7. Eine neue Spur | Miki

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Am nächsten Morgen wartete ich am verabredeten Platz auf Keno. Obwohl es immer noch schwül war, hatte ich mich heute vorausschauend für Jeans und Turnschuhe entschieden. Die Blasen an meinen Zehen schmerzten noch immer, wenn ich sie bewegte.

Obwohl ich jetzt schon ein paar Wochen hier war, waren mir die meisten Gesichter weiterhin fremd und mir Namen zu merken, hatte ich ohnehin längst aufgegeben. Ein lachendes Grüppchen, dessen Mitglieder ich sogar meiner Jahrgangsstufe zuordnen konnte, stand ganz in der Nähe. Die zwei Idioten von der Eisdiele und ein weiteres, zugegeben sehr hübsches Mädchen, welches sich in Robins Armbeuge schmiegte, als wäre es ihr natürlicher Lebensraum. Warum mussten das nicht queere Pärchen immer so übertrieben zur Schau stellen? Niemanden interessiert's, dass ihr miteinander vögelt ...

Es war doch viel romantischer, wenn man sich nur diese ganz bestimmten Blicke zuwarf; wie bei mir und Lil.

„Hey, Neuelinchen", rief Marlon mir zu und ich musste mich sehr zusammenreißen, um ihn nicht anzufahren. „Was?"

„Wie läuft denn die Geisterjagd bisher? Schon was gefangen?"

„Nichts außer Idioten. Es muss hier wohl irgendwo ein Nest geben. Du könntest dich ja nützlich machen und uns verraten, wo deine Königin lebt."

Bei diesen Worten lief er dunkelrot an und ich grinste hämisch. Wahrscheinlich hätte er mich angeschnauzt, wenn in diesem Augenblick kein gelbes Fahrrad mit zweifacher Besatzung an uns vorbeigefahren wäre. Wir drehten beide leicht überrumpelt den Kopf und sahen zu, wie das Rad langsamer wurde und Keno hinterrücks vom Gepäckträger hinunterglitt.

„Danke für Mitnehmen", sagte er, während seine Schwester das Schloss anbrachte.

„Morgen Andy", sagte Marlon, der plötzlich nichts anderes mehr wahrzunehmen schien als die Anwesenheit von Kenos Schwester. Wie erbärmlich.

Andy ignorierte ihn gekonnt und meinte zu Keno. „Kommst du wirklich allein klar? Irgendwie bist du komisch, seit du gestern völlig durchnässt heimgekommen bist."

„Du meinst noch komischer als normalerweise?", erkundigte sich Keno spöttisch, worauf Andy übertrieben mit den Augen rollte.

„Natürlich komme ich allein klar, Schwesterherz."

„Schön. Aber wenn du wieder etwas siehst-" „Schluck ich artig meine Pillen und tu so, als ob es nicht da wäre. Keine Sorge, ist nicht mein erster Tag als Geistesgestörter", unterbrach er sie und ich beschloss den Idioten neben mir stehenzulassen und zu Keno aufzuschließen.

„Hey", sagte ich leise zu ihm, nachdem Andy sich abgewandt hatte und Richtung Schulgebäude gelaufen war.

„Und? Konntest du gestern mit Lilo reden?"

„Nein", antwortete er einsilbig und lief ebenfalls los.

„Ist gestern irgendwas passiert? Du kannst es mir ruhig erzählen, ich bin auf deiner Seite."

„Nichts ist passiert", erwiderte er einen Tick zu nachdrücklich. „Ich stand einfach nur dämlich im Wasser, bis mir kalt wurde und ich nach Hause gegangen bin."

Wir erreichten das Schulgebäude und ich versuchte meinen hochkriechenden Ärger herunterzuschlucken. Ich mochte es gar nicht, angelogen zu werden. Doch Keno war der mit Abstand interessanteste Mensch in diesem Kaff und ich wollte es nicht verbocken.

Ich überlegte, was ich sagen konnte, damit er sich mir endlich anvertraute – weshalb ich seinen abrupten Stillstand übersah und gegen ihn stieß.

„Aua ... Was bleibst du denn einfach stehen?"

Als er nicht antwortete, blickte ich ihn stirnrunzelnd an. Sein ohnehin schon eher blasses Gesicht, war nun praktisch blutleer, seine hellbraunen Iriden stark erweitert.

Nur in meinem Kopf - Eine GeistergeschichteOnde as histórias ganham vida. Descobre agora