27. Körperlos | Keno

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Frustrierende Minuten verstrichen, in denen ich kläglich daran scheiterte, diese beschissene Klinke hinunterzudrücken. Egal was ich versuchte, der Zugang blieb mir verschlossen. Wieso? Können Geister etwa nicht einfach durch Wände schreiten? War es wie bei Vampiren und man musste sie erst hineinbitten?

Nein... Lilo hatte es auch geschafft. Es musste also irgendeinen Trick geben. Nur wie fand ich den auf der Stelle heraus?!

Wie... funktioniert dieser Mist bloß? Es konnte doch nicht so schwer sein, eine Tür zu öffnen?

Auf einmal schob sich eine bekannte Silhouette in mein Blickfeld. Erna. Die Pflegekraft in ihren Fünfzigern blickte stirnrunzelnd auf ihr Handydisplay herab und kratzte sich mit nachdenklicher Miene am Kinn.

Da ich keine feste Form besaß, konnte sie mich nicht sehen. Aber vielleicht schaffte ich es irgendwie anders ihre Aufmerksamkeit zu erlangen? Sie irgendwie dazu zu kriegen, mich hereinzulassen...

Ich klopfte gegen den Glaseinsatz in der Tür und rief ihren Namen.

Keine Reaktion.

War ja klar, dass es nicht so leicht werden würde...

Was sollte ich bloß tun? Ich hatte nicht die Zeit, hier ewig dumm rumzustehen. Wenn Großmutter recht hatte, würde eine zu lange Trennung von meinem realen Körper meinen Tod bedeuten.

In dieser Sekunde realisierte ich, wie Erna eine Hand in eine ihrer Kitteltaschen schob und eine zerbeulte Kippenschachtel daraus hervorfingerte. Nachdenklich betrachtete sie den Warnhinweis darauf und malträtierte mit den Zähnen unentschlossen ihre Unterlippe.

Ja! Bitte geh eine Rauchen und mach mir diese verdammte Tür auf!, flehte ich stumm. Bitte...

Und tatsächlich schien das Glück ausnahmsweise auf meiner Seite zu sein. Mit einem schweren Seufzer, der ihren ganzen Körper erbeben ließ, schritt Erna auf die Türklinke zu und drückte sie herunter. „Das ist diesmal aber wirklich die Letzte", hörte ich sie währenddessen murmeln.

Flink wie ein Wiesel duckte ich mich an ihr vorbei ins Gebäude. Perfekt. Jetzt musste ich nur noch Kurt Endlers Aufenthaltsort ausfindig machen und... Ja, was dann eigentlich? Wie sollte ich ihn überhaupt dazu bringen, Patrick herbeizurufen?

Ich schob den Gedanken beiseite. Ein Problem nach dem anderen. Jetzt musste ich erstmal Kurt finden. Noch während ich das dachte, weiteten sich überrascht meine Pupillen und ich erstarrte zur Salzsäule.

Kaja und Robin kamen aus einem der Korridore und liefen keine fünf Meter an mir vorbei.

Was machen die zwei denn hier? Die wollten doch nicht etwa auch...?

Verunsichert folgte ich ihnen zu den Aufzügen und belauschte ihr Gespräch.

„Du bist ja wirklich beliebt hier", bemerkte Robin abfällig, worauf die Blondine antwortete: „Du klingst überrascht. Ich bin sehr gut in meinem Job."

„Dein Job? Ich dachte, du bist nur hier, um eines eurer senil gewordenen Mitglieder zu observieren. Diesen Job hast du allerdings nicht so gut erledigt, oder?"

Hastig schlüpfte ich hinter ihnen her in den Aufzug, bevor dieser seine Türen schloss und da wurde mir zum ersten Mal richtig bewusst, dass ich keine Spieglung mehr besaß. Ich starrte auf die Spiegelfläche an der Rückwand, konnte dort aber einzig Robins und Kajas Reflektionen darauf ausmachen.

Eine Gänsehaut überzog mich und ließ mich erschaudern. Das ist kein Traum, keine Vision. Das hier ist die wirkliche Welt und ich bin kein richtiger Teil mehr davon.

Nur in meinem Kopf - Eine GeistergeschichteWhere stories live. Discover now