand gebildet. Als sie mit der Masse zufrieden war, begann sie, die Tinte in ihren Gedanken in die Form der Black Pearl zu zwingen. Wenig später segelte das berühmte Piratenschiff von Captain Jack Sparrow um ihren gehobenen Zeigefinger.
"Wie machst du das? Also, wo nimmst du die Tinte eigentlich her?", fragte Wanda neugierig, die nun fasziniert Fionas Tun beobachtete und den Film fast vergessen hatte.
"Naja, ich berühre einen beliebigen Stoff, in diesem Fall Kohlenstoffdioxid, und ziehe ihn an einen bestimmten Punkt, meistens meine Hand, und wandle ihn dann in Tinte um. Danach zwinge ich sie in die gewünschte Form", erklärte Fiona, während sie sich weiter auf das kleine Schiff konzentrierte. "Kannst du die Tinte in jeden beliebigen Stoff zurück verwandeln?", harkte nun auch Pietro neugierig nach. "Nein, leider nicht. Die Tinte kehrt nur in ihre Ursprungsform zurück. Das heißt, bei Schnee, zum Beispiel, verwandelt sie sich in Wasser, weil das die ursprüngliche Form von Schnee ist. Die Masse geht also auf ihre reinste Form zurück", erklärte sie weiter und ließ das Schiff noch einige Runden um ihre Hand drehen, bevor es sich in Luft auflöste.

//AN

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