53. Drew

31 6 16
                                    

„Es stimmt nicht. Ich habe nicht mit ihr geschlafen. Eigentlich stimmt überhaupt nichts von dem, was dort steht."

„Du musst dich nicht rechtfertigen Drew.", meint sie sanft. „Das geht auch überhaupt niemanden etwas an, als dich selbst und sie."

„Ich weiß, aber...scheiße.", breche ich ab und hole hastig mein Handy heraus. Ich will nicht, dass Everly es so erfährt und schon gar nicht, weil sie unvorbereitet von irgendjemanden angequatscht wird, weshlab ich eilig Joshs Chat aufrufe und ihm eine Nachricht schicke. Er antwortet innerhalb von Sekunden, dass er Bescheid weiß und sich um Everly kümmern wird, was mich beruhigt aufatmen lässt. Jetzt erben auf einmal auch die merkwürdigen Blicke von allen einen Sinn und ich frage mich, wie ich das in den letzten Tagen nicht bemerkt habe. Vermutlich, weil ich so sehr auf mich und Everly und dieses Freundschaftsding fokussiert war, dass ich alles andere drum herum nicht wahrgenommen habe.

„Ich habe nicht mit ihr geschlafen. Sie hat mich geküsst, um mich vor meiner Exfreundin zu verteidigen, die jetzt mit meinem ehemals besten Freund zusammen ist, mit dem sie mich übrigens betrogen hat und dann ist sie weggerannt."

„Braune halblange Haare, braune Augen und viel zu viel Makeup im Gesicht?"

Ich hebe überrascht den Kopf, denn ich habe keine Ahnung, woher Emily wissen sollte, wie Jamie aussieht. Die beiden sind sich noch nie begegnet. Dachte ich jedenfalls.

„Dieser Ausbund an Freundlichkeit saß beim Spiel neben uns und ich rechne es Everly wirklich hoch an, dass sie ihr keine geknallt hat, bei dem Scheiß, den sie von sich gegeben hat."

„Jamie hat mit Everly geredet?", rufe ich ein wenig zu laut aus, doch ich bin viel zu überrascht davon, dass Everly mir nichts davon erzählt hat, als dass ich mir darüber Gedanken machen würde.

„Was hat sie gesagt?"

„Naja. Sagen wir es mal so: Sie war nicht sehr nett, aber irgendwie davon überzeugt, dass Everly mit dir ins Bett geht. Jetzt ergibt das Ganze auch einen Sinn." Ich fasse es nicht, dass Jamie das tatsächlich gemacht hat und, dass Everly mir nichts davon erzählt hat, aber vielleicht wollte sie auch nicht, dass ich mich darüber aufrege.

„Seid ihr zwei wirklich zusammen?", fragt Emily vorsichtig nach, worauf ich den Kopf schüttle.

„Nein. Everly hat eine Liste erstellt mit Dingen, die wir in den nächsten vier Wochen machen sollen, um uns besser kennen zu lernen, damit sie dann entscheiden kann, ob sie mit mir befreundet sein möchte oder nicht. Am Anfang fand ich die Idee auch gut, aber..."

„...aber jetzt merkst du, wie verknallt du wirklich in sie bist und bereust es.", beendet Emily meinen Satz.

„Dass ich in sie verknallt bin, habe ich nie gesagt."

„War nicht nötig.", meint sie und schnappt sich einen Keks aus der kleinen Dose, die die Kellnerin vorhin an unserem Tisch abgestellt hat, bevor sie mir ebenfalls einen reicht.

„Ist das wirklich so offensichtlich?"

„Nein, eigentlich nicht. Außer man hört dir dabei zu, wie du von ihr redest. Dann schon."

„Und was soll ich jetzt tun?", frage ich verzweifelt und beiße in das Gebäck in meiner Hand, in der Hoffnung, dass der Zucker dafür sorgt, dass ich mich nicht mehr ganz so erbärmlich fühle.

