Kapitel 4 - Überfall

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Streuselband sah mit Schrecken, wie die Pferde der Bergherde von der Hügelkuppe strömen. Sie ergossen sich wie ein reisender Strom auf der Wiese, auf der die Ampferherde noch immer wie festgewachsen verharrte. Wütendes Schnauben war zu hören. Kräftige Körper galoppierten angriffslustig und mit hoher Geschwindigkeit heran. Da kam Regung in den Haufen der Futtersuche. Unruhig tänzelten die Pferde auf der Stelle und wappneten sich für das Hereinbrechen der Bergherde. Blankes Entsetzen spiegelte sich in den Augen der meisten wieder. Auch Ruß schien sich zu fürchten. Er presste sich eng an Flohbands Körper und zitterte vor Angst am ganzen Leib.

„Fohlen und Geschützte, rennt ins Lager und schickt Verstärkung! Die Andern: kämpft so gut ihr könnt! Spart eure Kräfte!" Flimmermähne stürzte sich mit ausgestreckten Vorderbeinen als erster in die Reihen der Bergherde. Auch Astflocke und Erdapfel gingen zum Angriff über. Streuselband folgte ihrem Beispiel. Aus dem Augenwinkel nahm sie wahr, wie ein Teil der Futtersuche zurück in Richtung des Lagers rausche.

Um sie herum tobte inzwischen ein mächtiger Kampf. Immer wieder musste die Stute sich windenden und wild um sich schlagenden Tieren ausweichen. Orientierungslos fuhr sie herum. Kein Gegner schien für sie frei zu sein. Alle waren in gefährlich aussehende Zweikämpfe verwickelt.

Plötzlich wurde sie von hinten angesprungen. Eine starke Gestalt drückte sie zu Boden. Die Luft wurde aus Streuselbands Lungen gepresst und sie rang nach Atem. Mit einem Ruck versuchte sie sich zur Seite zu rollen und schaffte es, ihren Angreifer abzuschütteln. Weißes Fell blitzte auf. Ein junger Schimmelhengst rappelte sich taumelnd auf. Streuselband nutzte die Chance und verpasste ihm einen kräftigen Stoß gegen die Schulter. Er wankte zwar kurz, fing sich jedoch rasch wieder. Verbissen spannte Streuselband ihren Körper an. Mit einem gewagten Satz warf sie sich auf den Rücken ihres Gegners und versuchte ihn zu Boden zu drücken. Keuchend fiel der Schimmel in sich zusammen. Durch die Hitze schien er geschwächt zu sein. Auch bemerkte Streuselband, dass seine Rippen sich deutlich unter dem stumpfen Fell abzeichneten.

Fast kläglich stöhnend wieherte er: „Lass mich los, du hast gewonnen." Er wirkte erbost darüber, dass er sich nicht gegen eine deutlich jüngere Schülerin behaupten konnte. Sicherlich hätte er gerne weiter gekämpft, doch er wirkte zu ausgelaugt, um sich weiterhin zur Wehr zu setzen.

Streuselband lockerte ihren Griff. Der Hengst wand sich frei und ergriff die Flucht. Zwar warf er ihr im Wegrennen noch einen bösen Blick zu, doch von ihm ging keine Gefahr mehr aus.

So stürzte sich Streuselband wieder ins Getümmel. Sie sah, wie Ruß mit einer klaffenden Wunde an der Schulter ebenfalls davon galoppierte. Er war eindeutig auf Seiten der Ampferherde. Sonst hätte er nicht gegen die Eindringlingen gekämpft sondern hätte sofort das Weite gesucht.

Mit rasendem Puls, warf Streuselband ihren Schädel hin und her und versuchte das Schlachtfeld zu überblicken. Aus dem Augenwinkel sah sie Birkenband, die mit großer Mühe versuchte, eine dunkle Schülerin abzuwehren, die sich mit gebleckten Zähnen an ihrem Hals verbissen hatte. Mit einem Kampfschrei stürzte sich Streuselband auf die feindliche Stute und zerrte sie von ihrer Freundin weg. Zu zweit schafften sie es, das doch erstaunlich starke Pferd zu besiegen. Wiehernd floh es in Richtung des Gebietes der Bergherde. und Streuselband sah ihr triumphierend nach.

Aber als auch Birkenband sich wieder in den Kampf wagte, fühlte die Schimmelstute sich verloren zwischen all den wiehernden und kämpfenden Pferden. Instinktiv machte sie sich klein und klappte ihre Ohren ängstlich zurück. Zu ihrem Groll musste sie feststellen, dass sie mit der ganzen Situation ziemlich überfordert war. Suchend blickte sie sich nach Flügel um, aber dann fiel ihr ein, dass er ja gar nicht bei der Futtersuche dabe gewesen war.

Da landete plötzlich heftig ein Gewicht auf Streuselband und drückte sie auf die Erde. Keuchend versuchte sie sich zu befreien, während sie förmlich im Gras festgenagelt wurde. Ächzend rang sie nach Luft. Sie konnte nicht mehr atmen. Panik ergriff die Schülerin und sie war unfähig, sich zu rühren. Hektisch strampelte sie mit den Beinen und versuchte sich aus dem festen Griff ihres Gegners zu winden. Doch es gab kein Entrinnen. Schon setzte das feindliche Pferd mit seinen kräftigen Hufen zu einem tödlichen Schlag an Streuselbands Schläfe an. Verzweifelt versuchte sie ihren schlanken Kopf wegzudrehen. Ihre Augen drehten sich nach oben. Rotbraunes Fell blitzte auf, gepaart mit dem steinigen Geruch nach Bergherde. Streuselband bäumte sich ein letztes Mal auf. Jedoch wusste sie bereits, wie nah ihr Ende war. Nur ein einziger Hufschlag trennte sie jetzt noch vom Jenseits.

RivalenWhere stories live. Discover now