Kapitel 5 - Verräter

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„Ich dachte du wärst ein Pferd aus der Ampferherde!" Verzweifelt versuchte Rabenband sich aus Farnrosts festem Griff zu winden, mit dem sie ihn auf die harten Steine gedrückt hielt. Die zweite Anführerin hatte die Augen zu wütenden Schlitzen verengt und schnaubte böse: „Ach ja, und das soll ich dir glauben? Du kannst mir nicht erzählen, dass du deine eigene zweite Anführerin nicht erkannt hast. Was bist du nur für ein dummes Pferd, wir hätten jetzt einen Feind weniger, wenn du mich nicht von dieser verlausten Schülerin gestoßen hättest!"

Rabenbands gesamter Körper zitterte. Natürlich hatte er gewusst, das er Streuselband vor Farnrost gerettet hatte, aber wenn er das zugab, würde sie ihm sicherlich den Kopf abreisen - wenn sie das nicht ohnehin bereits tat. Er wusste selbst nicht so genau, warum ihm das Leben der kleinen Schimmelstute so wichtig war, aber er hätte es sich nie verzeihen können, wenn er sie nicht gerettet hätte.

„Verräter wie dich brauchen wir hier in dieser Herde nicht!" Die rotbraune Stute presste ihn noch fester auf den Boden, sodass sich spitze Felsbrocken schmerzhaft in seinen Rücken bohrten. Rabenband schrie kläglich auf als Farnrost ihn heftig schüttelte. Er strampelte hilflos mit den Hufen, doch es nützte nichts. Die zweite Anführerin war stärker.

Erst jetzt bemerkte der schwarze Schüler, dass er nur wenige Schritte neben einer tiefen Schlucht lag, auf die die Stute ihn langsam aber stetig zurollte. Wollte sie etwa ... Voller Furcht riss Rabenband die Augen auf. Sein Körper begann bereits in die Tiefe zu rutschen und er konnte nichts dagegen tun. Völlig verzweifelt schlitterten seine Hufe über einen Steinbrocken, doch der war nicht stabil am Boden verankert und polterte mit viel Getöse in die Schlucht hinab. Rabenband schluckte, als er sich vorstellte, dass er selbst auch jeden Moment dem grässlichen Schicksal folgen würde. Auf einmal verlor er den Halt. Panik flammte in seinem Körper auf und das Blut rauschte in seinen Ohren, als er sich im freien Fall wiederfand. Es war um ihn geschehen, er hatte sein Leben für das einer fremden Stute geopfert.

Plötzlich schoss ein scharfer Schmerz sein Rückgrat entlang. Er kniff die Augen fest zusammen, als er realisierte, dass sein Fall gestoppt worden war. Langsam bewegte er sich nach oben. Er spürte, wie etwas an seinem Schweif zog und wollte den Kopf drehen, doch sein eigenes Gewicht hinderte ihn daran.

Ein beißender Schmerz breitete sich in seiner Flanke aus, als Rabenbands Körper über den rauen Fels schrappte. Eine Pferdelänge von der Schlucht entfernt ließ der Zug an seinem Schweif schließlich nach. Er blickte sich verwundert um. Ganz benebelt und voller zwar oberflächlicher aber dennoch brennender Wunden sah er auf. Neben ihm stand eine erschöpft keuchende Farnrost. Sie wirkte zu seinem Erstaunen kaum noch wütend sondern eher erleichtert. „Ich weiß, du hättest den Tod verdient, aber du bist ein starkes Pferd meiner Herde. Wir brauchen jeden einzelnen, um uns gegen die Ampferherde zu behaupten." Ihre Worte klangen aufrichtig und bestimmt in Rabenbands Ohren wieder.

„Die Worte einer echten Kriegerin", tönte es dumpf hinter den beiden Pferden.

Fast zeitgleich wirbelten sie herum und sahen die dunkle Gestalt Nachtstrahls hinter einem großen Felsbrocken hervortreten. Der lackschwarze Anführer musste das ganze Geschehen mit angesehen haben. Aber warum hatte er nicht eingegriffen, als seine Zweite Anführerin Rabenband den Abgrund hinabgestoßen hatte? Er musste ihr wirklich vertrauen.

„Genau aus diesem Grund habe ich dich zu meiner zweiten Anführerin gemacht. Weil ich weiß, dass die Bergherde nach meinem Tod bei dir in guten Hufen sein wird", fuhr Nachtstrahl mit ruhiger Stimme fort.

Farnrost selbst war ganz still geworden. Sie senkte den Kopf ehrfürchtig vor dem prächtigen Hengst und machte eine dankbare Geste. Als er ihr ein Zeichen gab, trabte sie langsam davon.

Sobald die Stute außer Hörweite war, wandte sich der Anführer an Rabenband und wieherte leise: „Rabenband, du dachtest, sie würde dich töten. Aber diese Stute würde so etwas nie tun. Sie wollte dir nur eine Lektion erteilen, weil du sie verraten hast. Wir beide wissen, dass du es nicht mitansehen konntest, dass ein unschuldiges Pferd umgebracht wird."

RivalenWhere stories live. Discover now