30 Ein blinder Passagier

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Den Rest des Abends verbrachten Tom, Nikos, Billy und Martin, nun wieder zusammen mit Xenia und Georg, auf der Dachterrasse des Hotels am Strefi. Sie beschlossen, am nächsten Morgen so zeitig loszufahren, dass sie noch ein bisschen Zeit zusammen in Akrokorinth verbringen konnten. Sie riefen Sandy an und baten ihn, zwei Stunden früher am Hotel zu sein. Der startete einen Telefonrundruf und bestellte den Rest der Gruppe nach Akrokorinth.

Der nächste Tag war einer dieser Frühsommertage mit glasklarer Luft, strahlend blauem Himmel und genügend Wind, um die Temperatur in der Mittagszeit erträglich zu gestalten. Anders als im Hochsommer, wenn Schattierungen der Farbe braun das Bild beherrschten, war die Küstenebene des Isthmus noch sattgrün.

Nikos parkte den Mustang am Eingang der Festung ab und wunderte sich, dass einige Autos auf dem Parkplatz standen. Außer einem Polizeiwagen hatten sie hier nie welche gesehen. Als sie die Hochfläche in Innern der Festung erreichten, klärte sich die Frage. An der südlichen Mauer wartete eine Traube junger Menschen auf sie. Sandy freute sich, dass alle seinem Aufruf gefolgt waren.

Tom, Nikos, Martin und Billy rannten zu ihren Freunden, und Tom konnte Sophia schlecht einen Kuss verweigern, nachdem er alle anderen vorher auch schon geküsst hatte. Georgios, der sich um die Verlobung seiner Schwester sorgte, sah es mit Freude. „Vielleicht doch alles nicht so schlimm," dachte er. Ahmed erzählte Tom begeistert von seiner Zeit mit Samir auf dem Gestüt. Einige hatten Gitarren dabei, Stelios Bongos, Manos seine Bouzouki, und Phil schleppte sich mit einem Akkordeon ab.

„Bruder, was kannst Du denn noch alles?" fragte ihn Tom.

„Du weißt doch, mein bester Freund Mole spielt auch Akkordeon. Er hat mir Orgelspielen beigebracht, und nun will ich ihn überraschen. Ist verdammt schwer. Bialtafiq walnajah, habibi."

„Bruder verstehe ich, und der Rest?"

„Viel Glück," übersetzte Billy.

Phil sprang auf die Mauer:

„Leute, hört mal alle zu. Wir haben schon einmal zusammen den Sonnenaufgang angesehen. Wollen wir das noch mal machen, wenn unsere vier übermorgen früh in Alexandria einlaufen? Wir haben es damals gespürt, dass Ihr an uns gedacht habt. Das war toll."

Alle stimmten zu, und einige sprachen sich ab, wo sie zusammen die Sonne begrüßen wollten. „Ob das so angefangen hat, mit der Verehrung von Re?" dachte Tom. Es war anscheinend gar nicht besonders schwer, einen Kult zu erschaffen.

Sie setzen sich auf die Mauer und verspeisten das süße Gebäck, das die Korinther mitgebracht hatten. Die Musiker einigten sich auf das – in ihrem Arrangement - schwierigste der Lieder, die sie zuletzt auf dem Kreuzfahrtschiff gespielt hatten: Maggie May. Dieses Stück hatte in Tom immer schon Emotionen geweckt. Er flüsterte Nikos ins Ohr:

„Ich möchte Dich jetzt küssen."

Nikos sah ihn ernst an und fragte etwas lauter als nötig:

„Wirklich? Jetzt?"

„Ja, jetzt. Wenn Du willst."

„Gut. Lass uns Schluss machen mit dem Versteckspiel."

Phil griff ein-, zweimal daneben, als er es sah. Viele andere waren ebenfalls mehr als überrascht. Sophia empfand es als eine kleine verlorene Schlacht ganz am Anfang der Kampagne. Sie würde sich von so etwas nicht entmutigen lassen. Manos stachelte die Musiker immer wieder zu Improvisationen an, und so blieb Maggie May das einzige Stück, das sie heute spielten, denn sie mussten pünktlich in Patras sein. Man war schließlich nicht in Libyen.

„Tom, was ist los mit Dir?" Georgios hatte gewartet, bis sich alle anderen verabschiedet hatten.

„Ich bin ein Arschloch, Schwager, ich habe mit Sophia Schluss gemacht."

Die richtigen Leute Band 5: Nikos ToursWhere stories live. Discover now