7. Abend

3 0 0
                                    

Den ganzen Tag war der Himmel bedeckt, doch jetzt, als die Funken zu ihm hinaufgetragen werden, erstrahlt er in einem Kaleidoskop an Rot- und Violetttönen. Dem einen oder anderen Betrachter hätte der Anblick den Atem verschlagen, wenn er beachtet worden wäre. Aber das wurde er nicht und blieb daher unbemerkt. So erging es auch dem Zwielicht, das von satten Farben zu spröden Grau und schließlich in Schwärze wandelte.
Viel wichtiger als das Sehen war den Anwesenden das Spüren, das Fühlen, das Wissen um die Geborgenheit des Augenblicks, das Versprechen von Wärme auf der Haut und im Herzen. Dass mit wenigen Worten eine Pforte zu einer Welt geöffnet wird, in der sie sich verlieren können, in der Leiden und Lieben ganz nah beieinander liegen und Hass und Angst keine Option sind.
Es muss nur das Buch aufgeschlagen werden und die Stimme erklingen, die allen wohlvertraut ist, um sie dorthin mitzunehmen.

Sauron gelang die Flucht aus dem Schloss des Fürsten von Thal. Er eilte die Straße entlang, die er im Gefolge des Herrn von Bruchtal zurückgelegt hatte und fand schließlich den Pfad, der ihm zum Ufer des Sees brachte. Dort entledigte er sich seiner Kleidung, verbarg sie in einem hohlen Baum und als die ersten Sonnenstrahlen ihn berührten, stand er bereits bis zur Hüfte im Wasser.
Wieder durchzuckte ihn ein scharfer Schmerz, als sich aus seinen Beinen wieder der Fischschwanz und Flossen formten und Kiemen ihre Arbeit aufnahmen. Sauron schwamm zur Oberfläche hinauf. Mit schwerem Atem und hinter einem Felsen verborgen, sah er auf den Strand, wo noch immer seine eigenen Fußspuren zu entdecken waren. Er wusste, bald waren sie verschwunden. Von Wind und Wellen verwischt. Nichts würde mehr daran erinnern, dass er dort gestanden und gegangen war und einzig in Glorfindels Erinnerung würde er existieren. Bei dem Gedanken wollte ihm das Herz brechen und wie gern hätte er einige Tränen darüber vergossen. Aber das hieße, er würde sein Schicksal als Prinz des Sees annehmen und die Welt hinter sich lassen. Das war nichts, was er für sich wünschte.
Mit neuer Entschlossenheit ließ Sauron die Oberfläche hinter sich, tauchte in den Seegraswald hinab, in dem der Zauberer seine Hütte hatte. Saruman erwartete ihn bereits und nur nebenbei bemerkte Sauron, dass er genauso aussah wie bei ihrem ersten Aufeinandertreffen..
»Wie ich sehe, bist du zurückgekehrt«, sagte der Zauberer und strich dabei durch seine Haare. »Ich gebe zu, dass ich dein schönes Haar bereits vermisse und auch deine Stimme. Sie ist wirklich liebreizend. Nun hat wieder jeder das, was sein ist. Der Handel ist abgeschlossen.«
»Ich ...«, begann Sauron und verstummte. Er war gelinde gesagt erstaunt, dass er einen Ton formen konnte. Etwas, worauf er den vergangenen Tag hatte verzichten müssen. Es überraschte ihn aber auch, dass der Zauberer wirklich sein Wort gehalten hatte. Er hatte daran gezweifelt. Das hielt ihn jedoch nicht davon ab, den Gedanken auszusprechen, der ihm am Abend zuvor gekommen war und der ihn hergetrieben hatte. »Ich will einen weiteren Handel.«
Saruman hatte sich bereits abgewandt, verharrte jedoch und wartete.
»Ich will einen weiteren Handel. In der gleichen Art. Gleiche Prämissen«, präzisierte Sauron.
Der Zauberer schien zu zögern und Sauron befürchtete, er würde ablehnen. Aber dann nickte er zustimmend. »Die gleichen Bedingungen. Von Sonnenaufgang bis Sonnenaufgang. Sei wieder rechtzeitig am Strand.« Damit dreht er sich um und schloss die Hüttentür hinter sich.
Lange vor dem ersten Sonnenstrahl machte sich Sauron auf den Weg zum Strand. Wie bei seinem ersten Mal, wartete er dort auf einem Felsen und träumte von all dem, was Glorfindel ihm erzählt hatte. Als ihn dann der Schmerz der Verwandlung durchfuhr, schrie er gequält auf. Der Ton hing noch in der Morgenluft, als Sauron stumm auf den Sand sank.
Nur wenige Augenblicke gab er sich, um aufzustehen, die Kleidung aus dem hohlen Baumstamm zu holen und sich anzukleiden. Dann machte er sich auf den Weg zum Schloss, wo er bereits am Tor von Glorfindel erwartet wurde.

»Wie soll das denn gehen?«, murmelt Frerín und stibitzt einige Apfelstücke aus der Obstschale, die Dís auf dem Schoß hält. Auch Thorín versucht es, bekommt jedoch einen Klaps auf die Hand.
»Man sieht schon von Weitem, wenn sich jemand dem Tor nähert. Ist halt so gebaut«, erklärt Boran, aber erst nach einem Blick zum König. »Die Wachen werden den Auftrag erhalten haben, ihn zu benachrichtigen, sobald Sauron zu sehen ist.«
Frerín schiebt sich ein weiteres Stück Apfel in den Mund und kaut. Schließlich meint er: »Das scheint plausibel.«
»Danke«, sagt der König und erzählt weiter:

Von Elben und FischenWhere stories live. Discover now