Kapitel 1 - Verbotene Mission

45 5 0
                                    

Die sonst grauen Felsen glänzten silbern in der aufgehenden Sonne. Rabenband ließ seine Schulter zucken, um eine lästige Fliege zu vertreiben. Der dunkel gesprenkelte Junghengst bahnte sich seinen Weg durch eine enge Schlucht. Er wurde als Späher seiner Herde ausgewählt, um herauszufinden, an welcher Stelle die gegnerische Herde am liebsten graste oder wo ihr Lager war.

Mit stolz geschwellter Brust schritt er weiter vorwärts. Seine Schritte beschleunigten sich. Es kam nicht oft vor, dass ein unerfahrener Schüler der Bergherde, wie er einer war, zu solch einer riskanten Aufgabe ausgewählt wurde. In das Gebiet der Ampferherde einzudringen galt als Hochverrat in Anbetracht der von den beiden Herden festgelegten Regeln des Zusammenlebens. Umso aufgeregter war Rabenband, seine heutige Aufgabe unbemerkt zu erfüllen. Plante die kampflustige zweite Anführerin seiner Herde gar einen Angriff auf die Ampferherde, um neues Territorium zu erobern? Der aktuellen Futterknappheit in den Bergen nach war das nicht unwahrscheinlich.

Augenblicklich fühlte sich Rabenbands Pelz ein Stückchen schwerer an, als er sich der Verantwortung seiner Mission bewusst wurde. Zudem plagte ihn bereits jetzt der Morgendämmerung die schreckliche Sommerhitze. Sein schwarzes Fell glühte förmlich und die Luft flimmerte unangenehm vor seinen Augen.

Zunehmend dehydriert erreichte Rabenband die Grenze zwischen den beiden Territorien der Herden. Klare Duftmarken und sichtbare Markierungen mit kleinen Pfählen im Boden waren gesetzte. Der wiesenfrische Geruch der Ampferherde traf auf den felsigen, kühlen der Bergherde.

Zögerlich übertrat Rabenband einen der Grenzpfosten. Er hatte sich zuvor im Gras gewälzt und hoffte, auf diese Weise seinen eigenen Geruch überdecken zu können. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in ihm aus und das verdorrte Gras fühlte sich seltsam stachelig unter seinen harten Hufen an. Es war nicht das erste Mal, dass er sich auf fremdem Gebiet befand, doch das erste mal vollkommen allein auf Mission. Tief durchatmend vertrieb er die Gedanken an die Konsequenzen, wenn er entdeckt würde. Er durfte es schlicht und einfach nicht dazu kommen lassen. Zwar existierten die Herden die meiste Zeit über friedlich nebeneinander und trafen sich sogar jeden Mondlauf zu einem großen Herdentreffen, um Neuigkeiten auszutauschen, doch gerade in Zeiten der Futterknappheit wurden oftmals kämpferische Versuche unternommen, das jeweils eigene Gebiet zu erweitern.

Leise Seufzend trabte Rabenband einen ausgetretenen Pfad entlang. Das Herdenleben war hart. Vor allem im Winter oder in besonders heißen Sommern wie diesem war das Futter oft rar. Dennoch gab es eines, das keine noch so moderne Trainingsanlage der zweibeinigen Kreaturen, die man „Huflose" nannte und die es sich zur Aufgabe gemacht hatten, Tiere ihrem Willen zu unterwerfen, zu bieten hatte. Freiheit. Neben der Notwendigkeit, einer Herde anzugehören einer der wichtigsten und ursprünglichsten Urinstinkte eines Pferdes.

Als Rabenband den Schatten der Felsen verließ, begann er durch die Sonnenwärme sofort heftig zu schwitzen. Wie hielt das die Ampferherde nur aus ohne den Schutz der Steine? Sie mussten im Sommer doch vor lauter Hitze glatt schmelzen. Unwillig schüttelte der Hengst sich die Schweißperlen von der Stirn. Mit gegen die Sonne zusammengekniffenen Augen sah er sich auf der mit trockenen Halmen bewachsenen Anhöhe um. Wo könnte ein Futterplatz der Ampferherde sein? Die dürren Wiesen und das offene Gelände boten nur wenig Deckung durch freistehende Bäume oder Büsche. Weder für ihn als Späher noch als Futterplatz optimale Bedingungen. Stets musste der Rappe darauf achten, geduckt zu bleiben, um nicht gesehen zu werden.

Nach einer Weile entdeckte Rabenband zwischen all den vertrockneten Feldern tatsächlich einen guten Futterplatz. Saftiges Grün zierte einen weitläufigen Fleck, der von einigen Bäumen umsäumt war. Daneben plätscherte ein kleiner Bach vor sich hin. Das Gras ringsum sah wirklich ungewöhnlich saftig aus. Augenblicklich begann Rabenbands Magen zu knurren. Seit dem Vortag hatte er nichts mehr gegessen, was für einen Pferdemagen nicht die optimalen Bedingungen waren. Doch die zweite Anführerin Farnrost hatte ihn heute morgen so rasch losgeschickt, dass er keine Zeit mehr für einen kurzen Imbiss hatte. Umso mehr musste er sich beherrschen, sich nicht augenblicklich auf die frischen, grünen Halme zu stürzen. Wäre ja noch schöner, wenn er auch noch beim Futterdiebstahl erwischt wurde.

RivalenTempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang