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Volcano

Kapitel 1

Angespannt trat ich von einem Bein auf das andere, während ich Chan beobachtete. Je länger er schwieg, desto nervöser wurde ich. War es diesmal perfekt gewesen?
Mit konzentriertem Gesichtsausdruck startete er die Aufnahme von vorne. Meine Stimme drang aus den Lautsprechern des kleinen Aufnahmestudios, wiederholte die Zeilen, die ich in der letzten Stunde eingesungen hatte und die sich in mein Gedächtnis eingraviert hatten.

이미 내게 너는 죄
(To me, you're already a sin)
너는 죄
(You're already a sin)

Mein Herz schlug schnell in der Brust, das Lächeln stahl sich automatisch auf meine Lippen, während wir dem Song lauschten. Ich stand zu all meinen Werken, war auf jedes von ihnen stolz - doch dieses hier lag mir besonders am Herzen. Denn um genau zu sein: Es war eine Liebeserklärung. Himmel, wie das klang.
Ich spürte, wie meine Wangen warm wurden.
Okay, ich hatte in den letzten Jahren schon einige Liebeslieder geschrieben, aber nie hatte ich dabei jemanden so klar vor Augen gehabt wie dieses Mal.

네게 녹아들 수 있게
(So I can melt into you)
내 몸을 감싸줘 아파도 난 it's okay
(Hug my body even if it hurts, it's okay)
(Woah) 차갑고 거친 파도 속에
((Woah) Among the cold and harsh waves)
뜨거운 네가 필요해, you are my volcano
(I need your heat you are my volcano)

Die letzten Töne verklangen. Unruhig biss ich mir auf die Unterlippe und wartete auf Chans finales Urteil.
Meist saßen wir zu dritt im Studio, komponierten oder probierten neue Dinge aus - heute nicht. Ich hatte diesen Song bereits vor einigen Wochen angefangen zu schreiben, Zeilen verworfen und umgeschrieben, schließlich war zu dem Zeitpunkt in meinem Leben einiges durcheinander geraten. Zwar hatte sich alles wieder geregelt – mir ging es besser denn je, was definitiv an demjenigen lag, der mich zu diesem Lied inspiriert hatte – dennoch... Irgendwie wollte ich noch nicht allen auf die Nase binden, wie glücklich ich war. Und so blieb nur Chan übrig, dem ich es zutraute, meinen Text im Vorfeld neutral zu beurteilen.
Wobei sein Gesichtsausdruck gerade alles andere als neutral wirkte.

Langsam drehte er sich auf dem Stuhl zu mir herum und sah mich breit grinsend von unten herauf an.
„Mir gefällt es. Ich denke, wir haben es."
Die Anspannung fiel augenblicklich von mir ab, sodass ich mit weichen Knien und einem Seufzen auf das Sofa sank.
„Und einem bestimmten Jemand wird es sicher noch mehr gefallen. Bei dem Text."
„Chan!"
Soviel zum Thema „noch nicht allen auf die Nase binden".
Sein wissendes Lächeln wirkte ansteckend. Ihm konnte man nur schwer etwas vormachen.

Wir hörten den Song noch einige Male, veränderten hier und da einige Passagen. So vertieft in unsere Arbeit merkten wir nicht, wie die Zeit verging. Bis es gedämpft an der Tür klopfte.
Irritiert sahen wir uns an, schließlich erwarteten wir niemanden.
„Ja?"
Die Tür wurde geöffnet und ein brauner Haarschopf schob sich durch den Spalt. Mein Herz machte einen überraschten Satz.
„Lee Know!"
„Hey hey."
Ein Schmunzeln versteckte sich in seinem Mundwinkel, als er eintrat, Chan zunickte und sich dicht neben mich auf das Sofa fallen ließ. Was machte er hier? Hatten wir uns nicht erst später zu Hause treffen wollen? Ich war leicht überfordert mit der Situation. Was mir in letzter Zeit in seiner Gegenwart irgendwie des Öfteren passierte.

Dass ich ihn sekundenlang mit weit aufgerissenen Augen anstarrte, bemerkte ich erst, als Chan sich verhalten räusperte und damit meine Aufmerksamkeit kurzzeitig zurück auf unseren Leader lenkte. Aber was sollte ich auch machen, wenn Lee Know vollkommen überraschend und vor allem mit diesen herrlich verwuschelten Haaren hier aufkreuzte, die ich sonst am liebsten selbst mit meinen Fingern in Unordnung brachte? Als wäre er gerade erst aufgestanden. Und dazu der übergroße Hoodie, den ich ihm so gerne klaute... Da steckte sicher Absicht dahinter, wusste er doch, wie wenig ich ihm in dieser Aufmachung widerstehen konnte.
Er kicherte leise.
„Du starrst."
„Gar nicht."
Gespielt beleidigt schürzte ich die Lippen, was ihn noch mehr zum Grinsen brachte.
„Was machst du eigentlich schon hier? Wolltest du nicht im Dorm auf mich warten? Oder hast du mich etwa vermisst?", versuchte ich den Spieß umzudrehen. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, wie Chan die Szene aufmerksam verfolgte, das Kichern wenig erfolgreich hinter seiner Hand verbergend.
„Nein. Ich hab nur Hunger und so lange wie ihr meistens im Studio braucht, bin ich längst verhungert, wenn ich euch nicht unterbreche."
Obwohl er mich mit seinem typisch ernsten Gesichtsausdruck betrachtete, zeugte das Funkeln in seinen Augen davon, dass er eigentlich etwas anderes sagen wollte.
Er brauchte es bloß nicht zu leugnen. Natürlich hatte er mich ebenso vermisst wie ich ihn, schließlich hatten wir uns gestern nicht sehen können und ein Tag ohne den anderen konnte verdammt lang sein.

„Dann würde ich sagen, wir machen Schluss für heute. Nicht, dass Lee Know wirklich noch vom Fleisch fällt."
Verdutzt sah ich zu unserem Leader, der vielsagend zwischen uns hin und her blickte. An manchen Tagen war ich mir nicht ganz sicher, was er von unserer Beziehung hielt, ob er genervt oder besorgt aufgrund möglicher Auswirkungen war, doch die meiste Zeit schien er sich einfach nur zu freuen, dass es uns gut ging. Und darüber war ich mehr als froh.
„Bist du sicher?", hakte ich nach. „Wir sind doch noch nicht ganz fertig."
So sehr ich nun endlich Zeit mit Lee Know verbringen wollte, so wenig konnte ich Chan die ganze Arbeit alleine machen lassen. Besonders bei meinem eigenen Song.
„Ach, so viel ist nicht mehr, das schaffe ich. Außerdem schicke ich dir dann später die erste Version. Im Zweifelsfall können wir dann immer noch etwas verändern."
Unschlüssig sah ich ihn an. Na, wenn er meinte...
„An was habt ihr eigentlich gerade gearbeitet?", mischte sich Lee Know ein.
„An Hans neuem Song. Willst du mal reinhören?"
Mit großen Augen starrte ich die beiden an, schüttelte leicht den Kopf, um zu verhindern, dass Chan seinen Vorschlag sofort in die Tat umsetzte. Das Herz schlug schon wieder viel zu aufgeregt in meiner Brust, Hitze stieg in meine Wangen.
Natürlich mochte ich den Song und freute mich auf das Endergebnis und die ersten Meinungen dazu. Nur nicht jetzt. Nicht von Lee Know, über den ich diesen Text geschrieben hatte und für dessen Reaktion ich definitiv mehr mentale Vorbereitung brauchte. Er kannte zwar einige Zeilen davon, aber eben nicht alle.
Gut, ich würde ihn nicht aufhalten, wenn er es jetzt unbedingt hören wollte, aber...
Ich fing sowohl Chans als auch Lee Knows Schmunzeln auf, während ich weiterhin wie erstarrt dasaß. Mit jeder verstrichenen Sekunde wurde ich verlegener, knetete die Hände nervös in meinem Schoß.
„Ich denke, ich warte, bis er komplett abgemischt ist und hör ihn mir dann ganz in Ruhe an." Lee Knows Hand strich sanft über meinen Arm und blieb schließlich auf meinen Händen liegen. Augenblicklich ließ mich diese Berührung ruhiger werden.

Chan grinste verstehend, ehe er sich von uns ab- und seinem Computer zuwandte.
„Na, dann macht gerne los. Ihr habt sicher etwas vor, so wie ich euch kenne. Schönen Abend und bleibt anständig."
Er sah nicht, wie Lee Know die Augen verdrehte, als wir der Aufforderung nachkamen und uns vom Sofa erhoben. Ich kicherte. Was dachte Chan eigentlich von uns? Dass wir ständig übereinander herfielen?

Doch kaum fiel die Tür ins Schloss, war sie wieder da: Diese unverkennbare Anspannung zwischen uns, die mich jedes Mal dazu verleiten wollte, ihn ins nächstbeste Zimmer zu zerren, um ihn für mich alleine zu haben. Dabei war es erst zwei Tage her, dass wir uns gesehen hatten.
Mit einem Mal stoppte Lee Know neben mir mitten im Schritt und blickte über die Schulter zurück. Verwundert blieb ich ebenfalls stehen, seinem Blick folgend. Der Gang wirkte wie ausgestorben, nur gedämpft drangen Geräusche aus den angrenzenden Räumen zu uns. Ich kam nicht dazu nachzuhaken, da wurde ich bereits gegen die kühle Wand gedrückt. Sekunden später lagen weiche Lippen auf meinen. Ich japste überrascht auf, mit einem solchen Überfall hatte ich nicht gerechnet. Und leider konnte ich den Moment nicht richtig genießen, denn viel zu schnell verließen mich die Lippen wieder. Zwar verharrten sie noch einen Augenblick lang an meiner Schläfe, dann löste er sich endgültig und trat mit einem verschmitzten Schmunzeln zurück.
„Na gut, vielleicht hab ich dich doch ein kleines bisschen vermisst."
Ein kleines bisschen? Mein Blick musste reichlich verklärt sein, denn das Schmunzeln wandelte sich zu einem selbstgefälligen Grinsen, während er mich nicht aus den Augen ließ und sich als Krönung des Ganzen lässig mit den Fingern durch die dunklen Haare fuhr.
Gott, manchmal verfluchte ich diesen Mann dafür, dass er vermutlich ganz genau wusste, was für eine Wirkung er auf mich hatte.
„Ich glaube übrigens nicht, dass das Chans Vorstellung von „anständig" war."
Ja, meine Stimme klang heiser – das war kein Grund, noch breiter zu grinsen, Lino!
Bevor er etwas entgegnen konnte, was mich womöglich weiter aus dem Konzept gebracht hätte, drückte ich ihm einen flüchtigen Kuss auf die Lippen, verhakte unsere Finger ineinander und suchte den Weg zum Ausgang. Glücklicherweise schwieg er, das zufriedene Grinsen haftete unberührt auf seinen Lippen.

Nachwort

Frohe Ostern ^^
Und Willkommen zu dieser kurzen Minsung-FF. Ja, die beiden lassen mich nicht los. Seit ich den Text zu "Volcano" das erste Mal gelesen habe, hat mich die Idee dazu nicht mehr losgelassen. Deshalb musste sie nun als indirekte Fortsetzung zu "Only with you"  umgesetzt werden. Es werden vermutlich 3 Kapitel werden, wobei das nächste etwas dauern wird.

Ich hoffe, es hat gefallen ^^
Über Feedback jeglicher Art und Sternchen würde ich mich wie immer freuen.
Liebe Grüße
Luna

Volcano (Minsung)Kde žijí příběhy. Začni objevovat