18. Hamburg | Keno/Robin

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Ich fand Miki im Sand kauernd vor, wie sie höchst konzentriert versuchte mit einer Plastikschaufel für Kinder im Sand ein Loch auszuheben. Ein unterhaltsamer Anblick, der jedoch nicht von dem abgebrannten Trümmerhaufen ablenken konnte, der einmal Patrick Endlers Heim dargestellt hatte und mir ziemlich imposant ins Auge stach.

„Sollte dieser Bereich nicht eigentlich weitläufig abgesperrt sein?", fragte ich mich laut als ich schließlich in Hörweite gelangte und sie in der Bewegung erstarrte.

„Da bist du ja. Ja, hat mich auch schon gewundert, scheint aber kein Schwein großartig zu interessieren. Vermutlich, weil Gesche Endler selbst die Eigentümerin geworden ist und sich nicht selbst anzeigen möchte."

„Du warst gestern Nacht hier und hast... gesehen wie sie es angezündet hat?", fragte ich ziemlich irritiert und sie nickte. „So in der Art. War ziemlich abgefuckt. Ich... muss dir ein paar Dinge erzählen. Dinge, die ich in den letzten achtundvierzig Stunden rausgefunden habe. Richtig abgedrehtes Zeugs."

„Okay", sagte ich, nahm meine mitgebrachte Schaufel zur Hand und stieß damit kräftig in den Sand hinein. „Und in dieser Geschichte wird dann auch näher erklärt, wie dein Fahrrad metertief unter Sand begraben wurde, richtig? In nur einer Nacht."

„Jap. Aber wie gesagt... es wird schräg. Und persönlich. Persönlich für dich. Und um ehrlich zu sein, hat die Person, von der ich dieses Wissen habe, mich darum gebeten dir nichts zu erzählen. Aber ich finde, du verdienst zumindest die Wahl, dass selbst zu entscheiden. Also wenn du es lieber nicht wissen willst..."

„Verdammt Miki, jetzt fang einfach an zu erzählen."

Sie grinste erleichtert und während ich weiter das Loch aushob, setzte sie sich in den Schneidersitz und begann ihre Geschichte.

*

Am selben Abend stieg ich in den Bus nach Hamburg.

Regen trommelte gegen die Scheiben als ich in die hinterste verfügbare Zweierreihe rutschte und versuchte nicht darüber nachzugrübeln, wie unfassbar dämlich ich mich gerade verhielt.

Was sollte das überhaupt bringen? Warum fuhr ich in einer Nacht und Nebelaktion allein nach Hamburg, um irgendwelche Nachforschungen über die Neue anzustellen? Nur wegen eines Gefühls, was ein Foto in mir ausgelöst hatte und eines abgefuckten Traums?

Aber es gab noch einen weiteren Grund; meine Mutter hatte mir heute direkt ins Gesicht gelogen, sowohl was Onkel Naz' letzten Besuch anging, als auch wegen Tante Alicias Unfalltod.

Vielleicht wollte ich auch nur etwas Abstand zu alldem gewinnen und mich neu orientieren. Mein Blick blieb an meiner Reflektion in der Spiegelscheibe hängen; die von herabfließenden Regenlinien durchbrochen wurde. Ich kam mit meinem eher südländischen Aussehen mehr nach meiner Mutter, bis auf die charakteristischen meerblauen Augen meines Vaters. Manchmal, wenn ich mir wie jetzt länger in die eigenen Augen blickte, erkannte ich mich selbst kaum wider. Wo ist der Junge hin, der ich einmal gewesen war und Abenteuer über alles geliebt hatte? Der jede Nacht davon träumte, mit seinem Onkel und besten Freund eines Tages aufs offene Meer hinaus zu segeln und nie mehr zurückzukommen? Was war nur mit diesem Jungen geschehen?

Ich will nur, das du weißt, dass es nicht deine Schuld ist, hörte ich Onkel Naz' Stimme mir erneut versichern und raufte verzweifelt die Haare mit einer Hand. Wie hatte er das bloß gemeint?

„Alles gut bei dir?", fragte mich plötzlich eine Stimme und ich riss erschrocken mein Gesicht aus der Hand.

Eine Frau mittleren Alters hatte sich besorgt zu mir umgewandt. Ihr blasses, spitz zulaufendes Gesicht wurde von feuerroten Locken umschlossen. „Hast du Schmerzen?"

Nur in meinem Kopf - Eine GeistergeschichteWhere stories live. Discover now