„Nichts."

„Nichts?" Mit dieser Antwort habe ich jetzt nicht gerechnet und irgendwie habe ich auch etwas anderes erhofft.

„Nein. Hör mal, ich mag dich sehr, als Freund und aus diesem Grund werde ich dir jetzt etwas sagen, weil ich nicht möchte, dass du verletzt wirst, obwohl ich mir sicher bin, dass es dir nicht passen wird, was ich dir gleich sage."

„Schieß los."

„Everly macht gerade die schlimmste Zeit ihres Lebens durch. Wenn ich das richtig verstanden habe, dann sind sie und Tyler ein paar, seit die beiden Kinder sind, was bedeutet, dass der Mensch, der jahrelang jeden einzelnen Tag an ihrer Seite war, auf einmal nicht mehr da ist. So etwas steckt man nicht so einfach weg. Das braucht Zeit. Und ich weiß, dass du dir mehr von ihr erhoffst, aber ich denke, dass sie dir aktuell nicht mehr geben kann. Menschen haben eine unterschiedlich lange Trauerphase und selbst nach dauert es einiges an Zeit, bis man bereit ist, wieder jemanden neues in sein Leben zu lassen." Ich schaue sie sprachlos an, denn Emily klingt, als könnte sie nachempfinden, was Everly durch macht. Als sie meinen fragenden Blick bemerkt, lächelt sie traurig.

„Mein Vater ist gestorben, als ich drei Jahre alt war und es hat meine Mutter ganze sieben Jahre gedauert, um ihre Trauer zu überwinden. Was ich damit meine ist, dass es nicht sehr wahrscheinlich ist, dass sich Everly in den nächsten Monaten oder vielleicht sogar Jahren auf jemanden neues einlassen kann. Und ich denke, dass es dich vermutlich mehr verletzten wird, wenn du dir immer weiter Hoffnungen machst, die dann am Ende doch nicht erfüllt werden. Mal abgesehen davon, dass du in der letzten Zeit schon genug verletzt worden bist." Sie hat recht. Mit allem. Damit, dass ich es eigentlich nicht hören will, weil ein Teil von mir nicht akzeptieren möchte, dass sich Everly und ich an unterschiedlichen Etappen unseres Lebens befinden und auch damit, dass ich es meinem Herzen nicht schon wieder an tun kann gebrochen zu werden.

„Ich kann nicht den Kontakt mit ihr abbrechen.", antworte ich leise, denn es klingt fast so, als wäre das ihr nächster Vorschlag. Doch das geht nicht. Schließlich wohnen wir nebeneinander.

„Das sollst du auch überhaupt nicht. Aber du sollst aufhören dir Hoffnungen zu machen, die dann doch nicht erfüllt werden."

„Und wie soll das gehen?"

„Geh aus, triff dich mit jemanden. Jemand der nicht Everly ist." Ich lasse mir ihren Vorschlag durch den Kopf gehen. Er gefällt mir überhaupt nicht, weil ich mich nicht mit jemandem treffen möchte, der nicht Everly ist, aber leider denke ich, dass sie recht hat. Sonst werde ich ewig da sitzen und alle meine Hoffnungen und Wünsche auf eine Frau provozieren, die für mich nicht erreichbar ist.

„Danke.", antworte ich ihr und meine es zu hundert Prozent so, denn bisher habe ich nicht gewusst, wie sehr ich dieses Gespräch gebraucht habe, auch wenn ich nicht weiß, wie ich jetzt weiter machen soll.

„Dafür sind Freunde doch da.", meint sie und lächelt leicht, während ich realisiere, wie froh ich bin, dass dieses Mädchen damals mutig genug war, nach meiner Nummer zu fragen. Denn irgendwie scheint Emily die einzig wirklich vertraute zu sein, die ich hier außerhalb von meiner Familie und Everly habe.


Two broken Souls - Finding Happiness AgainUnde poveștirile trăiesc. Descoperă acum